In der internen Abteilung eines Hamburger Krankenhauses waren zwei Schwestern ausgefallen. Der Autor, selbst Krankenpfleger, war bereit einzuspringen ...
So bat mich die diese Schicht leitende Schwester, zunächst nach Frau B. zu schauen. Diese sei vor vier Tagen wegen unklarer Unterbauchschmerzen eingeliefert worden und sei zum Zeitpunkt der Aufnahme trotz ihres hohen Alters von fast 80 Jahren geistig
rege und auch sonst sehr mobil gewesen. Seit fast zwei Tagen habe sie nun kaum noch etwas zu sich genommen und mtl niemandem
mehr geredet ...
Ich hatte im Lauf meiner Berufstätigkeit schon sehr häufig ähnliche Übergabeberichte gehört. Doch beim Hören dieser Übergabe war etwas Wesentliches anders gewesen: Nicht nur mein Ohr wurde erreicht, auch mein Herz war getroffen!
An diesem Morgen hatte ich Gott vor Dienstbeginn gebeten, mir zu zeigen, welchen Patienten er begegnen will und ob und was ich dazu tun kann. In diesem Augenblick wurde ich gewiß, daß Gott Frau B. Seine Liebe zeigen würde, ohne zu wissen, wie dies konkret geschehen sollte.
Ich betrat das Zimmer, in dem Frau B. lag und begrüßte auch die anderen beiden Patientinnen. Nachdem ich mich Frau B. etwas
genauer vorgestellt hatte, setzte ich mich auf einen Stuhl an ihr Bett. Den Oberkörper leicht erhöht lag sie mit weit geöffnetem Mund völlig regungslos da. Auch auf meine Begrüßung hin hatte ich keine Reaktion wahrnehmen können. So nahm ich einfach ihre Hand, blickte in ihr Gesicht und begann im Stillen für sie zu beten.
Viele Augenblicke lang passierte gar nichts. Ich betete weiter.
Plötzlich hel mir auf, daß Frau B. keine Zahnprothese im Mund hatte. Ich fragte mich, ob sie überhaupt eine besäße. Ein Blick auf den Nachtschrank verriet mir, daß dies sehr wohl der Fall war. Sie stand jedoch außerhalb ihrer Reichweite aul dem Nachtschrank
hinter einer Blumenvase.
Ich fragte Frau B., ob sie ihre Zahnprothese einsetzen wolle. Sie nickte. Ich war überrrascht über ihre Reaktion, hatte sie doch die vergangenen zwei Tage mit niemandem gesprochen. Ich reinigte also ihre Zahnprothese am Waschbecken und bot dann Frau B. noch einen Becher mit Wasser zum Spülen ihres Mundes an.
Endlich kann ich reden
Zu meiner stetig wachsenden Verwunderung lächelte Frau B. auf dieses Angebot hin und setzte sich selbständig im Bett auf. Nachdem sie ihren Mund zu Ende gespült hatte, setzte sie ihre Zahnprothese ein und ergriff meine Hand. „Junger Mann“, sagte sie und schaute mich dabei an, „endlich kann ich wieder reden. Ich schäme mich doch immer so, wenn ich meine Zähne nicht im Mund habe."
Wortlos freuten wir uns gemeinsam einen Augenblick lang. In diesem Augenblick wurde mir klar, daß das Erkennen des Fehlens der Zahnprothese ein Hinweis Gottes gewesen war, die Antwort auf meine Bitte, einer der Patientinnen Seine Liebe weitergeben zu dürfen.
Ich war begeistert und beschämt zugleich. Wieviel mehr hatte ich doch auf eine Gelegenheit gewartet, jemandem von Jesus (und damit auch von dem, was ich mit Jesus erlebt hatte) zu erzählen und nicht darauf, einer alten Frau die Zahnprothese zu reinigen!
In meiner Freude erzählte ich Frau B., wer mich auf diese Idee gebracht hatte. „Dann hat Er mich wohl doch noch lieb, der da
oben!", antwortete sie und nahm das Angebot, für sie zu beten, dankbar an. Gottes Liebe hatte sie getroffen.
Frau B, erholte sich in den kommenden Tagen sehr schnell und konnte nach abgeschlossener Diagnostik, die keinen krankhaften Befund ergeben hatte, wieder nach Hause entlassen werden ...
Auszug aus „Christen im Gesundheitswesen”, Rundbrief 15