VISION 20002/2012
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Auf die Liebe kommt es an

Artikel drucken Wahre Freude am Leben hat eine entscheidende Vorausetzung: (Von Christa Meves)

Wo die Freude am Leben verloren geht, verflüchtigt sich auch der sorgsame Umgang mit ihm. Die Kultur des Lebens muss an diesem Punkt ansetzen: in Erinnerung rufen, dass Leben kostbar ist, Grund zur Freude, wenn es von Liebe geprägt ist und zur Liebe drängt…

Mit dem Song, der Mensch sei „von Kopf bis Fuß auf Liebe eingestellt“, sang sich einst Marlene Dietrich durch die Welt. Demnächst könnte sie mit diesem Slogan die Bilanz eines wissenschaftlichen Kongresses über Hirnforschung bestreiten. Denn immer nachdrücklicher bestätigt sich die bisher nur als „Anekdote“ zugelassene Erfahrung, dass es beim Erziehen vor allem auf die hingebende Liebe ankommt, wenn der Mensch ein seelisch stabiler Erwachsener werden soll.
Alles deutet darauf hin, dass die Liebe als Entfaltungsstimulanz des Menschen entdeckt wird, vor allem durch die Hirnforscher. Sie kommen heute dahinter, dass die Lebensstimmung des Menschen von seinem elementaren Grundgefühl abhängt: vor allem davon, ob das Kind bereits während seiner ersten Lebenszeit mit den Menschen seiner Umgebung positive oder negative Erfahrungen mach. Diese Gefühle prägen sich in die entsprechenden Areale, die Amygdala und den Hippocampus so ein, dass sein Lebensgefühl davon tiefgreifend bestimmt wird.
Mit Recht muss sich also die Forschung der Zukunft fragen: Wie müssen die Erfahrungen des Kindes aussehen, um so ein glückliches Lebensgefühl zu erwerben?
Kinderpsychologische Erfahrung weiß das allerdings längst: Es ist dafür zu sorgen, dass sich das Neugeborene durchgehend zufrieden und angenommen, eben geliebt fühlt. Seelisch gesunde Mütter haben damit keinerlei Schwierigkeit; denn sie sind darauf programmiert, ihr Kind glücklich zu machen. Sie lieben es überschwänglich und stellen alle ihre Sinne darauf ein, zu erlauschen, was in ihren Kindern dieses Gefühl bewirkt.
Deshalb wird alles hormonell darauf vorbereitet, weiß nun auch sogar die Forschung mittlerweile. Aber Mütter brauchen das eigentlich gar nicht erst durch umständliche Recherchen zu erfahren. Sie erleben dieses Gefühl der Zuneigung zu ihrem Baby als Liebe in ihrer Brust und sie haben alle Chance, damit den allerschönsten und bedeutsamsten Erfolg zu haben; denn das Kind bringt die Freude darüber bereits wenige Wochen nach der Geburt zum Ausdruck: Es jauchzt, wenn ihm die Mutter wieder ins Blickfeld rückt und belohnt sie mit einem strahlenden Lächeln.
Es liebt beglückt zurück in dem Maß, wie es sich verstanden fühlt. Von Angesicht zu Angesicht findet so frühzeitig schon ein erster liebender Austausch mit der Person statt, die das Kind als ihm zugehörig, als wiedererkannt und lebenswichtig erlebt.
Liebe ist also der Beginn eines wichtigen Langzeitprogramms. Liebe ist das Elixier einer zunächst notwendigen Vernietung mit der pflegenden Mutter – vom Du zum Du. Bald darauf erwächst auf diesem Boden eine sich allmählich immer mehr verallgemeinernde Liebesfähigkeit, wenn dem Kind Liebe entgegengebracht wird: zuerst gegenüber dem Papa, der sich heute ja meist  auch um das Kind kümmert, dann gegenüber der Großmutter, wenn sie länger anwesend ist, und später dann auch gegenüber dem einen oder anderen älteren Geschwister, wenn es sich einfühlsam verhält. Später beantwortet das Kind auch die Zuwendung Fremder mit Gegenliebe: gegenüber der Erzieherin, dem ersten Lehrer, als Teenager dann gegenüber dem Freund, der Freundin, im Erwachsenenalter gegenüber dem Ehemann oder der Ehefrau.....
Es handelt sich um den immer gleichen Vorgang: um das Erlebnis des Geliebt-, des Angenommensein. Dies setzt das bereits im Kleinkindalter entfaltete Gefühl, zurücklieben zu wollen in Gang – jedenfalls wenn dieses Gefühl vornehmlich positiv und dadurch lustvoll war.
Liebe, nicht Dressur, ist also das erfolgreichste Erziehungsprogramm, ja Geliebtsein ist der Saft, den jeder Mensch sich sehnsüchtig wünscht. Daraus wächst jene Gefühlsfülle, die es ermöglicht, die Liebe an andere weiterzugeben. Daraus entwickelt sich die Kraft zum Liebesaustausch. Das heißt: Mit der Fülle des Sich-geliebt-Fühlens entsteht der Wunsch, ebenfalls abgeben, schenken zu können – bei großer Liebe dann auch sich selbst zu verschenken, eine totale Hingabe vollziehen zu können. Und dies keineswegs nur als Kind, sondern lebenslänglich. Diese Liebesfähigkeit kann schließlich zum wertvollsten Pfund im Gepäck der entfalteten Eigenschaften des Erwachsenen werden.
Allerdings lässt sich auf einen solchen positiven Verlauf nur hoffen, wenn sich das Lebensgefühl dadurch eher optimistisch ausgestaltet hat. Wenn stattdessen am Anfang der Mangel an Liebe in der Seele Platz ergriffen hat, herrscht oft eine fundamentale Unzufriedenheit vor – eher Misstrauen als Vertrauen in das Leben. Und das wiederum kann den positiven Umgang mit den Anderen sehr erschweren. Kontaktschwäche herrscht dann eher vor als freundschaftliche Offenheit. Gleichzeitig wird das Defizit als Mangel erspürt und führt bei vitalen Menschen meistens zu einem unruhigen Suchen, ohne dass der Heranwachsende wissen kann, wonach er sucht: nämlich geliebt zu werden und daraufhin Sinngebende beglückende Liebesfähigkeit entfalten zu können!
Der in der Familie, vor allem von der Mutter schon in der frühen Prägungsphase geliebte Mensch, hat es deshalb – angeregt durch den christlichen Glauben - im Erwachsenenalter leichter zu erspüren, dass er eine vom himmlischen Vater persönlich geliebte Person ist. Auf diesem Boden erwächst das Bedürfnis, Ihn dankbar zurückzulieben, sich einer Liebe hinzugeben, die wie bei der Mutter am Anfang aus dem Gefühl beglückender Nähe fließt. Und dieses überfließende Gefühl kann dann geradezu dazu drängen, sich an die Mitmenschen zu verschenken. Mit ihrem „Seid umschlungen, Millionen“, haben uns Schiller und Beethoven an diesem aus der Liebe fließenden Überschwang teilnehmen lassen.
Bei den Menschen der Wohlstandsjahre in Europa hat sich stattdessen aber leider zunehmend Egozentrizität breit gemacht – vor allem auch weil viele junge Mütter in die „Selbstverwirklichung“ abgedriftet sind. Das hat den seelischen Mangel und die Sehnsucht nach etwas Unbekanntem, Wichtigem vervielfacht. Heute können selbst Schulanfänger nicht mehr ruhig auf ihrem Platz sitzen. Ein Drittel der Schulkinder wird deswegen bereits durch die Droge Ritalin gedopt!
Die Erwachsenen gehen auf die Suche durch das viele Reisen. Viel oberflächliches Tun, Fernsehen, Internet-Surfen machen auch nicht zufrieden. Der Mangel wird weiterhin als Unzufriedenheit empfunden, jedoch nicht durchschaut. Dieses Umgetriebensein lässt sich bei vielen Menschen auch nicht einmal durch einen ausgefüllten Alltag um das tägliche Brot löschen. Im Gegenteil: Gerade bei Menschen, die sich eine Existenz aufgebaut haben,  steigert sich das unruhige Suchen, Tun und Treiben eher noch. Von Event zu Event versucht man ein Glück, das zufrieden stellt, zu erreichen – erfährt Lusterleben schließlich aber doch nur als zeitraubende Seifenblase.
Was treibt die Menschen um? Flucht vor sich selbst? Langeweile mit sich selbst? Wenn man sie fragt, können sie meist nur unklare Antworten geben, die aber dennoch einen Hauptnenner erkennen lassen: Der Mensch wird von einer unbestimmten, ihm unbekannten Sehnsucht auf die Suchwanderung getrieben – Sehnsucht wonach also?
 Ich glaube, dass es sich um die Sehnsucht handelt, zum Kern des inneren Lebenssinns zu finden – das heißt, lieben zu können. Das ist der Kern anhaltenden Glücks. Aber das hat die Voraussetzung in dem Erleben, von Gott geliebt, ja als Person beachtet, anerkannt, sich wert gehalten zu wissen.
Besonders der englische Philosoph Lewis hat uns mit seinem so glasklaren Verstand und seiner unbestechlichen Ehrlichkeit geschildert, worum es sich dabei letztlich handelt: Um das Anspringen der Liebe für Gott. Gar nicht einmal selten wird das in einem begnadeten Augenblick wie ein einschlagender Blitz erlebt. Das kann – bei welcher Vorgeschichte auch immer – dann eine geradezu herzsprengende Freude sein, wie ein Angezündetwerden. Es bewirkt, leuchten zu müssen; durch die Amor Dei zum brennenden Dornbusch des Liebens für andere zu werden. Ein Erfüllt-sein dieser Art drängt auf Hingabe an Menschen in der Welt. Dadurch entsteht der so lang gesuchte innere Frieden, und das liegt wohl daran, dass diese emotionale Veränderung Sinn und Ziel unseres Menschenlebens ist.
Der sich dem Menschen durch so ein überwältigendes Gefühlserlebnis offenbarende Gott bewirkt eine Wende, die der betroffene Mensch mit allen Verliebten gemeinsam hat: Von der Überfülle des empfangenen Geschenkes auszuteilen, verteilen zu müssen, und danach neu, noch tiefer lieben zu können: Mensch, Tier, Pflanze, Landschaft und das Leben.
Das bewusste Erlebnis, in der Liebe Gottes zu stehen, von der Liebe zu Ihm an die Angel genommen zu sein, löst die Verhaftung im blinden irdischen Suchen auf. Die große Liebe für Gott wird zur glühenden Dienstbereitschaft vorab für Ihn, einem Status, der die Liebe für Menschen verfestigt: zu einem wärmenden dem-Anderen-Gut-Sein, einer positiven, ehrfürchtigen Einstellung zu allem Geschöpflichen, weil ja jeder noch so kleine Teilbereich Anteil des großen, geliebten Königs darstellt. Es ist dieses Wiedergeborensein, das das Joch des Lebens, von dem Christus spricht, leicht macht, weil der Glanz des großen Gefühls Berge versetzt und unerschöpflich Kraft verleiht.


Vortragsreise

Christa Meves kommt zu einer Vortragsreise nach Österreich:
Neues Denken über Sexualität. Zehn Wegmarkierungen zum Glück
Zeit: 21. März
Ort: Carolinenhaus, Tanzsaal, Glockenspielplatz 7, Graz
Müssen wir heute wieder Noah sein? Die Arche als Schutz und Bewahrung
Zeit: 22. März
Ort: Haus der Begegnung, Kalvarienbergplatz 11, Eisenstadt
Zeit: 23. März
Ort: Kreuth 5, 4903 Manning
Wie erziehe ich meine Kinder richtig?
Zeit: 24. März
Ort: Kopfing

 

 

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