VISION 20002/2008
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Welche Würde hat Gott uns doch gegeben!

Artikel drucken Der Mensch ist weit mehr als eine biologische Maschine (Von Weihbischof Andreas Laun)

Viele Menschen können sich einfach selbst nicht annehmen, leiden an mangelndem Selbstwertgefühl. Ihnen versichert der Salzburger Weihbischof im folgenden Artikel, daß sie allen Grund haben, sich über ihre Existenz zu freuen - einfach weil jeder Mensch - ja wirklich jeder - liebenswert ist...

Über den Wert des Lebens ist in den letzten Jahren viel geschrieben worden, vor allem um die Ungeborenen zu verteidigen. Wenig, scheint mir, ist gesagt worden über den “Wert deines Lebens", also darüber, was jemand empfinden sollte, wenn er an sich selbst denkt. Sozusagen: “Was denken Sie vor dem Spiegel, also über sich selbst?"

Ich richte diese Frage nicht nur an Frauen, die ihr Gesicht unter dem Aspekt der Schönheit begutachten, sondern an jeden Menschen, unabhängig von Geschlecht und Aussehen. Ich frage auch mich selbst: Was denke ich über mich?

Vielleicht ruft mir ein Frommer zu: “Denk über dich nach, über deine Sünden, erforsche dein Gewissen!" Kann vielleicht nicht schaden, aber die Frage bleibt: Was soll ich mir nach der Beichte denken, “ich über mich"? Soll ich an die chemische Zusammensetzung meines Körpers denken oder mir von dem wissenschaftlichen Genie Craig Venter zurufen lassen, ich sei ja doch nur eine “biologische Maschine" wie Ameise und Fledermaus auch, nur mit einem leicht anderen “genetischen Programm", das er, der Herr Venter, gerne neu schreiben würde? Ist das mein “wahres Sein"? Oder soll ich in meinem Gesicht die Ähnlichkeit zum Affen suchen, von dem ich, laut Evolutionisten, doch irgendwie abstamme?

Offen gesagt, all diese Versuchungen zur eher traurig stimmenden “Selbst-Erkenntnis" und dabei zur “Selbst-Entwertung" habe ich nicht, geschweige denn, daß ich solche Abwertungen meiner Person für wahr und besonders tugendhaft hielte!

Ich mag mich eigentlich ziemlich gern und ich denke an die Liebe, die ich zuerst von meinen Eltern empfangen habe und später noch von vielen anderen Menschen: Niemals würde ich auf die Idee kommen, mir selbst einzuräumen, alle diese Menschen “hätten sich geirrt" und jemanden, nämlich mich, geliebt, der “eigentlich keine Liebe verdient, weil nichts an ihm dran ist." Damit würde ich sie doch beleidigen, oder etwa nicht?

Jeder, der liebt, weiß: “Wer den oder die Geliebte heruntermacht und beleidigt, verletzt auch den Liebenden!" Angewandt auf Gott selbst: Gott, so sagt mein Glaube, hat mich aus Liebe geschaffen und auch aus Liebe erlöst und freut sich schon auf mich, wenn ich in den Himmel komme. Wer will angesichts dieser Liebe sagen, ich sei nicht liebenswert, sondern ein Haufen Dreck etc.?

Kurz gesagt: Wer mich beschimpft, trifft mich, aber zugleich den, der mich liebt! Das ist auch so, wenn ich mich selbst heruntermache. Darum halte ich mich an Papst Leo den Großen, der uns zuruft: “Christ erkenne deine Würde", und an den Heiligen Franz von Sales, der auch dem Sünder rät, sich selbst “liebevoll zuzureden, sich zu bessern", aber nicht, sich selbst zu beschimpfen.

Ich denke auch die hl. Theresia von Lisieux, die gesagt hat: Auch wenn ihre Sünden rot wie Scharlach wären, auch dann würde sie keine Sekunde zögern, sich in die Arme Gottes zu werfen. Tut das jemand, der sich selbst verachtet und für einen Haufen wertloser Zellen hält?

Na also, und darum denke ich: Sich als Sünder zu bekennen, ist eine gute Sache, aber sich selbst “runtermachen" und sich selbst die Würde zu nehmen, ist eine andere, nämlich eine sehr schlechte Sache, eine List des Teufels und eine Versuchung.

Versuchung in welcher Richtung? Ganz klar: Ein Geschöpf, das zur Liebe berufen ist, das schlecht von sich denkt, handelt gegen die eigene Natur, weil es sich nicht für liebenswert hält.

Dann bleibt nur noch die Verzweiflung, die laut Katarina von Siena die typische Versuchung der Sünder beim Sterben ist: Verzweiflung am eigenen Wert und an der Liebe Gottes. Übrigens hat ja auch Jesus von der Liebe “zu sich selbst" gesprochen als Maß für die Nächstenliebe. Da diese aber groß sein soll, dann doch auch die Selbstliebe? Also, was sollte der Christ “vor dem Spiegel" denken?

Etwa das: Was für eine wunderbare Schönheit und Würde hat mir Gott gegeben, als er mich schuf! Ja, aber meine Sünden? Er ist ans Kreuz gegangen dafür, sie mir abzunehmen, für so liebenswert hält er mich, also tue ich es auch: und schaue auf die große Würde, die mir Gott geschenkt hat und die ich nicht “runtermachen" lasse! Darüber soll ich mich nicht freuen? Ich denke nicht daran, mich darüber nicht zu freuen, im Gegenteil, ich freue mich sehr!

Daraus folgt: Vor dem Spiegel stehend kann ich vielleicht einen Altersfleck entdecken, Frauen mögen nach ihren ersten grauen Haaren suchen, und jeder kann und soll durchaus selbstkritisch auch an seine Sünden denken und sie sich selbst “ins Angesicht hinein vorhalten" - aber bitte nicht dabei stehenbleiben!

Mein letztes Wort zu mir selbst lautet: Wunderbar, lieber, großer Vater im Himmel, hast Du mich erschaffen, und noch wunderbarer erneuert. Ich bin so glücklich, daß Du mich erschaffen hast und mich mit de n Engeln und Heiligen voll Freude erwartest, wie sie Jesus ausdrücklich für gerettete Sünder vorausgesagt hat - ich freue mich auch schon!"

In der Sprache der heutigen Jugend: “Wie du mich gemacht hast, lieber Gott, ist voll super!"

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