Ich kenne eine Untersuchung aus Deutschland, die mich sehr erschreckt hat: Zwei Drittel aller Eltern unter 40 Jahren halten es für eine Tugend, sich im weltanschaulichen Bereich total zurückzuhalten. Sie geben an, daß sie ihr Kind bewußt in fünf großen Themenbereichen nicht beeinflussen wollen: Bei der Wahl der Lektüre, der Fernsehsendungen, der Idole, der politischen Überzeugungen und bei der Ausprägung einer religiösen Überzeugung.
Die Eltern begründen ihre Zurückhaltung damit, daß sie ihren Kindern echte Wahlfreiheit ermöglichen wollen. Renate Köcher vom Allensbach-Institut, die diese Untersuchung durchgeführt hat, stellt dazu fest, daß diese Art der weltanschaulichen Neutralität nicht Wahlfreiheit eröffnet, sondern im Gegenteil Wahlfreiheit unmöglich macht.
Kinder, denen die Welt der Werte verborgen bleibt, Kinder, die zu Hause die Fragen nach dem Sinn des Lebens gar nicht als relevante Fragen kennenlernen, diesen Kindern wird im Normalfall auch die Welt der Werte verschlossen bleiben, wenn sie einmal erwachsen geworden sind.
Das müßte uns Eltern doch einleuchten. Wir kommen ja bei keiner anderen Kunst auf die Idee, das Lernen der Kinder auf den Zeitpunkt ihrer Mündigkeit zu verschieben.
Wer von uns würde den Kindern das Erlernen von Lesen, Schreiben und Rechnen ersparen bis sie 18 sind? Oder wer würde einem Kind, von dem er spürt, daß es musikalisch ist, erst wenn es 18 ist, sagen: "Hier hast du eine Geige, jetzt probier einmal!"
Langzeituntersuchungen belegen deutlich, daß das bei der Wertevermittlung auch nicht funktioniert, wenn Eltern ihre Kinder bei Fragen wie: Warum bin ich auf der Welt? Woher bin ich gekommen? Wie soll ich leben? Wohin gehe ich, wenn ich einmal sterben muß?, alleine lassen. Die Antworten werden ihnen als Erwachsene kaum mehr zugänglich werden, weil sie nämlich untergründig das Gefühl haben: Diese Fragen sind für mich nicht wichtig.
Dann werden sie Menschen, für die die materiellen und körperlichen Bedürfnisse als einzige spürbare in ihrem Leben wichtig sind. Das sind dann leider die Jugendlichen, die aufgrund der Tatsache, daß sie nicht wissen, wer sie sind, versuchen, sich durch Betäubung von der Sinnlosigkeit des Lebens abzulenken.