VISION 20004/1989
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Caterina von Siena: Botschaft an uns

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La Dolce Mamma

Caterina Benincasa wurde am 25. März 1347 als 23. Kind einer wohlhabenden Familie in Siena geboren. Es heißt, daß sie von ihren Eltern besonders geliebt wurde. Schon im Alter von 6 Jahren hatte sie ihre erste Vision: Christus erscheint ihr mit Papst­gewändern bekleidet und segnet sie. Vielleicht spricht sie deswe­gen später den Papst als "Chri­stus auf Erden" an.
Schon sehr früh entsteht in ihr der Wunsch, ganz für Christus leben zu wollen. Allerdings hatten Caterinas Eltern beschlossen, für sie eine gute Ehe zu arrangieren. Als Protest schneidet sich Cateri­na die Haare ab - Zeichen dafür, ehelos bleiben zu wollen - und verärgert damit die ganze Familie. Um sie von ihrem Vorhaben abzubringen, zwingen die Eltern sie nun, alle Pflichten der Magd im Haus zu übernehmen. Für Caterina kein Grund zur Traurig­keit. Sie verrichtet ihre Arbeit ohne zu murren, betet und fastet. Schließlich geben die Eltern nach, und Caterina darf in den Laienorden der Dominikaner eintreten.
Die nächsten drei Jahre lebt sie ganz abgeschlossen von der Familie in ihrer Zimmerzelle. Sie spricht mit niemandem, lebt in strengstem Fasten und verläßt ihre Zelle nur, um in die nahe Dominikanerkirche zu gehen. In dieser Zeit erlebt sie auch ihre mystische Vermählung mit Jesus Christus. Dann aber schickt sie der Herr in die Welt hinaus. Sie beginnt damit, Armen zu helfen, Gefangene zu besuchen und Schwerkranke zu pflegen: Furchtlos hilft sie den Sterben­den in der Pestzeit. Den zum Tode Verurteilten steht sie manchmal bis zu ihrer Hinrich­tung bei.
Ihre Begabung, Frieden zu stif­ten, spricht sich herum. So ver­söhnt sie rivalisierende Familien und löst vielfach Bekehrungen aus. Um sie herum bildet sich eine Schar treuer Anhänger: die "famiglia", von denen sie liebe­voll "la dolce mamma" genannt wird. Bald erzählt man sich von Wundern, die sie erwirkt hat. Mit der Zahl ihrer Anhänger wächst auch die ihrer Gegner und Neider. Sie wird vor das General­kapitel der Dominikaner zitiert, kann sich aber rechtfertigen. Caterina von Siena fühlt eine dreifache "kirchliche" Sendung in sich: zunächst einmal möchte sie unbedingt den Papst aus sei­nem Exil in Avignon nach Rom zurückholen und versucht zwi­schen ihm und den Städten, die sich gegen den Papst verschwo­ren hatten, zu vermitteln. Weiters drängt sie auf eine Reform der Kirche: keine dogmatische, son­dern eine sittliche. Sehr am Herz­en liegt ihr der Kreuzzug: die Christen zu befreien, gleichzeitig aber auch die Ungläubigen zu bekehren, ist ihre große Hoff­nung. Nachdem sie in ihrem Leben viel für die Kirche gelitten hat, stirbt sie am 29. April 1380.

Aus ihren Briefen

Caterina hat viele Briefe verfaßt. Dazu muß gesagt werden, daß sie selbst gar nicht schreiben konn­te, sondern Vertrauten diktierte. Unter den Adressaten finden wir Menschen aller Stände und in den verschiedensten Situatio­nen. Hier einige Auszüge:

An Papst Gregor XI, den sie zur Rückkehr nach Rom bewegen möchte, schrieb sie, als sie in Avignon war:
"Deshalb wünscht meine Seele in unermeßlicher Liebe, Gott möge in seiner unendlichen Barmherzigkeit alle Leiden­schaft und Lauheit des Herzens von Euch nehmen und Euch zu einem anderen Menschen umfor­men ... O weh mir, o weh, mein liebster Vater! Verzeiht meine Anmaßung; das, was ich Euch sagte, die große Liebe, die ich ... zu Eurem Heile habe und der riesige Schmerz, wenn ich das Gegenteil sehe, läßt mich so sprechen. Handelt so, daß ich nicht bei Christus dem Gekreu­zigten Beschwerde gegen Euch einlegen muß, denn auf einen anderen könnte ich mich nicht berufen, da niemand höher ist auf Erden als Ihr."

An den Bischof von Florenz:
" ... in aller Milde bitte ich Sie, vom Schlaf der Lauheit aufzu­stehn. Lernen Sie vom göttlichen Meister, wie er sein Leben für seine Schafe hingegeben hat ... Wer schläft, sieht nichts, hört nichts .. Mein bester, teuerster, hochwürdiger Vater in Christus Jesus! Ich beschwöre Sie, seien Sie ein echter Bischof ... "

An den Herrn von Pisa:
"Ich wünschte, Sie wären völlig frei von der Anhänglichkeit und dem Verlangen nach den gott­widrigen Gelüsten und Unordnungen der Welt ... ... brauchen Sie nur das Auge der Selbsterkenntnis zu öffnen: Sie werden dann nicht geringfügige Dinge entdecken, sondern er­kennen, daß Sie beständig Erbärmlichkeiten und Bosheiten wirken ... Ihren Brief habe ich erhalten und ihn mit inniger Liebe gelesen. Nicht meine Tugend und meine Güte, sondern die Ihrige und die der Damen Ihres Hauses haben Sie bewogen, mir in Demut zu schreiben und mich um mein Kommen zu bitten."

Anfrage an mich:

Warum ich gerade Stellen her­ausgesucht habe, wo Caterina Kritik übt? Weil mir vor allem folgendes an ihren Briefen be­sonders gefallen hat: Einerseits scheut sie sich nicht, ohne Um­schweife und Furcht die Wahr­heit, wie sie ihr geoffenbart wor­den ist, zu verkünden. Man be­merkt jedoch andererseits, daß es ihr nicht ums Rechthaben geht, sondern immer um den jeweili­gen Menschen.
Sie möchte jede Seele zu Gott zu­rückführen, damit dieser Mensch ein besseres Leben habe. Daher tadelt sie, wenn nötig, aber man spürt auch die Liebe zum Adres­saten. Kritik nur aus Liebe scheint für sie eine Selbstver­ständlichkeit zu sein. Außerdem ist sie mit ihren Ermahnungen nie an die Öffentlichkeit gegangen. Ihre Briefe waren stets ganz per­sönliche, wegweisende Zurecht­weisungen. Daher wirkten sie nicht zerstörerisch, sondern auf­bauend. Wenn sie dem Papst auch persönlich ins Gewissen geredet hat, so hat sie ihn doch anderen gegenüber heftig vertei­digt.
Einern Kritiker schreibt sie fol­gendes: "Zudem bitte ich Euch, nicht leichtfertig im Urteilen zu sein, wenn Ihr im Angesicht Gottes nicht wohl darüber erleuchtet wurdet". Für mich soll das von nun an bedeuten: niemals ohne Liebe kritisieren. Zweitens muß ich mich aber gleich darauf fragen, ob ich wohl überhaupt "erleuchtet" genug bin, um Kri­tik üben zu können. Das heißt: keine Kritik ohne vorheriges Gebet. Das durchzuhalten, ist wohl nicht ganz leicht, aber lohnt sich sicher.

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