VISION 20001/1994
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Der Geist bewegt die Materie

Artikel drucken Das Leben ist wie eine Symphonie, vom Meister erdacht (Jerome Lejeune)

Wie groß und staunenswert das Geheimnis des Lebendigen ist, zeigen eindrucksvoll die Ausführungen des weltbekannten französischen Genetikers, der den Gegenstand seiner Forschung nicht nur aus der Warte von Physik und Chemie, sondern auch aus dem Glauben betrachtet:

Die Evidenz ist klar und einfach: Der Geist bewegt die Materie. Lebende Materie existiert nicht einfach von sich aus, sondern weil Information sie „animiert“. Das bezeichnen wir als Genetik.
Am eindrucksvollsten ist der Mechanismus, der im Gehirn selbst funktioniert. Submikroskopische Partikeln, lonen und manchmal Elektronen, „laufen" einzeln durch dieses feine Netzwerk. Die Gehirnfunktion besteht nun darin, Ordnung in das Chaos dadurch zu bringen, daß die Partikeln einzeln gesteuert werden...

Person von Anfang an

Das Wunderbarste daran ist: Jedesmal, wenn wir denken oder uns etwas in Erinnerung rufen, jedesmal, wenn wir eine Bewegung
durchführen oder eine Absicht verfolgen, dann ordnen wir den Strom von Milliarden und aber Milliarden von Partikeln. Daraus wird ersichtlich, daß unser Geist die Materie in unserem Inneren bewegt.
Dasselbe erkennen wir am Beginn des Lebens. Wir wissen, daß im selben Moment, in dem das Spermium die Eihülle durchdringt,
die gesamte Information - die ausreichende und die notwendige - für die Entstehung eines neuen Menschen, nicht einer abstrakten, sondern einer ganz bestimmten Person, die wir später Peter oder Madeleine nennen werden, vorhanden ist. Alle zur Animierung dieser Materie notwendige Information ist von diesem Moment an vorAm Anfang die Boshanden ...
Das Wissen, daß der Geist die Materie belebt, ist nicht neu. Seit jeher drückt sich das auch in unserer Sprache aus. Das Lateinische
verwendet denselben Wortstamm für den Vorgang der Entstehung eines neuen Menschenlebens und für die Ideenschöpfung in unserem Geist. Das ist nicht Ausdruck der Armut einer Sprache, sondern Zeugnis für die phänomenale Intuition der Menschen, die Schöpfer dieser Sprache waren:
Ganz am Beginn des Lebens sind Seele und Leib, Geist und Materie so sehr ineinander verwoben, daß wir nur ein Wort verwenden,
um diese zwei Phänomene zu beschreiben: eine Idee, die einem einfällt, ein „Konzept“, und ein Kind, das zu leben beginnt aufgrund seiner „Konzeption“. Die Erbinformation ist auf einem spiralenförmigen Gebilde in den Samen- und Eizellen gespeichert.
Man kann das System mit dem Magnetband der Minicassette vergleichen, die wir in einen Kassettenrecorder einlegen.
In den Genen ist enorm viel Information gespeichert: Würden wir sämtliche „Buchstaben“ aneinanderreihen (sie sind in der chemischen Form von Basen gespeichert), so würde das ein Sammelwerk füllen, das fünfmal so umfangreich wäre, wie die "Encyclopedia britannica" ...

Am Anfang die Botschaft

Trotz all der unfaßbaren Menge an Information, die da im Spiel ist, würde ich dennoch die Basis der modernen Genetik sehr einfach definieren, als Paraphrase einer sehr alten Schrift: „Am Anfang gibt es eine Botschaft. Diese Botschaft ist im Leben, und diese Botschaft
ist das Leben.“ Und wenn diese Botschaft eine menschliche ist, dann ist dieses Leben ein menschliches Leben.
Es wäre äußerst unzureichend, nur dem Rechnung zu tragen, was in der DNS (der Erbinformation) eingeschrieben ist. Denn trotz ihres
enormen Umfangs reicht diese Botschaft nicht, um den neuen Menschen zu definieren. Innerhalb der Zelle ist nämlich nicht nur die
in der DNS enthaltene Information gespeichert, sondern die Zelle verfügt auch über einen eigenen Apparat, diese Information zu lesen, zu übersetzen und in „Handlungen“ umzusetzen.
Um die oben erwähnte Analogie zu verwenden: Wenn man eine Minicassete hernimmt, auf der eine Symphonie gespeichert ist, und sie in einen Recorder steckt, so gibt dieser die Symphonie wieder, obwohl keine Musiker unmittelbar am Werk sind. Es wurde eben das ursprüngliche Klangwerk aufgenommen, zunächst verschlüsselt und dann im Recorder wieder decodiert.
Dasselbe gilt für das Leben. Es ist wie eine Symphonie, vom Meister erdacht und ausgeführt.
Das Außergewöhnliche ist nur, daß sowohl die Symphonie als auch der Recorder in der Zelle vorhanden sind. Die enorme Informationsmenge ergibt sich also nicht nur aus dem, was am Band „geschrieben steht“, sondern auch aus der im „Recorder“ enthaltenen Information. Ich kann diese Informationsmenge überhaupt nicht schätzen. Es gibt rund 100.000.000.000 Basen in der DNS. Aber wieviel Information im „Lesegerät" steckt, das hat noch niemand bisher erfaßt. Es muß aber milliardenmal mehr sein ...

Der Mensch ist besonders

Man muß nicht Genetiker sein, um zu erkennen, daß die menschliche Natur sich sehr deutlich von der übrigen Schöpfung unterscheidet. Der Mensch ist das einzige Wesen, das wir auf diesem Planeten kennen, das sich selbst fragt, woher es gekommen ist und wohin es geht. Auch hat nur der Mensch die Beziehung erkannt, die zwischen der Kopulation und dem späteren zur Welt Kommen eines Kindes
besteht. Keinem noch so gut dressierten Schimpansen wird dieser Zusammenhang jemals klarzumachen sein. Allein der Mensch weiß um diese Beziehung. Der beste Beweis dafür ist, daß sogar die Heiden den Liebesgott als Kind dargestellt haben.
Das zeigt uns, daß man an der Achtung der Liebe und an der Weitergabe des Lebens die Würde des Menschen erkennt.

Auszug aus seinem Vortrag am 15. Internationalen Familienkongreß in Zagreb (12. bis 15.10.1989)

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