VISION 20005/1989
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Es geht um Menschen, nicht um Statistik

Artikel drucken (Christof Gaspari)

Überbevölkerung - ein Wort, das bei vielen Panik erzeugt. Es muß etwas geschehen, rasch! "Nach den Worten des Moraltheologen stellt der Mensch weltweit eine ständig wachsende Belastung für die Ökologie dar", zitiert Kathpress (vom 20.10.1989) Prof. Hans Rotter. Daher gebe es eine Verpflichtung zur Beschränkung der Fortpflanzung, und man müsse die Ansicht "korrigieren, daß ehelicher Verkehr eigentlich nur dort gerechtfertigt ist, wo man neues Leben zeugen oder wo man zumindest für die Entstehung neuen Lebens bereit ist."
Ähnliches wird in Diskussionen oft als Argument verwendet.
Setzen wir uns damit auseinander: Überbevölkerung ist ein relativer Begriff. Er bedeutet: zu viele Menschen im Vergleich zur notwendigen Lebensbasis. Zu wenig Raum wäre eine
erste Sorge. Das ist derzeit nicht das Problem.

Zu wenig Nahrung: Fraglos leiden heute Millionen an Hunger. Schuld daran ist vor allem die Verteilung der vorhandenen Güter: Die Industrieländer wissen nicht, wohin mit ihren Nahrungsmittelüberschüssen (vernichten sie auch), die Länder der Dritten Welt werden als schlechtbezahlte Rohstofflieferanten für die reichen Länder mißbraucht, erzeugen Lebensmittel für den Export (Bananen, Erdnüsse, Kaffee, Soja, Holzplantagen), während die eigene Bevölkerung hungert. Dazu kommt das enorme Gefälle zwischen arm und reich in der Dritten Welt (siehe S. 8). Wer sich wegen des Hungers in der Welt sorgt, muß zunächst für eine Änderung der Wirtschaftsordnung auf die Barrikaden steigen.
Zerstörte Umwelt: Es stimmt, wo mehr Menschen leben, entsteht Umweltbelastung. Nur: Die wirklich lebensbedrohende Belastung kommt heute von jener Technik, die Mensch und Natur zu wenig berücksichtigt, nicht von der Überzahl der Menschen. Ohne näher darauf eingehen zu können, sei nur darauf verwiesen, daß bisher 3 Millionen chemische Stoffe synthetisiert worden sind. Das und ähnliches ist wirklich lebensbedrohend! Wer sagt, der Mensch sei eine Belastung für die Ökologie (hoffentlich ist Hans Rotter falsch zitiert worden), stellt wirklich alles auf den Kopf. Der Lebensraum ist für den Menschen da. Der Mensch hat Vorrang - hat aber auch Verantwortung für die Schöpfung. Der verantwortungslose Umgang mit dieser erzeugt die heutige Katastrophenstimmung. Hier ist zuallererst Umkehr zu predigen.

Nun zu den üblichen Schlußfolgerungen: Rasche und konsequente Geburtenbeschränkung. Fragt man, wie das vor sich gehen soll, so heißt es: Da helfen nur wirksame, also künstliche Methoden (sprich Pille, Spirale, Sterilisation). Die Völker der Dritten Welt wollen diesen "Segen" aber gar nicht. Wir verordnen Kinderbeschränkung - mit welchem Recht übrigens? Lassen wir uns etwa vorschreiben, unseren überzüchteten Wohlstand zu beschränken, um unsere Umwelt (die auch ihre ist) zu schonen?

Zurück zu den Methoden: Sie stellen schwere Eingriffe in den Körper (meist der Frau) dar und haben oft lebensbedrohende Folgen (aus diesem Grund wurde die Spirale jüngst aus dem US-Markt genommen). Familien in der Dritten Welt nehmen diese Methoden nur nach langer Indoktrination an. "Erziehung" ist also notwendig. Warum dann nicht gleich die ebenso "wirksamen" natürlichen Methoden propagieren? Diese haben den Vorteil, die Verantwortung der Ehepartner füreinander - und in der Folge für ihr Kinder, ihre Umgebung - zu schulen. Daher spricht die Kirche auch von der verantworteten Elternschaft (s. Seite 8), die eine umfassende Berücksichtigung aller Beziehungen (auch zur Gesellschaft, vor allem aber auch zu Gott) ist. Wer der Kirche vorwirft, sie rechtfertige ehelichen Verkehr nur, wenn er auf Zeugung abzielt, hat sich zu wenig informiert oder will irreführen.

Und damit sind wir bei einem weiteren Mißverständnis: Indem wir gebannt auf die Geburtenraten in der Dritten Welt blicken, übersehen wir, daß die Industrieländer längst eine Phase sich abzeichnenden Bevölkerungsrückgangs erreicht haben. Es ist absurd, daß junge Leute hierzulande mit Blick auf die "Bevölkerungsexplosion" Bedenken haben, Kinder zu bekommen. Ihnen muß man sagen: Sagt ja zum Kind - gerade heute!

Immerhin ist zu bedenken: Wer garantiert uns, daß nicht in einigen Jahren aus bevölkerungspolitischen Gründen eine Politik des "Gebärzwangs" ausgerufen wird? Man schaue nur nach Rumänien. Dort wird das heute exerziert. Die von der Kirche verkündete Lehre von der verantworteten Elternschaft ist die einzige angemessene Antwort auf die Frage nach der Zahl der Nachkommen. Sie stellt den einzelnen ins Zentrum und verhindert damit eine Instrumentalisierung der Zeugungsfunktion des Menschen für ideologische und politische Zwecke.

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