VISION 20006/2003
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„No future“für Babylon

Artikel drucken Über die hoffnungsvolle Botschaft der Apokalypse: Das letzte Wort hat Gott (Von P. Johannes Lechner)

Wer an den angsterregenden Zuständen unserer Zeit leidet, dem sei die Lektüre der Offenbarung des Johannes empfohlen: ein Trostbuch, das uns zusichert, daß Gott der Herr der Geschichte ist und bleibt.

Als ich ihn sah, fiel ich wie tot vor seinen Füßen nieder. Er aber legte seine rechte Hand auf mich und sagte: Fürchte dich nicht! Ich bin der Erste und der Letzte und der Lebendige (Off 1,17).

In seinem Exil auf Patmos begegnet Johannes dem auferstandenen Christus. Dieser enthüllt ihm eine prophetische Schau, die Johannes aufgezeichnet und als Botschaft an die Kirchen gesandt hat. Diese Prophetie der Apokalypse ist von hoher Aktualität. Das nachsynodale Schreiben Ecclesia in Europa ist ganz im Licht der Geheimen Offenbarung des Johannes geschrieben. Sie gibt uns also Licht für die aktuelle Situation Europas. Sie ist ein Buch des Trostes und der Hoffnung, denn sie zeigt uns den Sieg der Liebe Gottes über alle Mächte der Zerstörung und der Finsternis; die geheime Offenbarung - das Buch vom geistlichen Kampf par excellence, wie man ein treuer Jünger “under pressure" sein kann, treu bis zum Tod.

In der Nachfolge Jesu lernen wir innere und äußere Bedrängnis kennen. Oft sind wir entmutigt von der Übermacht des Bösen in der Welt und manchmal auch in unserem Herzen. Wir lassen die Hände sinken.

Leben wir nicht jene Vernebelung des Geistes, die uns mit solch eindrucksvollen Bildern im 9. Kapitel geschildert wird? Hängt nicht über den Ländern Europas ein Schleier der Verdunkelung, die keinen freien Blick mehr auf Gott gibt? Da brauchen wir alle eine Infusion Hoffnung vom Heiligen Geist, die das Gift der Resignation, Entmutigung und geistlichen Traurigkeit in unseren Venen unschädlich macht und uns neu mit Lebenskraft und Elan füllt.

Johannes stellt sich uns als Bruder vor, der teilhat an der Bedrängnis, aber auch an der Königsherrschaft und der standhaft aushält in Geduld. Das sind drei Schlüsselbegriffe für die Apokalypse und für unser christliches Leben: Bedrängnis, Teilhabe an der Königsherrschaft und Ausharren in Geduld, in denen sich konkret unsere Hoffnung zeigt.

Die Bedrängnis und der Kampf sind real, doch genauso real die Teilhabe an der Königsherrschaft Christi. Deswegen bricht inmitten der ärgsten Finsternis in der Apokalypse immer wieder der Lobgesang aus.

Die Apokalypse zeigt uns, wohin all das Geschehen letztlich mündet: in die Herrlichkeit des neuen Jerusalems. Die ganze Bewegung der Geschichte mit all ihren Wirren und Greuel mündet letztlich in den großen Sieg Gottes. Doch ist Jesus auch in seiner pilgernden Kirche gegenwärtig als der Auferstandene inmitten der sieben goldenen Leuchter. Der Auferstandene erwartet uns nicht nur am Ende, er geht auch den Weg mit uns.

Christus selbst korrigiert die sieben Kirchen wegen des Mangels an brennender Liebe, wegen der Kompromisse, wegen des Götzendienstes, wegen der Verschlafenheit und wegen der Lauheit. All das verletzt Sein Herz. Die Diagnosen des Herrn treffen auch unsere heutige Situation der Kirche. Der Herr ruft auch uns zur Umkehr auf.

Was sagt uns Gott mit dem Lamm? Überall sehen wir, trotz des extremen Kampfes zwischen Gut und Böse, den Sieg des Lammes. Gott hält unser Leben in Seinen Händen, greift ein in diese Welt, herrscht - aber als Lamm. Der gekreuzigte und auferstandene Christus führt den Plan Gottes aus: Gott wurde Mensch, um Lamm zu sein, der Welt Sünde hinwegzunehmen. Er faßte die Sünde an, machte sich die Hände schmutzig, als Er uns die Füße wusch. Der Sündenlose löscht die Sünde, der Erlöser löst die Schuld. Er ist Gottes durchbohrte, verschmähte, verneinte Liebe in der Gestalt des Lammes. Doch Seine Liebe siegt. Das Lamm ist Hirte und der König Diener.

Das erhöhte Lamm steht da wie geschlachtet, doch niemand kann es zu Fall bringen, es ist aufgestellt in Ewigkeit. Das Buch der Weltgeschichte, der unschuldige Wille Gottes ist in Seiner Hand. Er führt ihn unfehlbar durch.

Der Blick Gottes auf unser Leben, auf unsere Welt geht immer über das Lamm, über das Kreuz Christi. Die kleine Therese betet in ihrem Weiheakt an die barmherzige Liebe: “Da du mich so sehr geliebt hast, daß du mir deinen einzigen Sohn gabst, auf daß er mein Erlöser und mein Bräutigam sei, so sind auch die unendlichen Schätze seiner Verdienste mein, freudig bringe ich sie dir dar und flehe dich an, nicht anders auf mich zu schauen als durch das Antlitz Jesu hindurch und in seinem von Liebe brennenden Herzen."

Es ist das große Gesetz im Reich Gottes, wie Gott die Welt, die Kirche, unser eigenes Leben ansieht und regiert: durch das geopferte und auferstandene Lamm. Wir folgen dem Lamm und stellen uns auf die Seite seines Sieges.

Mit dem Begriff der Apokalypse verbinden wir geläufig Weltuntergang, Szenarien von Atomkrieg, Zerstörung und Katastrophen. Das biblische Verständnis von Apokalypse ist anders. “Apokalypsis" auf Griechisch heißt Erschließung, Enthüllung des Verborgenen. Etwas wird erkennbar, was uns selbst nicht zugänglich ist.

Was wird uns also enthüllt? Die Verwirklichung des ewigen Planes Gottes! Nicht Welt-Untergang, sondern Welt-Transfiguration hinein in die Herrlichkeit Gottes! Unsere Welt mündet nicht im Nichts, sondern in einer neuen Schöpfung, die ganz mit Gott vereint ist.

Was geht also unter? Der Drache und die beiden Tiere - Symbole für die Mächte des Bösen - und die Frucht ihrer Arbeit, die Symbolstadt Babylon. Das Gericht Gottes wird geschildert als Entmachtung und Untergang aller Mächte des Bösen mit all ihren Werken. No future für Babylon!

Der Luxus Babylons und der Reichtum Jerusalems, erfüllt vom Glanz und von der Herrlichkeit Gottes, stehen sich als Kontrastbilder gegenüber. Dem himmlischen Jerusalem fehlt nichts vom Reichtum Babylons. Der ganze Reichtum der Völker fließt dort ein. Der Unterschied zu Babylon besteht darin, daß in Jerusalem alles “bräutlich" ist, also auf Gott ausgerichtet und nicht mehr auf eine eigennützige Verwendung für sich selbst.

Der Fall Babylons geschieht durch das Lamm. In ihrer Macht schien die Stadt allmächtig zu sein, in ihrer Verführungskraft und ihren wirtschaftlichen Mitteln. Im 18. Kapitel sieht man, wie all dies durch das Lamm in einer Stunde, das heißt in kürzester Zeit zusammenbricht. Hier zeigt Gott Seine Allmacht. Doch die Schöpfung geht nicht unter, sondern feiert Hochzeit. Das ist unsere Hoffnung. Die Bibel geht gut aus. Wir dürfen dasselbe hoffen, für unser persönliches Leben wie für die Weltgeschichte.

Johannes sieht einen neuen Himmel und eine neue Erde. Die Geschichte wird vollendet. Gott zeigt uns, was uns am Ende unseres Lebens erwartet: Eine neue Schöpfung! Gott verheißt: Siehe, ich mache alles neu. Gott setzt sich durch - trotz allem. Er hat das letzte Wort, und Sein letztes Wort ist die Hochzeit des Lammes. Die Bilder sind voll hochzeitlicher Mystik.

Nicht die Katastrophen dieser Erde, die Ängste und die Krankheiten, weder Terror, Krieg und Hunger, noch der tiefe Schmerz der Einsamen und Ungeliebten - all das ist nicht das Letzte. In einem Akt der Hoffnung sprechen wir in das Leid der Welt hinein: Das ist nicht das Letzte.

Wir sind für die Vereinigung mit Christus in der Liebe geschaffen. Das himmlische Jerusalem kommt geschmückt wie eine Braut von Gott herab, das heißt, es wird uns geschenkt. DieKirche hat ihre Quelle oben. Sie hat ihre Wurzeln im Himmel und ihre Blätter im Sturm. Man kann versuchen, ihre Wurzeln auszureißen, aber sie sind nicht im “Erdreich" verwurzelt sondern im “Himmelreich". Deshalb ist sie unüberwindbar. Immer neu lebendig mit dem Leben des Himmels, dem Leben des verherrlichten Christus, dem Leben des geschlachteten Lammes.

Die Herrlichkeit des himmlischen Jerusalem steigt unaufhörlich zu uns herab. Das ewige Leben hat schon begonnen - doch verborgen in Bedrängnis. Die Stunde kommt, in der Gott jede Träne von unseren Augen abwischen wird. “Der Tod wird nicht mehr sein, noch Trauer, noch Klage, noch Schmerz, denn das Erste ist vergangen" (Off 21,4).

Das ist keine Jenseitsvertröstung. Die Verheißung des Himmels und der ewigen Freude geben uns im Gegenteil die Kraft, die Bedrängnisse dieses Lebens mutig zu tragen und unsere oft mühevolle Aufgabe in dieser Welt verantwortungsvoll auszuführen.

Wir brauchen Gottes Trost, damit auch wir jene trösten können, die leiden. Schon jetzt trocknet Gott unsere Tränen durch den Heiligen Geist, und es kommt der Tag, da Gott alle unsere Tränen ganz und für immer abwischen wird. Das Leiden wird für immer zu Ende sein und die Angst vor dem Tod für immer überwunden. Es bleibt die ewige Freude. Auf diese Stunde hin leben wir, und Gott kennt diese Stunde. Wir bereiten uns darauf vor, und darum fürchten wir uns nicht.

Jesus lehrt uns eindeutig drei Dinge über sein zweites Kommen in Herrlichkeit:

1. daß Er sicher wiederkommen wird,

2. daß wir unmöglich herausfinden können wann,

3. daß wir deshalb jederzeit für Ihn bereit sein sollen.

Der Heilige Geist weckt in uns die Sehnsucht nach dem Kommen des Herrn. Der Geist macht uns zur Braut. Mitten im Spannungsfeld, wenn wir an den Mängeln und Unzulänglichkeiten unseres Lebens und unserer Kirche leiden, führt uns der Heilige Geist zu einem sehnsüchtigen Rufen nach dem Kommen des Herrn, der allein die Vorbereitung und Verwandlung bewirken kann.

Wenn die gegenwärtigen Probleme und Mängel nicht im Heiligen Geist gelebt werden, können wir daran zerbrechen. Die Kirche ist im Werden. Die Vollendung durch Verwandlung bewirkt allein der Herr. Unsere Stimme soll die Stimme des Geistes sein, die ruft: Komm!

Das Gebet für die Parusie ist im Herzen des christlichen Lebens. Wir leben unser christliches Leben unter der Führung des Geistes auf die ewige Zukunft hin, aus der der Herr kommt.

In einem Dialog der Liebe reden Braut und Bräutigam vom gegenseitigen Kommen: Der Herr verspricht: “Ich komme", die Braut ruft: “Komm!" Der Christ ist ein Dürstender, ein Mensch der Sehnsucht. Er wartet auf die Erfüllung der Verheißungen Gottes. Maranatha - Komm, Herr Jesus!

Der Autor ist Prior der St. Johannes-Gemeinschaft in Marchegg/Niederösterreich.

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