VISION 20002/2004
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„Wir alle hier haben kein Interesse an Gott!“

Artikel drucken Eine Schulklasse, die dem Okkultismus verfallen war, kehrt um

Es gibt Erfahrungen, die einen für ein ganzes Leben prägen. Eine solche war für mich diese: Ich betrete zum erstenmal das Schulzimmer in einer neuen Pfarrei. Es sind rund 20 Schüler und Schülerinnen der Oberstufe, 16 Jahre alt. Mein Vorgänger, der Religionslehrer an dieser Schule war, mußte die Pfarrei verlassen, weil die Schüler ihn so fertig gemacht hatten, daß er sich in psychiatrische Behandlung begeben mußte. Ich wußte also ungefähr, was auf mich zukam.

Mit einem leisen Stoßgebet vor der Türe betrete ich das Schulzimmer und sage: “Guten Morgen!" Doch kaum einer der Schüler erwidert den Gruß. Sie sitzen da, die Beine langgestreckt auf oder unter dem Pult. Einige haben die Jacke über den Kopf gezogen und tun, als würden sie pennen. Sie kauen Gummi, würdigen mich kaum eines Blickes.

Ich stehe vor ihnen und weiß im Moment überhaupt nicht, was ich tun soll. Da hebt ein langhaariger Junge seinen Kopf. Es kommt ein schmales, fahles Gesicht mit dunklen Augen zum Vorschein.

Mit lässiger Stimme sagt er: “Sie müssen sich verlaufen haben. Wir alle hier haben kein Interesse an Gott. Damit Sie es gleich wissen: unsere liebste Freizeitbeschäftigung ist Okkultismus. Wir wissen alles. Nur eines brauchen Sie uns noch zu sagen, dann können Sie wieder gehen und brauchen nie wieder zu kommen: Wie verschreibt man sich dem Satan, so daß man seine Macht bekommt?"

Ich hatte zwar einige Erfahrung mit Jugendlichen, aber diesmal war ich für einen Moment am Ende meines pädagogischen Lateins. So nahm ich den Stuhl, setzte mich zu den Jugendlichen hin und fing an, mich mit ihnen über diese Dinge zu unterhalten.

Und dann war ich dem lieben Gott sehr dankbar, als die Glocke läutete und die Stunde um war...

In dieser Zeit traf ich einen evangelischen Kollegen, von dem ich wußte, daß er sich mit Jugendlichen ausgezeichnet verstand. Ich erzählte ihm von meiner Not, denn ich wußte nicht mehr, wie es weitergehen sollte.

Da sagte mir dieser glaubensfrohe Christ: “Mach es so: Nimm die Liste Deiner Schüler, auf der Du alle Namen aufgeschrieben hast, und knie Dich hin und bete. Bete für jeden einzelnen Schüler. Sprich jeden Namen einzeln vor dem Herrn aus und bitte Ihn, Er möge jeden segnen. Tu das vor jeder Religionsstunde. Und Du wirst den Kampf gewinnen."

Also tat ich. Ich kniete mich jeden Abend - oft war es Nacht - vor dem Tabernakel hin und las dem Herrn alle Namen der Schüler vor. Ich bat Ihn aus ganzem Herzen, Er möge jeden einzelnen segnen und in Sein Herz einschließen. (Das habe ich wohlgemerkt nicht getan, weil ich besonders fromm war, sondern weil ich der Verzweiflung nahe war!)

Und was geschah? Es kam so, wie mir mein evangelischer Mitbruder vorausgesagt hatte: “Du wirst den Kampf gewinnen."

Es entstand mit der Zeit ein so gutes und freundschaftliches Verhältnis zwischen den Schülern und mir, daß mich eines Tages die Hauptlehrerin dieser Klasse zu einem Abendessen einlud und fragte: “Was hast Du mit meinen Schülern gemacht? Du hast sie alle bekehrt. Glaub' mir, ich war oft daran davonzulaufen, den Beruf an den Nagel zu hängen. Aber jetzt ist es die beste Klasse, die ich seit Jahren hatte."

Das alles war Gnade, alles Geschenk vom Himmel!

Man muß es selbst erlebt haben, muß diese Erfahrung am eigenen (zitternden!) Leibe gemacht haben. Jeder kann dieses Experiment selber machen, jeder Lehrer, jede Lehrerin, jeder Jugendarbeiter, jeder Vater, jede Mutter. Solange jemand diese Erfahrung nicht gemacht hat, weiß er nicht, wovon ich rede. Er wird als “aufgeklärter Geist" über solche Dinge lächeln.

Mich aber hat diese Erfahrung so tief geprägt, daß mir von da ab der Glaube an die Macht des Gebetes keinen Augenblick mehr abhanden gekommen ist. Und mir wurde zum erstenmal fast handgreiflich bewußt, was Paulus meint: “Wir haben nicht gegen Menschen aus Fleisch und Blut zu kämpfen, sondern gegen die Fürsten und Gewalten, gegen die Beherrscher dieser finsteren Welt, gegen die bösen Geister des himmlischen Bereiches." (Eph 6,12)

Urs Keusch

Der Autor ist Priester und wohnt in der Schweiz.

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