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Chinas Christen – seit Jahren systematisch unterdrückt

Artikel drucken Religion soll sich an die chinesisch-kommunistische Ideologie anpassen (Herbert Rechberger)
    
 Kardinal Joseph Zen (links), Em. 
 Erzbischof von Hongkong, 25.11.22.
 

In den letzten Jahren hat China die Religionsfreiheit massiv eingeschränkt und die religiösen Gemeinschaften an die Kandare genommen, insbesondere auch die Katholische Kirche. Im Folgenden ein Überblick über die entsprechenden Regelungen.
Am 1. Februar 2018 traten neue „Vorschriften für religiöse Angelegenheiten“ in Kraft, die gegenüber der bisherigen Fassung aus dem Jahr 2005 noch restriktiver sind. So dürfen sich Gläubige beispielsweise nur noch an zugelassenen Orten versammeln und insgesamt „wird die Kontrolle über religiöse Aktivitäten weiter verschärft“. Auf diese Weise soll sichergestellt werden, dass „Religionsgemeinschaften, religiöse Schulen, Orte der Religionsausübung und religiöse Angelegenheiten nicht von ausländischen Kräften kontrolliert“ werden. Zudem legen die neuen Vorschriften fest, dass Religion die nationale Sicherheit nicht gefährden darf.  
Seit März 2018 ist anstelle des Staatlichen Amtes für Religiöse Angelegenheiten die Abteilung für Arbeit der Einheitsfront, ein Organ der Kommunistischen Partei Chinas (KPCh), für religiöse Angelegenheiten zuständig. Seitdem unterstehen religiöse Angelegenheiten unmittelbar der Kontrolle der KPCh. Und im April 2018 gab die chinesische Regierung ein neues Weißbuch mit dem Titel Chinas Politik und Maßnahmen zum Schutz der Religionsfreiheit heraus. Demnach wird religiösen Organisationen eine „aktive Begleitung“ gewährt, um ihnen die „Anpassung an die sozialistische Gesellschaft“ zu erleichtern. Ausländer dürfen an religiösen Aktivitäten nur teilnehmen, wenn sie „autorisiert“ sind.
Artikel 27 des chinesischen Gesetzes über die Nationale Sicherheit betrifft auch die Religions- und Glaubensfreiheit. Das Gesetz wurde vom ehemaligen Hohen Kommissar der Vereinten Nationen für Menschenrechte, Seid al-Hussein, wegen seines „außerordentlich umfassenden Geltungsbereichs“ und der vagen Formulierungen kritisiert, die „weiteren Beschränkungen der Rechte und Freiheiten der Bürger Chinas und einer noch strengeren Kontrolle der Zivilgesellschaft Tür und Tor öffnen“.
Andere Bestimmungen, die Auswirkungen auf die Religions- und Glaubensfreiheit haben können, sind u. a. das „Dokument Nr. 9“ (oder: „Kommuniqué über den gegenwärtigen Stand der ideologischen Sphäre“),  das vom Zentralkomitee der KPCh im April 2013 intern herausgegeben wurde, sowie ein neues Gesetz über ausländische Nichtregierungsorganisationen, das 2016 verabschiedet wurde. Im Dokument Nr. 9 wird erläutert, dass „westliche“ Werte sowie die konstitutionelle Demokratie und die freien Medien nach westlichem Vorbild im Widerspruch zu den Werten der KPCh stehen. Des Weiteren seien Petitionen oder Aufrufe zum Schutz der Menschenrechte das Werk „westlicher antichinesischer Mächte“.
Im April 2016 hielt Staatspräsident Xi Jinping mit hochrangigen Vertretern der KPCh eine Konferenz zum Thema Religion ab. In seiner Ansprache sagte er, dass sich Religionsgemeinschaften „an die Führung der Kommunistischen Partei Chinas halten“ müssten. Ferner müssten Parteimitglieder „unnachgiebige marxistische Atheisten“ sein, die „entschlossen Vorkehrungen treffen gegen Unterwanderungen aus dem Ausland mit religiösen Mitteln“.
Der Direktor der Staatlichen Verwaltung für religiöse Angelegenheiten Chinas erklärte auf einem Seminar, dass die Sinisierung des Christentums zum Thema hatte, dass die chinesische christliche Theologie mit dem Weg des Landes zum Sozialismus vereinbar sein sollte.
Im September 2018 trafen der Vatikan und China ein vorläufiges Abkommen über die Ernennung von Bischöfen, das zunächst zwei Jahre gültig war. Da es sich um ein vorläufiges Abkommen und nicht um einen formellen Vertrag handelt, ist der Text geheim. Man geht jedoch davon aus, dass es der chinesischen Regierung das Recht einräumt, Kandidaten für die Ernennung zu Bischöfen zu empfehlen, die dann vom Vatikan bestätigt werden. Seither wurde das chinesisch-vatikanische Abkommen zweimal verlängert.  
Der Vatikan hat erstmals eine unerlaubte Bischofsernennung in China scharf kritisiert. Mit „Erstaunen und Bedauern“ habe der Heilige Stuhl die Nachricht von der „Einsetzungszeremonie“ von Bischof John Peng Weizhao von Yujiang als „Weihbischof von Jiangxi“ zur Kenntnis genommen, hieß es in einer Mitteilung vom Vatikan am Samstag. Diese sei keine vom Heiligen Stuhl anerkannte Diözese. Zum ersten Mal prangert der Vatikan in dieser Weise eine Verletzung der 2018 geschlossenen Vereinbarung an.
In China ist die Religionsfreiheit aktuell den gravierendsten Einschnitten seit der Kulturrevolution ausgesetzt. Im Sinne der Schaffung eines Überwachungsstaats wird die Politikgestaltung zunehmend zentralisiert, die Unterdrückung intensiver und großflächiger und die Technologie ausgefeilter. Unter der derzeitigen Führung von Xi Jinping werden die Perspektiven für die Religionsfreiheit – und für die Menschenrechte im weiteren Sinne – immer düsterer.
Da keine wesentliche politische Liberalisierung in Sicht ist, ist davon auszugehen, dass Unterdrückung und Verfolgung sich fortsetzen und durch den Einsatz moderner Technologie künftig sogar noch stärker um sich greifen und das Leben der Menschen bestimmen werden.

Der Autor ist Nationaldirektor von Kirche in Not- Österreich.

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