VISION 20001/2004
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Unsere Spezialität ist die Liebe

Artikel drucken Schwester Elvira Petrozzi, Gründerin der Gemeinschaft Cenacolo zur Heilung Drogensüchtiger (Von Alexa Gaspari)

Das Haus war verfallen, Türen und Fenster waren kaputt, es gab keine Betten, keine Sessel, kein Werkzeug und kein Besteck - und die Leute im Ort waren nicht glücklich über ihre Anwesenheit. Geld war natürlich auch keines da. Soweit der Beginn der “Gemeinschaft Cenacolo"(Zönakel). Heute, 20 Jahre später, gibt es weltweit 45 Häuser der Gemeinschaft. Um die 400 junge Menschen haben dort Heilung von Süchten gesucht und mehr als 80 Prozent bleiben auch nach ihrem Weggang geheilt.

Kann all das in so kurzer Zeit auf die Initiative einer einzigen Frau entstanden sein? Einer Frau, die keine Ärztin ist, kein Psychologiestudium absolviert hat und mit Psychatrie nichts am Hut hat? Ist das normal? Nun, sie selbst läßt keinen Zweifel daran, daß es nicht ihr Werk ist, sondern daß sie dem Ruf Gottes gefolgt sei, der sie befähigte, all das zu tun, was sie selbst sich nicht hätte vorstellen können: “Ich war mir sehr meiner eigenen Grenzen bewußt. Wäre es auf mich alleine angekommen, hätte ich mich sicher nicht darauf eingelassen, 24 Stunden am Tag mit Drogensüchtigen zusammenzusein. Doch der Hl. Geist hatte ein starkes Feuer in mir entfacht: Ich hatte die Drogensüchtigen, die Alkoholiker, die Ausgeschlossenen in meinem Herzen. Ihnen wollte ich die Türen öffnen. Und als gottgeweihte Frau wußte ich, daß es möglich ist, daß Gott über meine Zerbrechlichkeit und Unfähigkeit hinaus wirkt." Trotzdem: normal ist es nicht, daß sich eine Frau, selbst voller Gottvertrauen, auf so ein gefährliches Abenteuer einläßt - es sei denn sie ist Italienerin und heißt Schwester Elvira.

Endlich hatte ich ein Interview mit ihr in Kleinfrauenheid bekommen. Seit Jahren hatte ich darauf gehofft. Das Leuchten ihrer Augen, das Strahlen ihres ganzen Wesens - es scheint von ganz innen zu kommen - fasziniert wohl jeden, der sie kennenlernt. Unwillkürlich hat man den Wunsch, sie immer in Reichweite zu wissen, um immer wieder ein wenig von ihrer tiefen Freude tanken zu können. Was für ein Glaube! Welche Gnade spiegelt sich in ihrem Leben wider! Hat sie etwa aus einer sorglosen Kindheit ihre Kraft und Ausdauer geschöpft?

Rita (die Perle) Agnes (wie Mutter Teresa) Petrozzi - so heißt Sr. Elvira mit ihrem bürgerlichen Namen -, hatte jedenfalls keine leichte Kindheit. 7 Kinder hatten ihre Eltern bekommen. Der Vater war einfacher Landarbeiter. Als Rita drei ist, wird der Vater zu Beginn der vierziger Jahre in den Krieg eingezogen. Die Familie zieht von Sora, südöstlich von Rom, mit in den Piemont, wo der Vater stationiert ist.

Die Eltern sind gläubig, bemüht in allem, in guten und schlechten Zeiten, den Willen Gottes zu leben. Doch der Vater ist Alkoholiker, ein Quartalsäufer, der alle drei Monate einen Rausch hat und dann jedes Gefühl für Verantwortung verliert. Das kostet ihn nach dem Krieg auch seine Arbeit. Die Familie lebt beengt: die zwei Mädchen schlafen in der Küche, die Buben “übereinander gestapelt" in einem kleinen Zimmer.

Zwischen den Alkoholphasen ist der Vater den Kindern jedoch ein Vorbild an guter Erziehung, mit großem Respekt vor anderen Menschen. “Nicht einmal einen Zahnstocher hätten wir irgendwo mitnehmen dürfen. Mein Vater hätte ihn wieder zurückgebracht," erzählt mir Sr. Elvira mit einem Lächeln, in dem nicht eine Spur von Vorwurf ist. Und sie fährt fort: “Ich habe auch wunderbare Erinnerungen an meinen Vater. Heute sehe ich, daß dies eine wichtige Schule für meinen späteren Lebensweg war. Gott hat mir mit 4 Jahren den ersten Süchtigen an die Hand gegeben."

Schon früh muß das Mädchen zu Hause die Mutter ersetzen. “Wenn Mutter unter der Woche in der Stadt als Krankenschwester arbeiten mußte, waren wir Kinder viel mit dem Vater allein, auch in seinen Alkoholphasen. In diesen Zeiten veränderte er sich sehr. Dann war ihm nicht bewußt, daß ich noch klein war und Angst hatte, wenn er mich mit 6 Jahren spätabends aus dem Bett holte, um Zigaretten zu kaufen. Wenn ich dann im Mondschein den leeren Platz überqueren mußte und sich die Bäume unheimlich im Wind bewegten, hatte ich Angst. Aber ich lernte die Angst zu überwinden. Deshalb fürchte ich mich heute vor nichts mehr." Und wenn der Vater Abends zu berauscht ist, und gar nichts mehr selbst tun kann, muß ihn eben Rita fürs Bett zurechtmachen. So ist ihre Kindheit in vielem eine gute Vorbereitung für ihre spätere Arbeit mit Suchtkranken.

Auch die Armut lernt sie kennen: Die kleine Rita ginge so gerne sonntags in die Kirche, doch die Schwester des Oratoriums erklärt ihr, sie dürfe das nicht, weil sie - übrigens bis sie 12 Jahre alt ist - keine Schuhe besitzt. Sie sieht wohl wie ein kleines Zigeunermädchen aus. Die Rita von damals sieht ein, daß sie nicht mitfeiern darf, doch die Sr. Elvira von heute meint: “Ich würde so ein Mädchen wohl eher auf meinen Armen in die Kirche tragen." Wenn allerdings niemand in der Kirche ist, geht Rita manchmal hin, setzt sich vor die Statue der Muttergottes von Lourdes und schaut sie an. Und die Muttergottes blickt auf sie hinunter. Diese lautlosen Zwiegespräche prägen sich tief ins Herz des Mädchens ein, wohl auch weil die Mutter besonders auf die Hilfe der Muttergottes vertraut. Hat die Mutter nämlich Sorgen, so öffnet sie das Fenster, blickt auf den Berg zum Heiligtum hinauf und bittet: “Liebe Muttergottes kümmere du dich darum."

Heute erkennt Sr. Elvira, daß sie in den Licht- und Schattenseiten ihrer Kindheit vieles lernen durfte, was sie innerlich frei werden ließ: daß man mit den noch Ärmeren teilen soll, daß es nicht auf Äußerlichkeiten ankommt, daß man nicht viel besitzen muß, sondern froh und stolz sein kann auf das, was man selbst ist. “Alles ist gut an dir, so wie du bist", sagte ihr die Mutter eines Tages, als sie den wehmütigen Blick der Tochter bemerkt, der am Hut und den Lackschuhen der Freundin hängenbleibt.

“Eine Aussteuer könne sie uns Mädchen nicht mitgeben. Doch das größte Geschenk seien wir selbst, prägte sie uns ein. Meine Mutter hat uns die Selbstachtung, die Nächstenliebe, die Hoffnung und auch das Vertrauen zum Leben gegeben," erinnert sich die Schwester dankbar. Auch auf das Kreuz sollten sie vertrauen: “Immer wieder hörte ich meine Mutter sagen: ,Heiliges Kreuz Gottes, verlaß uns nicht!' Heute noch sage ich das so. Nicht: Heiliges Kreuz geh von mir oder schicke mir ein wenig Vorsehung. Sondern: Heiliges Kreuz Gottes verlasse mich nicht."

Den Vater hat die Mutter immer wieder entschuldigt und die Kinder ermahnt, ihn stets zu respektieren: Sie sollten lernen, nur gut über andere zu denken. “Wir haben das wahre Licht der Liebe in der Familie gelebt, und auch so manches Dunkel", beschreibt Sr. Elvira die lebenswichtigen Erfahrungen ihrer Jugend.

Mit 19 Jahren, nach Beendigung der Mittelschule, beschließt sie in eine Schwesterngemeinschaft einzutreten. Dienen war Teil ihrer Natur geworden: “Arbeiten, um Freude zu geben, war meine Leidenschaft: das Dienen, die Liebe, die Vergebung, die Armen. All das zog mich besonders an." In der Gemeinschaft der “Schwestern der Liebe" bekommt sie den Namen “Elvira", was ethymologisch “die starke Frau" bedeutet. Zufall?

25 Jahre hindurch erfüllt sie in der Gemeinschaft die ihr zugewiesenen Arbeiten. Nebenbei schaut sie sich unter den Familien des Landes um und erkennt, daß viele Jugendliche richtiggehend verlassen worden sind, ausgeschlossen durch die Konsumgesellschaft, in der beide Elternteile arbeiten gehen, um einen höheren Lebensstandard zu erreichen. Ihre Kinder sollten es einmal besser haben, sagen sie. Doch über all dem Geldverdienen und dem Bemühen, Wünsche zu erfüllen, wird die Sorge vernachlässigt,, daß die Kinder gut, verantwortungsbewußt und glücklich werden. Es gibt immer weniger Gespräche in den Familien, immer seltener werden christliche Werte vermittelt. Das Vertrauen zwischen Eltern und Kindern kommt abhanden. Auf sich selbst gestellte Kinder verlieren die Orientierung, werden geistig und seelisch träge und suchen sich die leichtesten Wege, die sie nur allzu oft ins Verderben führen.

Sr. Elvira spürt immer deutlicher: Sie muß einem besonderen Ruf Gottes folgen. Ihr sind besondere Gaben für verirrte, desorientierte und einsame Jugendliche gegeben, für Drogensüchtige und Alkoholiker. Würde sie diese nicht weitergeben, käme sie sich wie eine Diebin vor. “Gerade aus der Situation in meiner eigenen Familie wurde eine besondere Liebe für die Abhängigen und ein feuriger Wunsch geboren, sich ihrer Heilung und geistigen Umkehr zu widmen. Ich hatte meinem Vater verziehen und liebte ihn," bezeugt sie.

So wuchsen in ihrem Herzen durch den Hl. Geist genährte, starke Impulse. “Doch wie erklärt man den Hl. Geist," fragt mich Schwester Elvira lächelnd. “Es war schwer, das meinen Oberinnen zu erklären. Sie meinten zurecht, ich hätte nicht die notwendigen Qualifikationen und auch nicht genügend Erfahrung mit solchen Jugendlichen."

Sechs Jahre muß sie daher warten bis es 1983 endlich soweit ist. Sie darf gehen. Der Bürgermeister von Saluzzo, dem sie von ihrem Projekt erzählt, glaubt an ihre Sache. Er gibt ihr ein verfallenes Haus zur Miete. Und so eröffnet Sr. Elvira im Juli 1983, in ihrem 46. Lebensjahr das erste der heute 45 Häuser. Eine andere Schwester und eine gottgeweihte Lehrerin schließen sich ihr an.

Mein Gegenüber erzählt temperamentvoll: “Das Haus war eigentlich nicht bewohnbar. Es gab nichts darin. Die Ordensoberen haben sich entsetzt an den Kopf gegriffen. Ich aber war glücklich und spürte, daß sich etwas Großes seinen Weg aus mir heraus bahnte. Ich sah schon damals all das Herrliche, das heute existiert. Und ich spürte den Herrn neben mir und welche Kraft und welchen Mut ich von der Muttergottes empfangen durfte." Schon nach einer Woche stehen drei verwahrloste Burschen vor der Tür und fragen, ob sie bleiben können. Sie hätten gehört, hier habe ein Haus für Drogensüchtige aufgemacht. Zunächst schlafen alle am Boden, essen mit den Fingern - auch die Schwestern. Sie lernen das Leben Drogensüchtiger kennen: kein Bett, kein Essen, ausgegrenzt.

Nun stellt sich die Frage: Wie soll man die Jugendlichen beschäftigen? Es gibt ja keinerlei Werkzeug im reparaturbedürftigen Haus. Da beginnt die Vorsehung ihr Werk. Am Samstag ist Markttag und Sr. Elvira geht hin, betrachtet sehnsüchtig das schöne Werkzeug, das sie so dringend brauchten. “Da blieb ein Herr neben mir stehen. Er fragte mich: ,Schwester, brauchen Sie etwas?' ,Ja, aber ich habe kein Geld.' ,Kein Problem', antwortete er, ,suchen Sie aus. Ich regle all das nachher.' Das war das erste Zeichen der Vorsehung in unserer Gemeinschaft, das mir das Werk Gottes vor Augen führte."

Diesen Weg wollten sie weitergehen. Nur Gott konnte die Drogensüchtigen wirklich heilen und nur von Gott wollten sie abhängig bleiben - und von einzelnen Menschen, die Gott ihnen schicken würde. Daher nimmt Sr. Elvira kein Geld von öffentlichen Institutionen. Die Jugendlichen sollen spüren, daß Gott wirklich da ist, daß Er an ihnen interessiert ist und über sie wacht - 24 Stunden am Tag. “Man kann ihnen das schwer erklären, sie müssen das mit ihren Händen erfassen können."

Matratzen haben sie noch lange keine. Sie schlafen auf dem Gras, das sie tagsüber mähen. Um Gottes Willen und Weg täglich neu zu erfahren, kommen die Schwestern regelmäßig zum Gebet zusammen. Dann stehen die Burschen auf und gehen aufs Feld. “Nach etwa einem Monat kommt einer von ihnen und meint, er würde auch gerne verstehen, was wir da machen wenn wir uns zusammensetzen. Später kamen auch die anderen und setzten sich dazu. Als die Jugendlichen das Gebetsbuch in die Hand nahmen, um mit uns zu beten, war das ein Moment unermeßlicher Dankbarkeit an Gott. Ich wußte, daß wir auf dem richtigen Weg waren," erinnert sich die Schwester voll Freude.

Die Burschen verstanden vielleicht noch nicht die Liebe Gottes, wohl aber die Liebe der Schwestern, weil diese bereit waren, jede Entbehrung für sie auf sich zu nehmen. “Es nützt nichts, über die Barmherzigkeit Gottes zu theoretisieren. Die Jungen müssen sehen, daß wir selbst barmherzig sind." Und wollen später den Grund dafür kennenlernen.

Die Zahl der Jugendlichen, die Hilfe bei den Schwestern suchen, wächst. Mittlerweile ist aber jedes Bett im Haus belegt und kein Platz mehr für Neuankömmlinge. Es herrscht Ratlosigkeit. Die Vorsehung aber läßt sie nicht im Stich. 1986 kommt Vicka, eine der Seherinnen aus Medjugorje, zu Besuch. Sie macht der Schwester wieder Mut. Es wird weitergehen. “,Macht weiter,' hat sie wiederholt," erinnert sich die Schwester genau: Und am Tag darauf bekommt sie einen Scheck über 70 Millionen Lire. “Man darf und kann das Gute", erklärt mir Sr. Elvira, “niemals einschränken. Vicka hatte Recht. Das Gute tun ja nicht wir. Gott ist das Gute.Ein wunderschönes Abenteuer"

Unglaublich berührt bin ich von ihrer tiefen Liebe: “Jedesmal, wenn ich davon erzähle, spreche ich auch zu mir selbst und erkenne erneut staunend, das Wunderbare, das Gott gerade macht. Das vermehrt meinen Glauben. So glaube ich immer mehr an diesen Jesus von Nazareth, der gestorben und auferstanden ist, der lebt und gegenwärtig ist, tröstet und Mut macht, der dich umarmt und dir Kraft gibt." Mit tiefer Zuneigung betrachtet sie all die Menschen hier im Cenacolo in Kleinfrauenheid und lächelt: “Ah che bello (Wie schön!), soviel Sehnsucht wird da in mir wach Ihm zu begegnen" - und es überrascht mich gar nicht, daß gerade da die Kirchenglocken zu läuten beginnen.

Nun gibt es also 45 Häuser der Gemeinschaft weltweit, allein in Brasilien sind es drei und auch in Medjugorje, wo die Jugendlichen “kräftiger und tiefer beten". Wie spielt sich da das Leben ab? Wer heilt dort und wie? All diese Fragen kann ich hier nur kurz beantworten. Wer in die Gemeinschaft kommen will, wird zunächst klar vorinformiert und dann zum Nachdenken nach Hause geschickt. Er hört, daß es keine Zigaretten, keinen Alkohol, kein Geld, keine laute Musik, kein Fernsehen, keine Zeitungen, zunächst auch keine Elternbesuche und keine Medikamente gibt, ja nicht einmal Psychologen zur Betreuung. “All das hatten die Jugendlichen bis dahin, haben aber die Drogen vorgezogen. Nun nehmen wir das weg und sehen was bleibt," erklärt Sr. Elvira jedem. Dafür gibt es Arbeit - mehr als genug.

Wer in ein “Zönakel"eintritt, lernt Demut, wird aber auch frei von Zwängen und Gewohnheiten: Er kann nicht mehr die Kleidung tragen, die er möchte, sich nicht Kaffee machen, wenn er gerade Lust dazu hat, oder Nachrichten schauen. Will bei diesen massiven Beschränkungen noch wer eintreten? Mehr als genug. Wem wird auch anderswo gesagt, “daß wir sein Leben lieben, dieses kostbare Leben, das bleibt, wenn alles andere wegfällt. Außerdem müssen weder er noch seine Eltern auch nur einen Cent für den Aufenthalt hier bezahlen. Auch der Staat nicht."

Sr. Elvira erklärt: Geld war für die jungen Leute bis dahin das todbringende Mittel. Es ist gut, wenn es jetzt keine Rolle mehr spielt. Und Geld schränkt ein, von wo immer es kommt. “Was ist, wenn Eltern nicht mehr zahlen können, der Staat nicht mehr zahlen will, der Jugendliche aber noch nicht geheilt ist?" Ja, um das Geld kümmert sich hier niemand. Und das macht zweifellos frei. Und bis jetzt sorgt die Vorsehung dafür, daß noch jeder so lange bleiben konnte, wie er wollte.

Sr. Elvira meint freudestrahlend: “Unsere Bezahlung ist die Liebe. Schauen Sie die Jugendlichen an: Vorher waren sie todtraurig, jetzt sind sie fröhlich, voll Freude, voll Tatendurst. Das ist unsere Bezahlung!" Genau das habe ich voll Staunen gesehen ob in Kleinfrauenheid im Burgenland, oder in Saluzzo: die Burschen strahlen nicht nur, sie haben fast unschuldige Gesichter und einen offenen Blick. Sind das wirklich ehemals Drogensüchtige, die Schlimmstes erlebt haben? Diese frischen Gesichter sehen natürlich auch die Neuankömmlinge, wenn sie, zunächst nur tagsüber, dort mitleben dürfen. Sie merken die Freude, die Lust am Leben, die Freundschaft, die sie verbindet, die Freiheit, das Lächeln, das sie für den Neuen haben und die Hilfsbereitschaft.

Wer will all das im tiefsten Inneren nicht haben? Wer das erlebt, ist einfach fasziniert. Der fix aufgenommene Neuankömmling wird, solange es nötig ist, 24 Stunden am Tag von einem “Schutzengel", einem ehemaligen Drogensüchtigen, begleitet. Dieser ist für ihn da, weiß um seine Probleme, hilft ihm liebevoll bei den Entzugserscheinungen, weist ihn in alles ein, hilft bei der Arbeit, die ihm zugewiesen wird. Denn jeder arbeitet hier: in der Bäckerei, Wäscherei, als Ikonenmaler, als Koch... So lernt er schätzen, was er durch Verzicht und Anstrengung mit seinen Händen erarbeitet hat.

Was die Burschen ausstrahlen, was sie leisten wäre ohne intensives Gebet ebensowenig möglich wie die enorme Erfolgsquote. Sie ist unvergleichlich höher als sonstwo. Denn der Hauptgrund für die Sucht ist die Gottferne. Also besteht die Medizin gegen die Droge in Gottes Anwesenheit: In jedem der Häuser ist daher eine Kapelle, in der sich alle mehrmals am Tag zum Gebet versammeln. Noch ein Angebot: drei Rosenkränze pro Tag. Die Kraft zu bleiben und erfolgreich durchzuhalten, schenkt nur das Gebet. Das ist die Überzeugung aller Jungen, die hierherkommen. Dieses Erbe geben sie seit 20 Jahren weiter.

“Eines Tages sagte mir einer der neu aufgenommenen Burschen, daß er noch nie gebetet habe und auch nicht glauben könne", erzählt Sr. Elvira. “Da habe ich ihn beruhigt: ,Mach du es nur den anderen nach. Knie dich einfach hin. Das Glauben übernehme ich für dich." In jeder Kapelle gibt es die ewige Anbetung. »Denn in der Anbetung geschieht die Wandlung der Seelen. Nur wenn wir nahe bei Jesus sind, können wir Ihn lieben lernen" ist Sr. Elviras Erfahrung.

Ich bin sehr froh über diese Begegnung mit dieser unglaublich mutigen Frau, die in all den Jahren auch nicht vor Schwierigkeiten mit Behörden, Polizei und Gemeinden zurückgeschreckt ist. All diese Widrigkeiten konnten ihr nicht die Liebe zu den Menschen nehmen. Ich sehe es auch hier in der Gemeinschaft: Jedem wendet sie sich sehr liebevoll und persönlich zu. Kennt sie wirklich den Namen jedes Schützlings weltweit, wie behauptet wird? Auch will hier jeder mit ihr sprechen, spricht sie doch diese Sprache der Liebe, von der sie sagt, daß jeder sie braucht, jeder sie sehen und verstehen kann. Es stimmt: Ihre Spezialität und die der Gemeinschaft Cenacolo ist die Liebe.

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