Vor einigen Monaten war ich auf dem Weg ins Büro, als mich ein junger Bursch, Jose, angebettelt hat. Er hat mich gefragt, ob ich ihm etwas Geld geben könne. Darauf ich: "Geld gebe ich dir keines, aber Arbeit."
Und zu meiner Überraschung sagte er: "Okay". Gewöhnlich drehen sie sich um und gehen weg.
So aber gab ich ihm den ersten Auftrag, ein Paket in ein anderes Büro zu tragen. Zwei Stunden waren vergangen und er war immer noch nicht zurück. Da nahm ich natürlich an, daß er das Packerl gestohlen hatte und abgehaut war. Aber nach einer weiteren halben Stunde kam er wieder und erzählte mir, daß die Busse überfüllt gewesen waren und er daher die ganze Strecke hin und zurück hatte laufen müssen.
Ich war wirklich so erleichtert, daß ich ihn ins Geschäft mitnahm und ihm Süßigkeiten oder sonst etwas zu essen anbot. Aber er sagte, er wolle ein Notizbuch. Überrascht wiederholte ich die Frage. Er aber: "Ja wirklich, ich will ein Notizbuch." Mir war das recht, und ich kaufte ihm eines.
Ganz glücklich darüber verließ er mich, um am nächsten Tag (und seither regelmäßig) aufzukreuzen und Wege zu erledigen. Jetzt zahle ich ihm monatlich ein Gehalt dafür.
Eine Woche nach unserer ersten Begegnung teilte er mir mit, daß er in die Schule gehen wollte. Aber drei Monate später fand ich heraus, daß er schon am ersten Tag mit dem von mir gekauften Notizbuch mit der Schule begonnen hatte.
Dominique Wilson
Mitarbeiterin an einem sozialen Hilfsprojekt in Guatemala