VISION 20002/2006
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Wir beten mit Dir, wir beten für Dich

Artikel drucken Gebet vor dem Allerheiligsten mit dem Handy in der Hand

Eine junge Frau ruft an: Sie hat unser Angebot in einer Zeitschrift entdeckt und möchte gleich davon Gebrauch machen. Sie steht vor wichtigen Entscheidungen, die sie im Gebet treffen will. Wir beten gemeinsam um Vertrauen in Gottes Führung.Von welchem Angebot ist die Rede? Von BetRuf.

Eine Gruppe von 20 Frauen und Männern, die an zwei Tagen der Woche mit dem Telefon in der Hand vor dem ausgesetzten Allerheiligsten in einer Ordenskapelle in Wien sitzen und Anrufe entgegennehmen. Den Anrufern bieten wir an, gemeinsam mit ihnen ihre Anliegen vor den Herrn zu tragen: gemeinsames Beten am Telefon. Am Telefon, weil wir so von überallher erreichbar sind und dem Anrufer die Möglichkeit geben, anonym zu bleiben.

Wer uns nicht direkt erreicht, kann sein Gebetsanliegen auf dem Anrufbeantworter hinterlassen oder eine E-Mail senden. Daß letzteres nicht gemeinsames Beten ausschließt, beweist folgende Mail: “Liebe BetRuf-Beter! Ihr macht das großartig! Zum Zeichen meiner Solidarität bete ich jetzt hic et nunc im e-Mail ein Vaterunser" (es folgt das ganze Gebet, ausgeschrieben). Unsere Antwort: “Ganz lieben Dank! Wir antworten von Herzen mit einem Ave Maria" (ausgeschrieben).

Wir selber bleiben anonym. Und - ganz wichtig - wir beraten nicht, wir beten. Wir tun das gemeinsam mit dem Anrufer (fast alle Anrufer nehmen dieses Angebot an) oder eben für ihn.

Angefangen haben wir am 1. Dezember 2004. Vorangegangen war ein halbes Jahr organisatorischer Vorbereitung, des Zusammenfindens, Zusammenbetens und Zusammenwachsens der Mitarbeitergruppe. Jeder von uns sitzt in seinem Dienst zwei Stunden vor dem Allerheiligsten. Wie erleben wir diese Zeit?

Wir stellen uns der Anwesenheit des heilenden Jesus und wissen uns in die Rolle derer versetzt, die im Evangelium einen Gelähmten zu Jesus bringen (Mk 2, 1-12). Von ihnen nennt der Evangelist keine Namen, aber er sagt: als Jesus ihren Glauben sah ...ihren Glauben (nicht den Glauben des Gelähmten, über den berichtet der Evangelist nichts), tut Jesus das Wunder. Ihr Glaube ist der Auslöser für die Heilung. Von hierher kommt die große und schöne Verantwortung, die jeder von uns spürt, wenn er in der Kapelle nach dem Telefon greift. Unser Glaube ist gefordert, jedesmal aufs Neue, wenn wir - bei all unserer Schwachheit - den Anrufer bei der Hand nehmen und zu Jesus bringen.

Wenn wir die Kapelle wieder verlassen, haben wir zwei heilige Stunden erlebt, Stunden des Urvertrauens und Du-Sagens, Stunden der Erschütterung und des gemeinsamen Betens, Stunden des Füreinanderdaseins und Dienens, Stunden auch des Dankens und Lobens.

Wer ruft bei uns an? Eltern bitten für ihre Kinder; Eheleute und Alleinstehende bringen ihre Sorgen; Gesunde und Kranke beten füreinander; für Operationen, Gerichtsverhandlungen, Prüfungen etc. werden Termine genannt, zu denen wir beten sollen; ein Pfarrer bittet um Gebet für seine Pfarrgemeinde und sich selber, eine Klosterschwester für eine betagte Mitschwester, die vom Orden weit über ihre Kräfte hinaus eingesetzt wird und nicht mehr kann, eine Ärztin für ihren krebskranken Bruder und ihre an Alzheimer leidende Mutter. Manche rufen unter Tränen an, manche mit dem Rosenkranz in der Hand, einer kniet spontan in seinem Wohnzimmer nieder, als er hört, daß wir vor dem Allerheiligsten knien.

Oft dürfen wir erfahren, daß der BetRuf und Mitarbeiter ins Beten der Anrufer genommen werden und wir sind dankbar dafür. Eine Frau segnet uns in der Früh jedes BetRuftages, sodaß wir, wenn wir um 11 Uhr beginnen, schon bereiteten Boden betreten. Und immer öfter auch kommt Dank. Eine Frau, die unter Schlaflosigkeit leidet, kann nach den BetRuftagen fast immer gut schlafen. Sie hat uns ein Altardeckerl gemalt. Eine Mutter dankt Gott voll Freude für die vollkommene Genesung ihres Sohnes und auch uns für unser Gebet. Sie läßt aus Dankbarkeit vor dem Haus ihres Sohnes ein Marterl errichten.

In unserer Anrufstatistik - im ersten Jahr wurden rund 1.700 Anliegen an uns herangetragen - nehmen Rückmeldungen über die Wirkungen des Gebetes bereits einen vorderen Platz ein, nur übertroffen von den Fürbitten für Familienangehörige, Freunde und Bekannte.

Großes Vertrauen in die Kraft des gemeinsamen Gebetes spricht sich aus, wenn etwa eine Mutter ihrer von Prüfungsangst befallenen Tochter rät: “Rufst halt beim Beten an!" Beim Beten anrufen, kann man es schöner sagen? Oft haben wir den Eindruck, für manche letzte Anlaufstelle zu sein. Da bittet ein Vater für seinen geistig leicht behinderten Sohn, der ein Spieler ist und jede Therapie verweigert. Er klagt, daß seine Gebete seit fünf Jahren nicht erhört worden sind.

Auch per E-Mail erreichen uns dringliche Gebetswünsche: “Bitte tragen Sie einen schwerkranken Priester vor das Allerheiligste. Er hatte vor einem Monat eine Operation, in deren Folge es zu Komplikationen kam. Nun ist er im Koma und wird laut ärztlicher Prognose schwerst behindert sein." Auf unsere Zusicherung, daß wir täglich für ihn beten werden, kommt die Antwort: “Es tut so gut, sich in der Not von vielen getragen zu wissen..."

Eine 50jährige Mutter von drei Kindern schließt ihre 39 Zeilen lange E-Mail mit den ergreifenden Worten: “Ob all des Gesagten bitte ich heute, liebe Brüder und Schwestern, um Ihr Gebet für mich. Mit dem Dank derer, die Sie eines Tages im Himmel wiederzusehen wünscht, verbleibe ich heute Ihre Schwester in Jesus Christus."

Auch zu netten Überraschungen kann es kommen, so z.B. wenn uns ein Mann auf dem Anrufbeantworter das Vaterunser vorsingt oder ein anderer uns per E-Mail einen musikalischen Weihnachtsgruß schickt.

Es hat sich gezeigt, daß der Bet-Ruf vor allem Menschen anspricht, die bisher schon Beter waren und die Möglichkeit des gemeinsamen Betens nützen. Das hat eine junge Frau aus Deutschland erkannt, als sie uns schrieb: “Als erstes möchte ich Euch ganz herzlich danken für Euer gemeinsames Beten. Ein Gebet, in der Gemeinschaft gesprochen, kann sehr viel bewirken - denn wo zwei oder drei in meinem Namen versammelt sind, da bin ich mitten unter ihnen (Mt 18,20)."

Wenn auch jeder Anruf etwas Eigenes darstellt (jeder Anruf ist eine “Weltpremiere", schärfte uns unser Supervisor ein), hat sich doch der Dreischritt Hören - auf den Altar legen - Beten als richtungsweisend gezeigt: das Anliegen mit dem Herzen hören - es auf den Altar legen (zusammenfassen und dem Herrn übergeben) - (gemeinsames) Beten. Was wird gebetet? Vorwiegend die Gebete, die jeder mitbeten kann: das Vaterunser, das Gegrüßet seist du, Maria, das Ehre sei dem Vater..., ein Gesätzchen Rosenkranz, ein Segensgebet, eine Liedstrophe..., darüber hinaus versprechen wir den Anrufern unser tägliches Gebet.

Im BetRufgespräch bleiben wir selber möglichst im Hintergrund, wir kommen nur insofern vor, als wir gemeinsam mit dem Anrufer Jesus bitten, als Dritter in unsere Mitte zu treten. Eine Anruferin drückte das so aus, nachdem sie um Gebet für ihren trunksüchtigen Mann ersucht hatte: “Ich spreche darüber zu niemandem, aber hier habe ich das Gefühl, dass ich es am Telefon direkt zu Jesus im Tabernakel sagen kann."

Viele von uns verfügen über ein Handy. Damit kann rasch Gebetshilfe organisiert werden. Im letzten Sommer saß ich in einem Cafe am Traunsee, als ich eine Kurzmitteilung erhielt: “J. liegt mit einem Milzriß auf der Intensivstation. Bitte betet!" Rasch konnten wir in Wien jemanden ansprechen, der das Anliegen zur Weitergabe übernahm und uns antwortete: “Bitte betet auch für F. Sie beginnt morgen mit ihrer Chemotherapie." Solcherart ist es möglich, ein Gebetsnetz zu knüpfen, dessen Maschen in Zukunft immer enger werden sollen und an dem wir nicht alleine knüpfen müssen.

D.G.

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