VISION 20005/2023
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Lebt nicht mit der Lüge!

Artikel drucken Aufruf zum Widerstand gegen den aufkeimenden Totalitarismus (Christof Gaspari)
   
   

Knapp bevor er aus der Sowjetunion ausgewiesen wurde, richtete Alexander Solschenizyn eine Botschaft an das russische Volk mit dem Titel: „Lebt nicht mit der Lüge!“ Diesen Appell greift Rod Dreher nun in seinem neuen Buch auf und richtet ihn an seine Mitbürger hier im Westen.
Wie kommt er dazu, uns das zuzurufen? Schließlich leben wir hier doch in demokratischen Staaten. Darf da nicht jeder sagen, was er will? Schreibt man uns etwa vor, was wir zu denken oder wie wir uns zu verhalten haben? Sind wir nicht freie Bürger, die ihre politischen Vertreter in freien Wahlen bestimmen können? Im Prinzip stimmt das alles. Aber wer genauer hinsieht, merkt, dass schon seit längerem ein totalitärer Geist diese Errungenschaften unterwandert.
Rod Drehers Diagnose: „Diese spirituelle Macht nimmt eine konkrete Form in staatlichen und privaten Institutionen an, in Unternehmen, in der akademischen Welt, in den Medien und auch in den sich verändernden Praktiken des amerikanischen Alltagslebens.“ Und das gilt nicht nur für die Vereinigten Staaten, ist zu ergänzen. Man denke nur an die aufgedrängte Art der Rede: Studierende statt Studenten, Leser*innen, Mitarbeiter (m,w,d)… Ein richtiges „Neusprech“ à la Orwell breitet sich aus. Und wie viele machen da mit – ja, müssen mitmachen, etwa im universitären Bereich!
Wir seien mit einer sanften Form des Totalitarismus konfrontiert, diagnostiziert der Autor und beschreibt diesen im ersten Teil seines Buches. Auf diese Entwicklung hätten ihn vor allem Menschen aufmerksam gemacht, die selbst in kommunistischen Staaten gelebt haben und dann in den Westen ausgewandert sind. Sie hätten ein besseres Sensorium für die Bedrohung.
„Der sanfte Totalitarismus nutzt die Präferenz des dekadenten modernen Menschen für persönliches Vergnügen und Wohlbefinden gegenüber Prinzipien einschließlich der politischen Freiheiten,“ hält Dreher fest. Sein Anliegen: Die Augen zu öffnen für diese Entwicklungen. Und er nennt einige Merkmale von gesellschaftlichen Entwicklungen, die den Boden für diesen Totalitarismus bereiten: Einsamkeit und soziale Atomisierung, schwindendes Vertrauen in Institutionen und Hierarchien, die Lust an der Übertretung und Zerstörung, Propaganda und Bereitschaft, nützliche Lügen zu glauben…
Die Welt stehe im Zeichen einer Fortschrittsreligion, die immer stärker vom „woken“ Gedankengut, also der Sonderbehandlung von „benachteiligten“ Minderheiten (LGBT, Farbige, Migranten…,) geprägt wird. Auf diesen Zug sind insbesondere die großen multinationalen Megakonzerne aufgesprungen. „Die bereitwillige Annahme des aggressiven sozialen Progressivismus durch die Großunternehmen ist eine der meistunterschätzten Entwicklungen der letzten zwei Jahrzehnte,“ so Dreher. Vor allem den Christen müsse dies bewusst werden, denn sie seien die ersten, die ins Visier des um sich greifenden Totalitarismus geraten würden. Auch das sei eine Erkenntnis aus der Ära des Kommunismus.
Im zweiten Teil mit dem Titel: „Wie man in der Wahrheit lebt“ skizziert der Autor Ansätze, wie Christen in der heraufziehenden Bedrohung bestehen könnten. Da gilt es zunächst das Bewusstsein zu stärken, dass nichts wertvoller als die Wahrheit sei. Das erfordere allerdings die Bereitschaft zu einem Leben abseits des Mainstreams. Das wiederum werde nur gelingen, wo bewusst das Familienleben aus dem Glauben gepflegt wird. Familien können so zu „Zellen des Widerstands“ gegen den Zeitgeist werden. Dort wächst Zivilcourage heran ebenso wie die Kraft, auch Nachteile in Kauf zu nehmen um kostbarerer Güter willen. Kleine Gruppen, die aus dem Glauben leben, sind der Nährboden, die den Familien Rückhalt geben können.
All diese Empfehlungen bezieht Dreher aus den Erfahrungen vor allem der Christen, die sich in der kommunistischen Ära zu bewähren hatten. Mit vielen von ihnen – darunter auch Personen, die wir in Vision2000 als Portraits gebracht haben – hat er interessante Gespräche geführt. Sie sind ein wichtiger Bestandteil dieses lesenswerten Buches.
Wie schon Drehers erstes Buch, „Die Benedikt Option“ habe ich auch „Lebt nicht mit der Lüge!“ mit großem Gewinn zweimal gelesen. Es ist ein neuerlicher Appell, sich für eine radikale Christus-Nachfolge zu entscheiden, eine konkrete Ausfaltung der Klarstellung in seinem ersten Buch, die lautet: „Wie auch immer die Umstände sein mögen, ein Christ kann nicht in Treue leben, wenn Gott nur einen Teil seines Lebens ausmacht, ausgeklammert vom übrigen Leben. Letztendlich steht entweder Christus im Mittelpunkt unseres Lebens oder das Selbst und die Götzen, die es sich errichtet. Einen Kompromiss dazwischen gibt es nicht.“

Lebt nicht mit der Lüge! Von Rod Dreher. Media Maria, 272 Seiten, 23,50€. Siehe auch den Text S. 6-7.

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