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Botschaft an uns

Artikel drucken Der selige István Sándor (Von Elmar Lübbers-Paal)

Abgrundtiefer Hass auf den Glauben war der Grund für die Hinrichtung eines Laienbruders der Salesianischen Familie. Nach dem Ende des Kommunismus in Ungarn, konnte offen über das Lebensopfer Stefan (ungarisch: István) Sándors gesprochen werden. Auch seine Verehrung als Vorbild wurde damit öffentlich.

   
István Sándor  

Nachdem Papst Franziskus sein Martyrium am 27. März 2013 per Dekret anerkannte, erfolgte seine Seligsprechung nur knapp sieben Monate später, am 19. Oktober 2013. So begehen wir in diesem Jahr sowohl den 70. Jahrestag seines Martyriums als auch den zehnten Jahrestag seiner Seligsprechung. Gedenktage, die uns auf sein Leben schauen lassen:
Am 26. Oktober 1914 erblickt Stefan als erster von drei Söhnen des Ehepaares Stefan Sándor und Maria Fekete in Szolnok, einer an der Theiß in Ungarn gelegenen Stadt, das Licht der Welt. Stefans Vater ist Arbeiter bei der staatlichen Eisenbahn, und die Mutter wirkt als Hausfrau.
Das fromme Vorbild der Eltern hinterlässt einen tiefen Eindruck auf die Kinder und verankert sich so fest in den Kinderseelen, dass er selbst späteren Anfeindungen standhalten sollte.
Das Leben in einer solch armen Arbeiterfamilie ist von so manchen Entbehrungen bestimmt. Trotz allem ermöglichen die Eltern ihren Kindern eine gute Schulbildung, die bei Stefan 1931 in einer erfolgreich abgeschlossenen Ausbildung zum Dreher und Kupfergießer mündet. Bei seinen Brüdern und im Freundeskreis genießt er durch seine freundliche Grundhaltung und Vorbildlichkeit großes Ansehen.
Sein beispielhaftes Gebetsleben vermittelt er auch seinen Geschwistern. Täglich besucht der Junge die Heilige Messe bei den Franziskanern und kommuniziert ebenso häufig. Der heilige Glaube ist das Grundgerüst seines Lebens. Nichts zieht er ihm vor.
Durch die Lektüre des Magazins der Salesianer Bollettino Salesiano wird er auf die missionarische Ausrichtung der Salesianer und das spirituelle Leben des heiligen Don Bosco aufmerksam. Die im Heft erwähnten Ausführungen über das Leben als Mitglied der Salesianer-Familie in der Jugendarbeit rufen in ihm den Wunsch hervor, bald schon dem Orden als Laienbruder anzugehören.
Die Eltern sind von der Idee des Ordenseinritts ganz und gar nicht begeistert und versuchen, ihm andere Lebenswege aufzuzeigen, doch sein Entschluss festigt sich dadurch nur noch mehr.
Für das zweijährige Postulat wird Stefan im Clarisseum (Berufsschule der Salesianer Don Boscos in Budapest) aufgenommen, wo er eine Ausbildung zum Drucker in der eigenen Druckerei „Don Bosco“ absolviert.
Diese Zeit wird jedoch durch seine Einberufung zum Militär unterbrochen. Nachdem er 1939 sein Noviziat weiterführt, legt Stefan am 8. September 1940 die erste Profess als Salesianerbruder ab. Ehrenamtlich wirkt er sowohl in der Jugendarbeit der Ordensgemeinschaft als auch in der Messdienerarbeit.
Durch seine herausragende Erfahrung im erzieherischen Umgang mit Jugendlichen darf er als Gruppenführer tätig werden. Die Mitglieder seiner Gruppe, die immer als die vorbildlichsten wahrgenommen werden, bescheinigen ihm später, ein großartiger Erzieher gewesen zu sein.
Auch Ungarn wird nicht vom Zweiten Weltkrieg verschont. So wird Stefan vom Militär als Funker für den Nachrichtendienst im Süden Ungarns eingesetzt. Weitere Einsatzgebiete sind für den Laienbruder Ober­ungarn und Siebenbürgen, bevor er nach Russland abkommandiert wird. Für den tapferen Einsatz an der Front erhält er Auszeichnungen.
Mit der militärischen Niederlage Ungarns folgt Stefans Versetzung nach Deutschland, wo er 1944 in amerikanische Kriegs­gefangenschaft gerät. Nach der Freilassung kehrt er in seine Heimat zurück und engagiert sich wieder in der Jugendarbeit im Clarisseum.
Es ist der 24. Juli 1946, als Stefan seine „Ewige Profess“ ablegt und sich damit lebenslang an den Orden bindet. In der ordenseigenen Druckerei vollendet er seine Meisterprüfung als Drucker. Neben der Jugendarbeit, dem nach wie vor sein Hauptaugenmerk gilt, übernimmt der Salesianer auch den anspruchsvollen Dienst als Sakristan.
Obwohl das Innenministerium die Vereinsarbeit für den „Verein der Jungen Katholischen Arbeiter“ (KIOE) verbietet, fährt Stefan mit seinem Engagement für die jungen Menschen fort.
1949 erfolgt unter dem Stalinisten Mátyas Rákosi die kommunistische Machtergreifung, mit der eine Welle Beschlagnahme von kirchlichen Gütern einhergeht. Die katholische Kirche ist der erklärte Feind des Kommunismus und wird brutal enteignet und verfolgt. Viele Ordensleute werden gezwungen, ihre Tätigkeit einzustellen und in den Untergrund zu gehen. Ihr seeleneifriges Wirken wird verboten. Dies schreckt Stefan jedoch nicht davon ab, sich mit seinen Jugendlichen in Privat­räumen zu treffen und sie in religiösen Dingen weiter zu unterrichten.
Insgeheim erfährt die politische Polizei von Stefans unerlaubter Tätigkeit und lässt ihn vor seiner Verhaftung ausführlich beschatten. Selbst nach einer Warnung mit der Aufforderung, sofort ins Ausland zu fliehen, um einer möglichen Verfolgung zu entkommen, entschließt sich der Ordensbruder, seine Jugendlichen nicht im Stich zu lassen und in Ungarn zu bleiben.
Auf seiner damaligen Arbeitsstelle, in der Persil-Waschmittel-Fabrik in Budapest, setzt er sein Apostolat fort. Er ist sich bewusst, dass dies strengstens verboten ist. Doch wenn es um den Glauben geht, kann er als entschiedener Christ nicht schweigen. Unter dem Decknamen Stefan Kiss fühlt er sich berufen, von der Liebe Christi Zeugnis abzulegen, sei es gelegen oder ungelegen.
An seinem Arbeitsplatz wird unser Held am 28. Juli 1952 verhaftet unter dem Vorwurf, „Aufwiegelung gegen den Parteivorsitzenden“ zu betreiben. Wahrer Grund ist wohl, dass inzwischen bekannt geworden ist, dass er weiterhin Kontakt zu einem Jugendlichen aus früherer Zeit hat, der aber inzwischen Mitglied der Parteigarde ist.
Stefan wird zunächst unter Misshandlungen und Folter im Gefängnis inhaftiert, bis ihm – zusammen mit 15 weiteren Personen – der Prozess gemacht wird. Unter ihnen sind vier Salesianer Don Boscos. Die jüngste Angeklagte ist eine 15-jährige Schülerin eines Gymnasiums.
In der geheimen Militärgerichtssitzung am 30. Oktober 1952, die nach drei Tagen endet, werden Stefan und drei weitere Personen zum Tod durch den Strang verurteilt. Stefans eingereichtes Gnadengesuch wird mit Datum vom 12. März 1953 abgelehnt. Das Todesurteil wird in einem Militärfahrzeug, bei laufendem Motor, damit man eventuelle Schreie nicht hören kann, vollstreckt. Es ist der 8. Juni 1953. So stirbt Stefan Sándor, der die Frage, warum er denn so viel arbeite mit den Worten: „Ohne Arbeit kein ewiges Leben“ beantwortete.
Erst zwei Jahre nach Stefans Hinrichtung wird sein Vater über den Tod seines Sohnes informiert. Es wird ihm mitgeteilt, dass sein Sohn wegen „undemokratischer Aufwiegelung“ hingerichtet worden sei.
Es dauerte bis 1994, bis das Todesurteil gegen Stefan Sándor  durch ein Budapester Gericht  aufgehoben wird.

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