VISION 20002/2018
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Stark unter Druck, aber fest im Glauben

Artikel drucken Die Christen in Pakistan: eine winzige Minderheit mitten unter Muslimen

Vor einem Jahr brachten wir das Portrait von Samson Shukardin, Bischof von Hyderabad. Als er kürzlich wieder in Österreich war, nützten wir die Gelegenheit, ihn über neue Ent­wicklungen in seiner Heimat zu befragen.

96 Prozent der Bevölkerung in Pakistan sind Muslime, die Christen eine kleine Minderheit. Wie stark steht diese derzeit unter Druck?
Bischof Samson Shukardin: Unter starkem. Besonders bedrohlich für uns Christen: das Blasphemiegesetz. Es sieht strenge Strafen vor für Personen, die Mohammed oder den Koran in irgendeiner Form beleidigen. Es genügt, eine Zeitung wegzuwerfen, in der der Koran zitiert wird, um wegen Beleidigung des Korans verhaftet zu werden. Das Gesetz wird sehr oft missbraucht, um private Fehden zu regeln. Das betrifft auch Muslime. Oft sind allerdings Christen oder Angehörige anderer Minderheiten Opfer dieses Gesetzes. Auch die Todesstrafe ist da nicht ausgeschlossen. Beschuldigt man einen Christen, wird oft seine ganze christliche Gemeinde als mitschuldig betrachtet.

Sprechen Sie da von aktuellen Ereignissen?
Bischof Shukardin:  Erst heute habe ich die Nachricht bekommen, dass ein christlicher Schüler von seinen Kommilitonen ermordet worden ist. Und es ist noch nicht lange her – nämlich am 17. Dezember des vergangenen Jahres –, dass viele Christen durch einen terroristischen Überfall auf eine katholische Kirche in Pakistan starben. Immer wieder gibt es auch Selbstmordattentate in Kirchen. Für Geistliche ist es unmöglich, weil zu gefährlich, sich erkennbar als Priester auf den Straßen zu bewegen.

Haben Sie Leibwächter?
Bischof Shukardin: Nein, das wäre zu auffallend. Aber aus Sicherheitsgründen ändere ich immer wieder meine Route, wenn ich wohin gehe, wo man mich erwartet, um eventuell auflauernden Attentätern zu entgehen.

Sie erwähnten, Christen seien auch im Berufsleben stark benachteiligt. Daher sei eine gute Ausbildung für sie so wichtig, um nicht nur die niedrigsten Arbeiten machen zu müssen…
Bischof Shukardin: Das ist richtig. Meistens müssen Christen die Arbeiten, die niemand machen möchte, Reinigungsdienste jeder Art z.B., verrichten. Aber Ausbildung ist immer auch eine finanzielle Frage. Christliche Eltern haben weit weniger Geld für die Ausbildung ihrer Kinder zur Verfügung. Deswegen ist mein Bemühen auf die Vermittlung von Bildung für Christen ausgerichtet.

Haben Sie deswegen eigene „Free Education Schools“ eingerichtet?
Bischof Shukardin: Sie sind Grundschulen und an sich für Kinder jeglicher Religionszugehörigkeit offen. Bei uns sollen Kinder lernen, respektvoll und vorurteilsfrei miteinander umzugehen. Das ist wichtig für ihre gemeinsame Zukunft. Ganz „free“ sind sie nicht. Um sie zu besuchen, muss man weniger als 50 Cents im Monat zahlen. Klar, dass die Diözese die Schulen subventionieren muss. Daher ist auch Bildung in unserer Diözese der größte Ausgabeposten. Übrigens müssen auch unsere Pfarren finanziell von der Diözese unterstützt werden. Denn keine steht, was die Finanzen anbelangt, auf eigenen Beinen.
Ein besonderes Anliegen jedes Bischofs ist der Priesternachwuchs. Wie steht es diesbezüglich in Ihrer Diözese?
Bischof Shukardin: Wir veranstalten dreimal im Jahr Berufungsprogramme. Die Interessenten nehmen an diesen teil. Wir haben ein Berufungsteam. Es führt mit den Kandidaten Interviews durch. Dieses Team trifft die Entscheidung, wer ins Seminar aufgenommen werden kann.

Welche Voraussetzungen müssen die Kandidaten erfüllen?
Bischof Shukardin: Sie müssen 12 Jahre Schulbildung haben, sind etwa 18 Jahre alt. Die Burschen haben einen unterschiedlichen Werdegang. Viele kommen aus Volksgruppen, die sehr verschieden voneinander sind. Daher gibt es auch Unterschiede im Bildungsniveau. Deswegen beginnt unsere Ausbildung mit einem Vorbereitungsjahr, in dem sie auch Englisch und Urdu, die Landessprachen, lernen.

Wie erfahren die jungen Männer von der Möglichkeit, ins Seminar aufgenommen zu werden?
Bischof Shukardin: Es gibt Fälle da kommen die Eltern zum Pfarrer. Dieser nimmt mit uns Verbindung auf und schickt uns dann ein oder zwei seiner Schützlinge, damit sie an dem Berufungsprogramm teilnehmen. Manchmal geht aber auch unser Berufungsteam in die Pfarren, hält dort Kurse ab und schaut, ob es Interessenten gibt.

Wie viel kostet ein Priesterstudent im Jahr?
Bischof Shukardin: Umgerechnet rund 400€. Da wir 25 Studenten aufnehmen, sind das insgesamt 10.000€ für Nahrung,  medizinische Betreuung, Verwaltungsaufwand, Unterbringung… Derzeit haben wir 17 Seminaristen, aber wir würden die Zahl gerne aufstocken. Gott sei Dank gibt es viele Interessenten.

Kommt dieses Geld aus Europa?
Bischof Shukardin: Die Franziskaner – ich bin einer von ihnen – waren die Initiatoren meiner Diözese. Sie haben daher hier Geld investiert, tun das auch weiter – aber die Mittel reichen nicht.

Wächst die Kirche in Pakistan?
Bischof Shukardin: Viele Christen wandern aus, um ein besseres Leben zu haben. Dennoch wächst die pakistanische Kirche. Wir haben nämlich große Familien. 60% der pakistanischen Bevölkerung sind Kinder und Jugendliche.

Ist diese Jugend, sofern sie christlich ist, auch vom Glauben geprägt?
Bischof Shukardin: Für unsere christliche Jugend ist ihr Glaube ihre Identität. Sie sind keine Muslime, und das unterscheidet sie sofort von den anderen: auf den Feldern, in der Schule, in der Fabrik oder an einem anderen Arbeitsplatz. Sie können oft das Gefühl bekommen, dass sie nicht dazugehören – und doch ist Pakistan für sie ihre Heimat, obwohl sie von manchen als unwillkommen und unerwünscht empfunden werden, weil das Christentum als westliche Religion und als Importeur westlicher Werte angesehen wird.

Sie haben die Kirche in Österreich etwas kennengelernt. Was können wir hier von den pakistanischen Christen lernen?
Bischof Shukardin: Sie können Euch den Glauben lehren. Für uns, die wir glauben, ist Jesus nicht nur ein berühmter Guru, ein charismatischer Speaker oder jemand mit einer neuen Idee. Er ist unser Lehrer, und Er bietet den Weg zum ewigen Leben. Er kann unsere Leere füllen, kann Licht bei Sinnlosigkeit, Frieden für unser inneres Leben und vor allem Vertrauen und Liebe in unsere Be­ziehungen bringen. Obwohl wir eine kleine Minderheit mitten unter Moslems,  täglich herausgeforder, mit großen Schwierigkeiten konfrontiert sind, trägt uns der Glaube und auch der Zusammenhalt in den Familien. Die Ehe wird hochgehalten. Voreheliches Zusammenleben und Abtreibung werden abgelehnt. Die pakistanische Kirche kann Euch die Freude an Kindern lehren.

Kinder zu bekommen, ist also etwas, was erstrebt wird?
Bischof Shukardin: Sie lieben Kinder. Diese sind ja auch eine Absicherung für die Zukunft – vor allem für die Armen.

Sind also ökonomische Überlegungen maßgebend?
Bischof Shukardin: Nein. Dahinter steht vor allem ein tiefes Bewusstsein von der Generationenfolge. Die Familie wird weiterbestehen, das Leben weitergereicht…

Ein starkes Bewusstsein von geschichtlicher Kontinuität…
Bischof Shukardin: Ja. Wenn ein Paar heiratet, erwarten alle rundherum, dass bald ein Kind unterwegs ist.

Ihnen, Herr Bischof, ist wohl die Jugend ein großes Anliegen…
Bischof Shukardin: Ich glaube an unser junges Pakistan! Christen, die in ihrem jungen Leben viele Widrigkeiten erlebt haben, sind sehr widerstandsfähig (zäh, stark, robust) und haben, wenn ihnen gute Bildungschancen gegeben werden, ein enormes Potenzial. Sie haben auch den Mut, ihre Gemeinden zu führen. Sie fordern uns heraus, ihnen durch Bildung die Möglichkeit zu geben, ihre Talente zu entdecken, zu entwickeln und fähige, kompetente Fachleute zu werden, in der Lage, Veränderungen herbeizuführen.

Und wie ist die Stellung der Alten in pakistanischen Familien?
Bischof Shukardin: In unserer Kultur herrscht großer Respekt vor dem Alter und den Alten. Wir behalten sie daheim. Sie sind der Segen für die Familie. Sie haben ihr Leben eingesetzt, und wir kümmern uns um sie, wie immer es ihnen auch gehen mag. Obwohl ich Ordensmitglied war, erlaubte mir der Provinzial, meine Eltern, die in Karachi lebten, täglich zu besuchen.

Das Gespräch führte Alexa Gaspari.
Siehe auch das Portrait Vision 1/17. Spenden für des Bischofs Projekte: Sei so Frei Scholarship f. Children Pakistan. Spende-Gütesiegel 5511) IBAN: AT88 1919 0001 0025 1909 BIC: BSSWATWW

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