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Die Benedikt-Option

Artikel drucken Eine Strategie für Christen in einer nachchristlichen Gesellschaft (Christof Gaspari)

Mitten im materiellen Wohlstand stecken wir im Westen in einer tief reichenden geistigen Krise. Schwerwiegende Übel wie das Töten oder Tieffrieren ungeborener Kinder, die Propagierung sexueller Freizügigkeit jeglicher Art, der Konsum von abartigster Pornographie, das Töten alter Menschen… werden gut geheißen, beworben und massenhaft praktiziert. Papst Benedikt meinte, die jetzige Krise sei die schwerstwiegende seit dem Untergang des Römischen Reichs.
Denn auch die Kirche bleibt nicht vom Zeitgeist verschont. Was manche Hirten und Laien in verantwortlicher Position zum Besten geben, ist erstaunlich: Da erzählt mir eine Freundin kürzlich, sie habe an einer Tagung teilgenommen, bei der Frauen aus der Führungsetage katholischer Frauenverbände zu Worte kamen. Befragt, was deren wichtigstes Anliegen sei, erklärten diese unisono: „Gender“! Oder: Da entschied der bayerische Ministerpräsident, Kreuze in öffentlichen Einrichtungen aufhängen zu wollen und erntete Kritik – von bischöflicher Seite! Oder: Immer wieder äußern Bischöfe Verständnis für die Schwulen-Bewegung, lassen deren Vertreter bei kirchlichen Veranstaltungen zu Wort kommen, senden Grußbotschaften zu deren Veranstaltungen, ja besuchen diese sogar.
Wer als Christ die biblisch fundierten Lehren zu Ehe, Familie, Sexualität vertritt, wird zunehmend als schwer erträglicher Fundamentalist angesehen. Unter Christen findet vielfach – mit Verzögerung – ein erschreckender Anpassungsprozess statt.
Damit müsse Schluss sein: „Wir werden die Kirche sein müssen, ohne Kompromisse, koste es, was es wolle,“ erklärt Rod Dreher in seinem kürzlich auf Deutsch erschienenen Buch Die Benedikt-Option, das ich wärmstens zur Lektüre empfehle. Und er ergänzt: „Die Veränderungen, die den Westen in der modernen Zeit ergriffen haben, haben absolut alles revolutioniert – sogar die Kirche, die nicht Seelen formt, sondern Egos verpflegt.“ Ist etwas überspitzt formuliert, sollte aber zu denken geben.
Es sei an der Zeit zu erkennen, dass wir hier im Westen mittlerweile in einem feindseligen geistigen Umfeld leben. Das äußere sich zwar nicht in einer offenkundigen Verfolgung, aber in einer immer konsequenteren Umpolung der geistigen Werte durch Politik, Medien, Schule – und in Bemühungen, Kritik daran zu unterbinden…
Als Christen müssten wir geistig aus diesem Babylon ausziehen, wie der heilige Benedikt dies mit seiner Ordensgründung im untergehenden Römischen Reich getan hat, so lautet Drehers Appell.
Leute, die sich heute für diesen Weg entscheiden, seien solche, die „statt in Panik zu geraten oder in Selbstgefälligkeit zu verharren,“ klar erkennen  dass die gegenwärtige vom Zeitgeist geprägte gesellschaftliche Lage „nicht ein Problem ist, das es zu lösen gilt, sondern vielmehr eine Realität, mit der man leben muss.“
Was Dreher mit der Benedikt-Option will: „… nicht siebenhundert Jahre Geschichte ungeschehen zu machen, als ob dies möglich wäre. Wir versuchen auch nicht, die Welt zu retten. Wir versuchen lediglich, eine christliche Lebensweise aufzubauen, die als Insel der Heiligkeit und Beständigkeit inmitten des Hochwassers der liquiden Moderne steht. Wir streben nicht danach, den Himmel auf Erden zu erschaffen; wir suchen lediglich nach einem Weg, stark im Glauben zu sein in einer Zeit großer Prüfungen.“
Wie man das macht? Bei sich und seiner unmittelbaren Umgebung anfangen und einiges vom heiligen Benedikt abschauen: Ordnung ins Leben bringen, feste Gebetszeiten einbauen (für die ganze Familie!), die Heilige Schrift lesen, Askese praktizieren, Beständigkeit üben mitten in einer Welt, die Mobilität und Flexibilität predigt… Das alles dürfe kein Selbstzweck sein. Es sei wichtig, Gemeinschaft zu pflegen und Gastfreundschaft zu üben.
Es gehe darum, dem Ruf Got­tes zu folgen, Christus ähnlich zu werden. Und dann eine wichtige Klarstellung: „Wie auch immer die Umstände sein mögen, ein Christ kann nicht in Treue leben, wenn Gott nur einen Teil seines Lebens ausmacht, ausgeklammert vom übrigen Leben. Letztendlich steht entweder Christus im Mittelpunkt unseres Lebens oder das Selbst und die Götzen, die es sich errichtet. Einen Kompromiss dazwischen gibt es nicht.“
Christen seien herausgefordert, an einer neuen wirklich christlichen Kultur zu bauen und sich nicht darin zu verzetteln, krampfhaft die Restbestände der zusammenbrechenden tradierten Kultur retten zu wollen.
Wie das gehen könnte, liest man am besten nach. Ich zitiere als Anreiz dazu ein paar Überschriften von Abschnitten, in denen Dreher zwar keine Rezepte, aber recht konkrete Gedankenanstöße gibt: Die kirchliche Disziplin festigen; Evangelisieren durch Güte und Schönheit; Keine Angst vor Nonkonformismus; Die Gemeinschaft lieben, ohne sie zu idolisieren; Wie man klassisch-christliche Schulen gründet; Bereit sein für harte Arbeit; Keine Kompromisse eingehen, um die jungen Leute bei der Stange zu halten; Das Gute der Sexualität bekräftigen; Pornographie mit allen Mitteln bekämpfen; Digitales Fasten als asketische Praktik…
Ich habe das Buch zweimal gelesen. Wie gesagt – wirklich lesenswert.

Die Benedikt-Option – Eine Strategie für Christen in einer nachchristlichen Gesellschaft. Von Rod Dreher. fe-medienverlag, 398 Seiten, 19,95 €

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