Wer sich etwas ausführlicher mit der Frage der Abtreibung beschäftigt, erkennt: Im Grunde genommen ist die alles entscheidende Frage geklärt: Das Wesen im Mutterleib ist von Anfang an Mensch, schlicht und einfach ein Kind.
Ernst Haeckels "Biogenetisches Grundgesetz" (der Mensch mache im Mutterleib nicht-menschliche Entwicklungsphasen durch, sei also beispielsweise zeitweise amphibien-ähnlich) ist widerlegt. Abtreibung ist somit offensichtlich Tötung eines Menschen. Offenkundig sind auch die traumatischen Folgen für die betroffenen Frauen. Die strahlenden, kämpferischen Bekenntnisse prominenter Befürworterinnen der Abtreibung: "Ich habe abgetrieben ... ", haben einer anderen Art von Bekenntnissen Platz gemacht: "Wir haben abgetrieben - und es war die Hölle." ("Tempo" Nov./1986). Erwartungsgemäß wurde die Abtreibung auch zu einem blühenden Geschäft. So finanzierten Edwards und Steptoe, die englischen Pioniere der künstlichen Befruchtung, ihre Forschung mit Geldern, die sie bei Abtreibungen verdient hatten.
Längst erkannt wurde auch, daß die de facto Freigabe der Abtreibung die Frauen nicht freier gemacht hat. "Unsere Gesellschaft ... hat die Straffreiheit innerhalb der ersten drei Monate längst umgedeutet, Abtreibung für "erlaubt" erklärt ... Der Druck, der seither auf die Mütter ausgeübt wird, ist ein Tatbestand, der oft schwerer wiegt als die "Entscheidung" zur Abtreibung selbst." So faßt eine Broschüre der "Aktion Leben" die Erfahrung des Vereins bei der Beratung zusammen.
Und welche Schlüsse zieht unsere Gesellschaft aus all diesen Erfahrungen? Gar keine. Abtreibung wird noch immer als wohlerworbenes Recht der Frauen-Emanzipation gehandelt und das millionenfache Töten von Kindern als unvermeidliche Nebenwirkung zur Kenntnis genommen. Rückbesinnung auf die Schutzfunktion des Strafrechts für das wehrlose Opfer steht einfach gegen den Zeitgeist und ist tabu.
Oder vielleicht doch nicht? Im Juni fällte nämlich der Oberste Gerichtshof der USA ein bemerkenswertes Urteil, das leider - wie zu erwarten war - in der europäischen Medienberichterstattung zu kurz gekommen ist. Erstmals kommt es in einem westlichen Industrieland zu einer Einschränkung bisheriger, extrem abtreibungsfreundlicher gesetzlicher Regelungen. Das könnte ein Signal dafür sein, daß in dieser Frage doch nicht das letzte Wort gesprochen ist. In den USA haben sich viele Menschen in dieser Frage engagiert. Sie haben einen ersten Erfolg erreicht.
Christof Gaspari
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Amerika, das Land der unbegrenzten Möglichkeiten - das galt bisher leider auch bezüglich der Abtreibungsgesetzgebung: laut Urteil des Obersten Gerichtshofs vom Jänner 1973 wurde jeder Frau ein "Recht auf Abtreibung" zugesprochen. Für das erste Drittel der Schwangerschaft wurden keinerlei und für die beiden folgenden Drittel kaum nennenswerte Einschränkungen erlassen. Somit wurde es möglich, ohne Angabe von Gründen bis zur Lebensfähigkeit des Kindes außerhalb des Mutterleibes (also bis etwa zur 24. Woche), unter gewissen Umständen sogar bis zur Geburt abzutreiben. In den folgenden Jahren wurden in den USA jährlich 1,5 Millionen Abtreibungen registriert. Die einzelnen Bundesstaaten hatten - auch bei entsprechender Mehrheit im Lokalparlament - keine Möglichkeit, gesetzliche Einschränkungen durchzusetzen.
Der Bundesstaat Missouri war der erste, der sich mit dieser Lage nicht abzufinden bereit war. Die dortige Bewegung für das Leben ("pro life") hatte - nach einer Idee von Samuel Lee (siehe Seite 14) - eine Gesetzesinitiative zur Einschränkung von Abtreibungen gestartet. Durch eine Vielzahl von Aktionen und Gesprächen gelang es auch wirklich, die Abgeordneten des Landesparlaments davon zu überzeugen, daß man die momentane Situation einfach nicht mehr dulden könne. So wurden 1987 auf der Ebene des Bundesstaates verschiedene Einschränkungen erlassen: keine öffentlichen Gelder mehr zur Durchführung von Abtreibungen und Herabsetzung der Zulässigkeit von Abtreibungen auf die zwanzigste Woche.
Dies stand deutlich im Widerspruch zum geltenden "Abtreibungsrecht" und zog daher eine Verfassungsklage nach sich. Gerade darauf hatte man es aber abgesehen: Denn nun war das Oberste Gericht aufgerufen, zu prüfen, ob das Missouri-Gesetz der Verfassung entspricht - und damit zugleich die eigene grundsätzliche Entscheidung noch einmal zu überdenken.
Das Urteil des Obersten Gerichts wurde im ganzen Land mit Spannung erwartet - noch dazu, da erst vor einiger Zeit zwei neue Richter dorthin berufen worden waren und noch nie über die Frage der Abtreibung abgestimmt hatten; bei den nur neun Sitzen dieses Gremiums konnte das leicht eine Umkehrung der Mehrheitsverhältnisse bedeuten.
Im Mai dieses Jahres wurde der Fall verhandelt und Anfang Juli schließlich der Beschluß verkündet: das Oberste Gericht der USA erklärte das Missouri-Gesetz für verfassungskonform und räumte auch den anderen Bundesstaaten das Recht ein, gesetzliche Beschränkungen zur ausufernden Abtreibungspraxis zu erlassen.
Die Bedeutung dieser Entscheidung - und das wissen nicht nur die Gegner, sondern auch die Befürworter der Abtreibung - reicht jedoch viel weiter:
- Dies geht zunächst aus der Formulierung hervor, mit der die Höchstrichter ihr Urteil begründen: während in der ursprünglichen Entscheidung von 1973 die Abtreibung bis zur Lebensfähigkeit des Kindes als moralisch vertretbar deklariert wurde, wird diese Grenzziehung nunmehr in Frage gestellt; diese Entscheidung eröffnet damit grundsätzlich die Möglichkeit einer völligen Zurücknahrne des Abtreibungsrechts.
- Zudem fordert das Urteil des Höchstgerichts auch die anderen Bundesstaaten ganz deutlich dazu auf, ähnliche Gesetze zur Eindämmung der schlimmsten Mißstände einzuführen. Fünf Staaten haben ganz spontan zugesagt, ähnliche Bestimmungen wie Missouri zu erlassen.
- Und schließlich hat das Oberste Gericht für seine Herbstsitzung drei weitere Fälle zur Abtreibungsfrage auf seine Tagesordnung gesetzt: In zwei Fällen geht es darum, ob Teenager für eine Abtreibung die Einwilligung ihrer Eltern brauchen, im dritten soll der niedrige medizinische Standard vieler privater Abtreibungskliniken erörtert werden.
Die Situation ist damit zwar noch immer schlimm genug - noch schlimmer als in Österreich beispielsweise -, aber in Amerika zeichnet sich nunmehr eine Trendwende ab. Man darf also äußerst gespannt sein, wie die nächsten Entscheidungen ausfallen werden. Die Lebensbewegung ist jedenfalls nach ihrem ersten großen Erfolg zuversichtlich, daß nun endlich der Zeitpunkt gekommen ist, das ungeheure Unrecht der Abtreibung einzusehen und entsprechende weitere Schritte zu setzen.
Richard und Ingeborg Sickinger