Gibt es Wiederholungen in der Weltgeschichte?
Je genauer ich unsere Zeit mit der Zeit der Heiligen Teresa von Avila vergleiche, desto deutlicher entdecke ich Parallelen: eine dunkle Zeit, Zeit der Verwirrung, sagen die einen, eine
Zeit des Aufbruchs, der Hoffnung, sagen die anderen.
Die Neigung zu jammern gehört schon fast wesentlich zu unseren Charakterzügen. Wir stellen zu geme fest, daß alles in der Welt so schlimm ist. Wir schütteln den
Kopf und bedauern ... Was bedauem wir eigentlich? Ob diese dunkle und vielfach negative Situation, von der wir sprechen, unsere Passivität entschuldigen kann? Ob die Dunkelheit um uns herum unsere Unfähigkeit zu leuchten rechtfertigen kann?
"Wir brauchen die Nächte, um die Sterne zu entdecken." Ich habe den Eindruck, daß die Zeit, in der wir leben, uns große Chancen bietet. Wer vom Geist Gottes ergriffen ist, wird ausstrahlen, wer von der Liebe Gottes durchdrungen ist, wird leuchten.
Man nennt sie ganz einfach: die große Hl. Teresa. Sie war eine große Leuchte in der Nacht für die Kirche und die Gesellschaft. Wenn ich an Teresa von Avila, an ihren Glanz und ihre Ausstrahlungskraft denke, kann ich die Schwierigkeiten der damaligen Zeit, die wachsende Verfinsterung am Himmel nicht übersehen:
Konzil von Trient, Umbruchszeit; Spaltung in der Kirche, Unsicherheit, Inquisition.
Es war keine leicht Zeit für Spanien, für Europa, für die Kirche.
In Spanien prägte die Angst vor der Inquisition die Religiosität, in Europa war die Glaubensspaltung im Gange - Protestanten, Hugenotten, und in Südamerika war die Zeit der Eroberung, wobei der Glaube öfters mit dem Schwert in der Hand “angeboten” wurde.
Dort, wo die Zeit dunkel ist, dort, wo die Nächte ganz dunkel sind, dort entdecken wir die Sterne: So ragt Teresa in jener dunklen Zeit hervor.
Es begann in Avila
Es sagt uns nicht viel, zu wissen, wann ein Mensch gelebt hat. Teresa wird im Jahre 1515 in Avila geboren, und sie stirbt im Jahr 1582 in Alba de Tormes. 67 Jahre voll von Erlebnissen: mystsisch begnadet, reformiert sie den Karmeliterorden, schreibt Bücher, korrespondiert mit Bischöfen und Professoren, mit dem König Philip I und dem Papst.
Lebt sie als Frau in einer günstigen Zeit? Wiederholt läßt Teresa in ihren Schriften erkennen, daß sie viel leiden muß in einer Gesellschaft, die in der festen Meinung lebt, die Frau sei weniger wert als der Mann.
Auch in der Kirche gibt es große Schwierigkeiten. So wächst sie in einer Kirche des Mißtrauens auf: Mißtrauen gegenüber den Frauen, die beten, und gegenüber
allen, die mystisch begnadet sind. Teresa ist sich dessen bewußt, daß die Zeiten “hart und gefährlich” sind. Doch wer kann ihre Sehnsucht nach Gott bremsen? Wer kann ihr verbieten, die Nähe des Hern zu suchen?
Es wird ein Weg der Freundschaft und des vertraulichen Umgangs mit Gott werden, denn für Teresa ist inneres Gebet nichts anderes als ein freundschaftliches Gespräch, “in dem
wir oft und allein mit dem zusammenkommen, von dem wir wissen, daß er uns liebt."
Der Weg mit dem Herrn
Ihre autobiographischen Schriften sind ein Zeugnis für die Fülle der Erfahrungen, die sie mit Gott machte. Gott kommt ihr entgegen, wenn sie Umwege geht, um Gottes-Forderungen auszuweichen ... Gott reicht ihr die Hand, wenn sie schwach wird und versagt. Gott macht ihr Mut, Klöster zu gründen. Gott fordert von ihr totale Verfügbarkeit. Gott
schenkt ihr große Gnaden, weil es für Ihn ein Bedürfnis ist, sich zu verschenken. Gott tröstet sie, wenn sie unter Maßnahmen der Inquisition leidet. Gott ermutigt sie, für die Kirche und ihre Nöte zu beten. Gott überrascht Teresa auch mit außergewöhnlichen mystischen Phänomenen. Eines Tages fühlt sie sich von Gott überwältigt und ruft: “Du hast mein Herz weit gemacht.” Diese Erfahrung erfreut Teresa und zeigt ihr, daß dort, wo Gott am Werk ist, Weite ist. Wo ein Mensch sich für Gottes Gnade öffnet, dort wird eines Tages sein Herz weit.
Der vertrauensvolle Umgang mit Gott wirkt sich im Leben Teresas sehr stark aus:
- Je näher sie Gott ist, desto näher ist sie den Menschen mit ihren Nöten und Sorgen. Je bereiter sie ist, für Gott Wege zu machen, desto bereiter ist sie, sich für die Mitmenschen einzusetzen.
- Ihre Mystik und ihr Gebet, ihre Liebe zu Gott führen sie zu einer leidenschaftlichen Liebe zur Kirche. Ein Mensch, der liebt, erlebt alles intensiver, die Freude und den Schmerz. So ist die Erfahrung Teresas: Sie liebt die Kirche, sie freut sich mit ihr, sie leidet mit ihr und an ihr ... und sie überlegt, wie sie der Kirche helfen kann.
Liebe bleibt nicht inaktiv, Teresa wartet nicht auf die Änderung der Kirche durch die anderen. Sie beginnt mit der Erneuerung bei sich selbst: auf meinem Platz, dort wo ich bin; das tun, was mir möglich ist.
Teresas Botschaft
Die Aktualität der Heiligen Teresa von Avila ist außer Zweifel: Ihre Lehre über das Gebet, die Merkmale ihrer mystischen Erfahrungen, ihr Leben für die Kirche, ihr Zeugnis für das Wirken Gottes ...
Wir können heute die Schriften Teresas lesen; dabei werden wir mit Freude feststellen: Ihre Worte sind Aufruf, an die Macht Gottes zu glauben. Gott kann uns verwandeln. Er sucht Menschen, die sich für Ihn öffnen. Ihre Worte sind eine Herausforderung, den Weg des Gebetes zu gehen und ihn nicht aufzugeben, auch wenn wir versagen.
Ihre Worte sind eine Einladung, die Kirche zu lieben, die Kirche glaubwürdig zu machen und für sie zu beten.
Ihre Worte sind ein Bekenntnis zur Wahrheit, zur progressiven Entdecktung der Wahrheit; denn nur diese kann uns frei machen. Gott ist ja die Wahrheit.
Ihre Worte sind aber auch eine Ermutigung für uns: “Wer soll kein Vertrauen haben zu jenem Gott, der mich so lange Zeit ertragen hat?” Die Worte Teresas sind die Worte eines Menschen, der von Gott ergriffen ist. Ihre Worte sind weder theoretische Überlegungen noch religiöse Parolen, sondern das Zeugnis eines Menschen, der Gott ganz nah, am
eigenen Leib, erfahren hat.