VISION 20002/2002
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Der Friede hat einen Namen: Jesus Christus

Artikel drucken Religionsvermischung droht, wo der Glaube schwach wird (Von Urs Keusch)

Kritik am Assisi-Treffen: Es verwische das Profil unseres Glaubens. Das sei Religionsvermischung, um oberflächlicher Friedensrethorik willen. Im folgenden eine Auseinandersetzung mit dieser Kritik:

Wenn der Papst Vertreter der Weltreligionen nach Assisi einlädt, um miteinander “um das Geschenk des Friedens zu bitten und unsere gemeinsame Sehnsucht nach einer gerechteren und solidarischeren Welt zu bezeugen", dann hat das mit der 7. Seligpreisung zu tun: “Selig, die Frieden stiften, denn sie werden Söhne Gottes genannt werden" (Mt 5,9). Die Welt soll endgültig wissen, daß im Namen der Religion niemals Krieg geführt oder ein Terrorakt verübt werden darf. Dieses Zeichen ist gesetzt. Dieses Bekenntnis ist von aller Welt gehört worden.

Doch bei solchen Veranstaltungen ist immer wieder von der Gefahr des Synkretismus die Rede, der Gefahr der Vermischung der Religionen. Dagegen hat sich der Papst mehrmals ausgesprochen. Trotzdem glauben viele, darin einen Schritt in Richtung “Einheitsreligion" zu sehen. Wieder andere sagen in ihrer gewohnten Oberflächlichkeit: “Wir haben ja alle den gleichen Gott."

In der Tat: Seit der Aufklärung ist die Tendenz offensichtlich, den Wahrheitsanspruch des Christentums zu relativieren und die Religionen als Sache des Gefühls und des Geschmacks einander gleichzustellen. “Dies ist die Lehre, die Tag für Tag an Einfluß und Macht gewinnt", sagte John Henry Newman 1879 bei seiner Erhebung zum Kardinal in Rom.

Mit der “Leben-Jesu-Forschung" setzte ab dem 19. Jahrhundert eine Aufweichung und Auflösung des Geheimnisses der Menschwerdung Gottes in Jesus Christus ein. Wo aber der Glaube verblaßt, daß in Jesus Christus Gott Mensch geworden ist und mit Seiner Auferstehung den Tod überwunden hat, dort geht dem Glaubenden das Licht aus, verwischen sich die Konturen. Dort ist die breite Straße zur “Einheitsreligion" freigegeben.

Wer ist Jesus Christus? Er ist nicht das, was ein paar Philosophen und Theologieprofessoren über Ihn sagen. Er ist der, den die Apostel verkünden. Er ist der, den die Heilige Schrift lehrt. Er ist der, den die Kirche seit den Aposteln bis auf den heutigen Tag unverändert verkündet.

Gerade auf dem Hintergrund einer schleichenden Vernebelung von Botschaft und Verkündigung der Kirche ist das Apostolische Schreiben “Dominus Jesus" zu verstehen, zu würdigen und immer wieder zu lesen.

Anläßlich der Bischofssynode in Rom im Oktober 2001 hat eine Stimme von seiten der Synodenväter nachhaltigen Applaus gefunden, die des Präfekten der Kongregation für die Glaubenslehre, Kardinal Joseph Ratzinger. Er sagt: “Die Hoffnung hat ein Gesicht und einen Namen: Jesus Christus, der Gott-mit-uns. Eine Welt ohne Gott ist eine Welt ohne Hoffnung. Der Hoffnung dienen, heißt Gott mit einem menschlichen Antlitz, mit dem Antlitz Christi, verkünden. Die Welt dürstet nicht nach unseren kirchlichen Problemen, sondern nach dem Feuer, das Jesus auf die Erde gebracht hat. Nur wenn wir Zeitgenossen Christi geworden sind und Sein Feuer in uns entfacht ist, berührt das Evangelium auch die Herzen unserer Zeitgenossen... Ein ,reduzierter' Jesus kann nicht der einzige Erlöser und Mittler, der Gott-mit-uns sein: auf diese Weise wird Jesus durch eine Idee von ,Werten des Reiches' ersetzt und zu einer leeren Hoffnung. Wir müssen mit Entschiedenheit zum Jesus der Evangelien zurückkehren, weil Er allein auch der historische Jesus ist..."

Wir müssen mit Entschiedenheit zum Jesus der Evangelien zurückkehren! Das ist auch meine Überzeugung. Die volkskirchliche Gläubigkeit ist auf weiten Strecken so hauchdünn geworden, daß von ihr keine schöpferischen Impulse mehr ausgehen. Der im Heiligen Geist gegenwärtige Christus wird kaum mehr erfahren. Die Gemeinden bleiben unbewegt.

Ich sehe für die Zukunft der Kirche am Ort die dringlichste Notwendigkeit in einer ganz neuen Hinwendung zu den Evangelien und dem Wort Gottes allgemein. Dafür kann nicht genug Zeit und Raum erkämpft werden. Wo zwei oder drei oder mehr das Wort Gottes zusammen im Geiste der Kirche lesen und erfahren, dort geschieht immer Begegnung mit dem auferstandenen Herrn. Und darum geht es doch! Ein ganzes und langes Leben reicht nicht aus, um den Herrn kennenzulernen. Denn Christus ist Gott und Mensch.

Blaise Pascal hat es klar gesagt: “Christus wird für den Glaubenden immer ein Geheimnis sein." Es gibt für uns Menschen nie einen Punkt, wo wir sagen können: Ich kenne den Herrn. Darum werden wir uns ein Leben lang mit Ihm und seinem Wort beschäftigen müssen. Mit Christus in seinem Wort unterwegs sein ist das wunderbarste Abenteuer, zu dem wir Menschen eingeladen und berufen sind.

Die eigentliche Gefahr des Synkretismus, der Vermischung und Vernebelung der christlichen Religion, geht nicht von Treffen wie solchen in Assisi aus. Sie geht von uns Christen aus. Sie geht von der Lauheit aus, von der Unwissenheit, vom Salz, das schal geworden ist. “Wir müssen voller Schmerz mitansehen, wie ganze Welten, ganze Menschheiten nach und nach ohne Jesus leben und gedeihen" (Peguy).

Als Dostojewskij 1880 den Westen bereiste, schrieb er in sein Tagebuch: “Im Westen gibt es wahrlich kein Christentum mehr..." Auch Gandhi war vom Christentum zutiefst enttäuscht, als er ihm begegnete. Ein Hindu-Student, der um die Jahrhundertwende in Cambridge studierte und von Christus ergriffen war, berichtet: “Selbst einige meiner Professoren haben mir gesagt, sie glaubten nicht an eine besondere Religion, sondern hielten alle für gleich. Außerdem habe ich unter denen, die sich Christen nennen, einige getroffen, die haben die Axt an die Wurzel des Christentums geschlagen, das heißt sie haben die Gottheit Christi, die eigentliche Grundlage des Christentums, geleugnet."

Ein indischer Fürst, der Anfang des 20. Jahrhunderts die westlichen Länder bereiste, erzählt von sich: “Bevor ich die sogenannten christlichen Länder besuchte, ging es mir geistlich besser als jetzt. Ich war entsetzt, als ich dorthin kam und die Finsternis sah, die so nahe beim Licht liegt... Meine wirkliche Absicht, als ich dorthin ging, war diese: Ich wollte zu der alten Mutter Kirche gehen, ihre reine Milch trinken und ihre kräftigende Speise essen, damit ich nach meiner Rückkehr meine geistlichen und staatlichen Pflichten besser erfüllen könnte. Aber statt Milch gab man mir Likör, und statt Brot reichte man mir einen Stein, und als ich zurückkehrte, war ich schlechter als zuvor..."

Die Verdunstung des christlichen Glaubens ist nicht, wie viele meinen, ein plötzlich vor ein paar Jahrzehnten einsetzender Prozeß. Er hat vielmehr seine lange, schleichende, nagende, bohrende Geschichte (Nietzsche). Und dieser Auflösung in der eigenen Seele, in der Familie, in den Pfarrgemeinden kann nur entgegengewirkt werden in einer neuen, ja radikalen Hinwendung zu Jesus Christus, wie Er uns im Evangelium begegnet.

Wo das geschieht, ereignet sich “Auferstehung der Toten". Dort steht Christus in den Menschen auf. Dort wird etwas von Ihm sichtbar. Ich denke an Mutter Teresa: Wieviele Menschen haben in der Begegnung mit ihr Christus und somit den Frieden gefunden: Hindus, Moslems, Buddhisten und solche Christen, die Christus gar nicht kannten.

In einem ihrer Rundbriefe schrieb Mutter Teresa: “Ich habe eine Menge junger Menschen gesehen, die nach Kalkutta gekommen sind... Wir sehen die jungen Menschen kommen aus allen Teilen der Welt, um den Hinduismus zu erfahren, und oft sind sie darin gefangen. Wenn sie zu uns zurückkommen, frage ich sie: ,Ist Jesus nicht genug für Sie?' Sie antworten: ,Niemand gab uns bisher Jesus auf diese Weise'."

Die Hoffnung hat ein Gesicht und einen Namen. Und auch der Friede, nach dem wir uns so sehnen, hat ein Gesicht und einen Namen: Jesus Christus, Jesus der Messias. Nach dieser Hoffnung und nach diesem Frieden strecken auch heute ungezählte Menschen voll Sehnsucht und Schmerz die Arme aus. Diese Menschen warten auf unser Zeugnis. Sie warten auf Menschen, die vom Feuer des Heiligen Geistes ergriffen sind.

Wir dürfen diesen Menschen unsere Hoffnung nicht vorenthalten. Was der indische Christus-Zeuge Sundhar Sing (1889-1929) erlebt hat, das möchten auch heute suchende Menschen erfahren.

Er erzählt von sich: “...Die Unruhe meines Herzens wurde immer größer. Ich fühlte mich zwei Tage lang sehr elend... Wenn es überhaupt einen Gott gäbe, so wolle er sich mir offenbaren. Ich war fest entschlossen, wenn das Gebet ohne Antwort bliebe, würde ich noch vor Tagesanbruch zur Eisenbahn hinuntergehen und meinen Kopf vor den einfahrenden Zug auf die Schienen legen. Ich blieb bis gegen halb vier Uhr im Gebet und erwartete Krishna oder Buddha oder irgendeinen anderen Avatara (Erscheinung) der Hindu-Religion zu sehen.

Sie erschienen nicht, dafür erstrahlte aber im Zimmer ein Licht. Ich öffnete die Türe, um zu sehen, woher es komme, aber draußen war alles dunkel. Ich ging wieder hinein, und das Licht wurde immer stärker und nahm die Gestalt einer Lichtkugel über dem Fußboden an.

In diesem Licht erschien nicht die Gestalt, die ich erwartet, sondern der lebendige Christus, den ich für tot gehalten hatte. Bis in alle Ewigkeit werde ich nie sein herrliches und liebendes Gesicht vergessen noch die wenigen Worte, die Er sprach: ,Warum verfolgst du Mich? Siehe, Ich bin am Kreuz für dich und für die ganze Welt gestorben.'

Diese Worte wurden wie mit einem Blitz in mein Herz gebrannt, und ich fiel vor Ihm zu Boden. Mein Herz war mit unaussprechlicher Freude und Frieden erfüllt, und mein ganzes Leben war vollständig verwandelt."

Der Autor ist Priester und wohnt in der Schweiz.

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