VISION 20001/2014
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Was 2000 Jahre galt, kann nicht heute falsch werden

Artikel drucken (Kardinal Walter Brandmüller)

Alles, was wir so Kirche nennen, ist im Laufe der Geschichte entstanden, gegründet worden. Die eine heilige katholische Kirche hingegen hat ihren Ursprung im Abendmahlsaal zu Jerusalem, wo am Gründonnerstag und am Pfingstfest des Jahres 30 die Apostel versammelt waren. Dort und damals hat Christus ihnen – und niemand anderem sonst – die gewaltigen Vollmachten übertragen, die sie befähigten, Sein Erlösungswerk fortzusetzen, bis Er am Jüngsten Tag wiederkommt.
Weil also alle Völker aller Zeiten so erlöst und geheiligt werden sollten, darum mussten die Sendung und die geistliche Gewalt der Apostel an die kommenden Generationen weitergegeben, überliefert werden. Überlieferung – „traditio“ ist darum das Wesenselement der Kirche. Darum sagt der hl. Paulus: „Ich habe vom Herrn empfangen, was ich euch überliefert habe.“ Im Abendmahlsaal liegt der Anfang jener geheimnisvollen Kette von Handauflegungen, durch die jene heiligen Gewalten von einer Generation zur anderen überliefert werden, wenn ein Bischof einen Kandidaten zum Priester oder Bischof weiht. Da geschieht dann „Überlieferung – Tradition“, und nur dadurch wurde und bleibt die Kirche die eine heilige und apostolische Kirche Jesu Christi.
Was aber ist es, das auf diese Weise von den Aposteln her überliefert wird? Da geht es zunächst um die Lehre des Glaubens. Von der ersten Generation von Christen heißt es in der Apostelgeschichte: „An jenem Tage wurden ihrer Gemeinschaft etwa 4.000 Menschen hinzugefügt. Sie hielten fest an der Lehre der Apostel ...“ (Apg 2,41 f.). Die Lehre der Apostel, die Wort und Taten Jesu getreulich bewahrten und verkündeten, ist es in der Tat worauf die Kirche steht.
Daran festzuhalten ist lebensnotwendig für jede Generation von Gläubigen, denn was Jesus Christus uns von Gott geoffenbart und den Aposteln zur Weitergabe aufgetragen hat, das gilt für alle Völker und Zeiten. „Himmel und Erde werden vergehen – aber meine Worte werden nicht vergehen.“ An dieser Lehre der Apostel gilt es also unerschütterlich festzuhalten.
Aber – bedeutet das nicht Erstarrung, Stillstand? Muss die Kirche nicht mit der Zeit gehen, wenn sie nicht untergehen soll? Wollen wir wirklich zu den Ewig-Gestrigen gehören?
Natürlich ist es wahr: Neue Zeiten stellen neue Fragen. Alle Probleme, die mit Bioethik, mit Ökologie, mit Globalisation usw. zu tun haben, verlangen nach Lösungen. Und: im Neuen Testament kommt kein Wort davon vor. Was also tun? Es gilt, die neuen Fragen im Lichte der ewigen Wahr­heit zu betrachten, und Gottes Geist, der die Kirche – wie der Heiland versprochen hat – in alle Wahrheit einführen wird, weist den Hirten die rechten Wege. Dann kann und wird keine der neuen Antworten dem, was die Kirche seit Aposteltagen glaubt, widersprechen. Es kann ja niemals sein, dass eine Lehre, die seit 2000 Jahren wahr ist, heute falsch wird, und ein Jahrhunderte alter Irrtum morgen wahr werden könnte. Vom Gestern zum Heute gibt es Entfaltung, Klärung, niemals aber Widerspruch.
Kardinal Walter Brandmüller


Auszug aus der Predigt von Kardinal Walter Brandmüller zur Feier des Patroziniums in St. Jakob in Windischgarsten zitiert in „Lebendige Pfarre“, Dez. 2013

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