VISION 20003/2021
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Der Corona- Priester

Artikel drucken Tagebuch eines Krankenhausseelsorgers (Christian Dick)

Wie sieht der Alltag eines Priesters aus, der im Krankenhaus täglich todkranken Men­schen von Angesicht zu Angesicht begegnet? Dies ist in nor­ma­len Zeiten eine Aufgabe, die an die Substanz geht. Aber noch einmal schwerer war diese Auf­gabe wegen der erschwerten Umstände der Corona Pandemie.

Und wie unermesslich schwierig mag diese Aufgabe für einen Priester in einem Land sein, in dem während der ersten Corona-Welle, von März bis Mai 2020, 45.684 Menschen an Corona gestorben sind? Bei diesem Land handelt es sich um Spanien. Genau dies schildert nun der spanische Priester Ignacio Carbajosa in dem von ihm geschriebenen Buch Der Corona-Priester.
Der Autor, Priester der Diözese Madrid, ist eigentlich nicht hauptberuflich Krankenhaus-Seelsorger, sondern vielmehr Professor für Altes Testament an der Kirchlichen Universität San Dámaso. Vom 2. April bis 8. Mai 2020 war der heute 54Jährige als Krankenhaus-Seelsorger im Franziskushospital in Madrid eingesetzt, ging zu den Corona-Infizierten, die oft nicht mehr lange zu leben hatten und auf Grund der strengen Corona-Regelungen von ihren Angehörigen nicht besucht werden durften.
Als er am 2. April seinen Dienst in diesem Krankenhaus antrat, hatte die erste Corona-Welle in Spanien gerade ihren Zenit erreicht. In dieser Situation, in der selbst ein Priester an seine Grenzen kommt, hilft nur ein starker, felsenfester und unerschütterlicher Glaube an Gott und daran, dass jeder Mensch ein Kind Got­tes und im Schoß Marien aufgehoben ist und dass jedem Menschen, ebenso wie Jesus, die Auferstehung verheißen ist. Genau hierüber hat Ignacio Carbajosa ein Tagebuch geschrieben, das sich überaus fesselnd liest und zeigt, wie man sich in einer solchen Situation damit auseinandersetzt, was wohl in den Köpfen all dieser todkranken Menschen in einer solchen Situation vorgeht.
Der Autor spricht die Sinnfrage und die Frage nach dem eigenen Ich an und schreibt, dass der Mensch im Grunde genommen immer abhängig und keineswegs autonom ist, was er in gesunden Zeiten gerne vorgibt, zu sein.
Dieses Buch, das Tag für Tag nach einem anstrengenden pries­terlichen Einsatz bei schwerstkranken Covid-19-Patienten im Krankenhaus geschrieben wurde, lenkt den Blick auf das Empfinden und die Angst zahlloser Menschen, die vor dem Angesicht des Todes sind.
Mit außerordentlich großer Empathie, aber trotzdem mit Besonnenheit und in der Hoffnung auf ein Licht am Ende des Tunnels in einer so erschütternden Lage, berichtet der Autor über das Leid einer extrem hohen Zahl von Patienten während des ersten Lockdowns in Spanien.
Das Buch enthält extrem zu Herzen gehende und ergreifende Texte über Menschen, die, ohne dass ihre Angehörigen bei ihnen sein dürfen, vielfach die Qualen und Schmerzen ihres zu Ende gehenden Lebens bestehen müssen. Mit diesen betet Ignacio Carbajosa, er versucht selbst Menschen beizustehen, die der Kirche fernstehen, er betet mit den Menschen den Rosenkranz oder erteilt ihnen die Absolution ihrer Sünden.
Unter den Patienten trifft er im Krankenhaus auch auf Priester, die sich mit dem Corona-Virus infiziert haben. All diesen Menschen ist nach Aussage des Autors gemeinsam, dass sie wieder so hilfesuchend und schutzsuchend werden wie Kinder, in Windeln, an ihre Betten festgebunden und ähnliches mehr, was zeigt, dass der Mensch eigentlich klein ist und sich niemals über seine Mitmenschen erheben sollte.
„Ich durfte ein privilegierter Zeuge des Lebens und Sterbens so vieler Menschen sein, die sich mir in ihrer allerhöchsten Würde und in ihrer allzu erschreckenden Gebrechlichkeit zeigten (...) Ich habe Menschliches und Göttliches gesehen. Nicht nur gesehen, ich bin nicht bloß Zeuge gewesen. Was ich gesehen habe, hat in mir gerungen. Es hat mich verletzt. Und es hat in mir einen Dialog mit dem Geheimnis Gottes ausgelöst, der sich durchaus als Duell bezeichnen lässt, gewiss dem beziehungsreichen Kampf vergleichbar, den Ijob in der Bibel mit Jahwe ausfocht. Diese Tage haben mich verändert,“ so der Pries­ter und Autor Ignacio Carbajosa selbst.

Der Corona-Priester – Tagebuch eines Krankenhausseelsorgers. Von Ignacio Carbajosa Fe Medienverlags GmbH, 135 Seiten, 6,95 €

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