Jede wahre Liebe währt nur in ihrer und durch ihre Entfaltung, durch ihr eigenes Wachsen. Daher auch die notwendige Entdeckung dessen,
was unseren Erwartungen vom anderen nicht entspricht und was wir in einer ersten Phase unseres Ehelebens verbergen konnten.
Es handelt sich um das, was große spirltuelle Autoren in anderem Zusammenhang die notwendige Prüfung durch Enttäuschung genannt haben dürften.
Prüfung - weil wir erprobt werden, das heißt getestet und „gemessen“ (in unseren eigenen Augen), was den Wert unserer Liebe für den Partner betrifft.
Nowendig, weil ohne sie, auf geheimnisvolle Weise, unsere Liebe in ihren eigenen Grenzen verbliebe, ihrem Wachstum aus dem Weg ginge und unweigerlich dem Verfall preisgegeben wäre.
Enttäuschung, weil in der Ehe, wie in jeder Situation, in der wir lieben, der andere - und das ist mehr als normal - niemals auf der Höhe unserer Liebeserwartung ist, obwohl man versucht ist, dies im ersten Anlauf zu glauben.
Wenn diese Prüfung der Enttäuschung auch notwendig ist, so hat sie andererseits nie einen schicksalsgegebenen Verlauf.
Sie ist sogar mögliche Quelle der Heilung, der Festigung, des Aufblühens des Partners oder des Paares. Voraussetzung dafür:
Daß man sich daran erinnert, daß die Ehe ein Sakrament ist, das heißt ein Ort, zu dem Gott kommt, an dem Er wirkt, um ein Wachsen in der Liebe zu ermöglichen.
Auf diese Weise sind so manche Eheprobleme, die als irreparabler Bruch erscheinen, eine Gelegenheit für die göttliche Liebe, die Partnerbeziehung zu festigen. Trennungen sind meist das Ergebnis einer schicksalsergebenen Entmutigung, was die gemeinsame Zukunft anbelangt.
Was aber, wenn das, was da als Fehlschlag erscheint, als Sprungbrett angesehen wird für eine Erneuerung der Ehe - eine weniger unrealistische als zu Beginn und wunderbar neubelebte?
Auszug aus "Vivre et faire vivre” 12