VISION 20005/2017
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Die Zukunft gehört Gott

Artikel drucken Einladung an die Christen, gläubig, froh und kinderfreudig zu leben (Von Erzbischof Charles J. Chaput)

Was tun wir also in dieser Situation? Wie können wir mitten in einer so veränderten neuen Kultur nach dem Evangelium leben? Als Amerikaner ist es uns in die Gene eingeschrieben, dass wir eine Strategie entwickeln wollen, wie wir die Kirche wieder ins Spiel bringen können. Allerdings sind Kulturen weder Unternehmen noch Mathematik-Aufgaben. Sie sind lebende Organismen. Da gibt es keine Patentlösungen für Probleme, die wir selbst uns bereitet haben. Und die Kultur, die wir jetzt haben, ist eine, die durch unsere Gelüste, Zerstreuungen und Kompromisse entstanden ist.

Der einzige Weg, neues Leben in eine Kultur zu bringen, besteht darin, unser Leben froh und fruchtbar zu leben, als Menschen getragen von Überzeugungen, die weit größer sind als wir und die wir mit Menschen teilen, die wir kennen und lieben. Es ist ein ganz einfacher und gleichzeitig schwieriger Weg. Aber er ist der einzige, um eine Revolution zu machen, die von Bedeutung ist.
Wenn mich junge Leute fragen, wie man die Welt ändern kann, sage ich ihnen: Liebt einander, heiratet, bleibt einander treu, bekommt viele Kinder und erzieht diese Kinder, damit sie Männer und Frauen mit christlicher Standfestigkeit werden. Der Glaube ist ein Samen. Er erblüht nicht über Nacht. Er braucht Zeit, Liebe und Anstrengung. Geld ist wichtig, aber es ist nie das Wichtigste. Die Zukunft gehört Menschen mit Kindern, nicht jenen mit Dingen. Die Dinge rosten und gehen kaputt. Aber jedes Kind ist ein Universum an Möglichkeiten, das in die Ewigkeit hinreicht. Es verbindet unsere Erinnerungen und unsere Hoffnungen zu einem Zeichen von Gottes Liebe über alle Generationen hinweg. Darauf kommt es an. Die Seele eines Kindes währt ewig.
Wer das Antlitz Europas in 100 Jahren sehen will – es sei denn es geschieht ein Wunder –, der soll in die Gesichter der jungen muslimischen Immigranten blicken. Der Islam hat Zukunft, weil er an den Wert der Kinder glaubt. Ohne transzendenten Glauben, der das Leben lebenswert macht, gibt es keinen Grund, Kinder zu bekommen. Und wo es keine Kinder gibt, da gibt es keine großen Perspektiven, keinen Grund, Opfer zu bringen, keine Zukunft. Zumindest sechs von Europas bedeutenden nationalen Führerpersönlichkeiten haben gar keine Kinder. Ihre Welt endet mit ihnen. Es fällt einem schwer, den Eindruck zu vermeiden, dass Europa schon tot oder zumindest sterbend ist, ohne dass es das merkt.
Wir hier, wir haben noch Zeit (…) Was können wir tun?
Die Hölle wurde in vielfältiger Weise beschrieben: als seelenlose Bürokratie, als feuriger Schmelzofen, als eisbedeckter See. Meiner Ansicht nach hat jedoch C.S. Lewis es in einem seiner Romane am besten getroffen, als er schrieb, dass die Hölle Lärm sei. Wenn das stimmt – und ich denke es trifft zu –, dann machen wir einen Großteil des modernen Lebens, das wir führen, höllisch, in dem wir es mit Streit, Verwirrung und Lärm erfüllen. Unsere täglichen Entscheidungen sind wie Bausteine eines Bauwerks des Himmels oder der Hölle, das wir für unser nächstes Leben errichten. Genau das werden wir nie begreifen, wenn wir nicht den Lärm abstellen, in den uns die Sorgen um und die Lust auf das Konsumieren einspinnen.
Stille ist das Wasser in der Wüste der modernen Begehrlichkeit. Gott sprach zu Elija nicht im eindrucksvollen Sturm, sondern mit zarter Stimme in der Stille. Wenn Kardinal Robert Sarah über die Macht der Stille schreibt – sein Buch Kraft der Stille ist übrigens großartig –, so erinnert er uns daran, dass Gott die Welt dadurch erneuert, dass Er zunächst jede einzelne kostbare, unsterbliche Person in der Stille ihrer Seele erneuert. Gott ist in der Welt ja keineswegs abwesend. Wir schaffen es aber, dass es unmöglich wird, Ihn zu hören. Daher ist es heute die erste Aufgabe im christlichen Leben abzuschalten, Räume der Stille freizuschaufeln, um auf Gottes Stimme zu hören, und für ein Gespräch, das wir Gebet nennen, Platz zu schaffen.
Wenn wir nicht beten, können wir Gott weder kennen noch lieben. (…) Wir können und sollten überall und immer beten. Aber an einem bestimmten Punkt des Tages anbetend niederzuknien, bringt zum Ausdruck, dass der Gott Israels jener ist, der die zahllosen Sterne gebildet hat. Es hilft, uns an das zu Ijob gesprochene Wort zu erinnern: „Wo warst du, als ich die Erde gegründet?“ (Ijob 38,3) Demut im Gebet ist ein Akt der Gerechtigkeit. Gottesfurcht – Respekt und Anbetung, die dem Schöpfer gebühren – ist der Beginn der Weisheit. Und Weisheit ist das Bezugssystem eines erfüllten menschlichen Lebens.
Wir müssen also Stille schaffen. Wir müssen beten. Und wir müssen lesen – insbesondere das Wort Gottes, aber auch Geschichtsbücher, Biographien und bedeutende Romane. Wenn wir nicht lesen, verurteilen wir uns zum Konsum der chronischen Dummheit und Manipulation der Massenmedien, die den Dingen, an die wir glauben, keine Sympathie entgegenbringen. Das Fernsehen ist kein Kanal für ernsthaftes Denken – meistens eher das Gegenteil. Und das Internet – trotz all seiner Vorteile – führt allzu oft in die Isolation. (…)
Auf den Punkt gebracht: Wenn wir unsere Köpfe mit Gift und Müll anfüllen, werden wir blöd und miss­mutig.
Schließlich sollten wir der Welt gegenüber skeptisch sein, obwohl wir uns mit unserem Glauben in ihr engagieren sollen. Das bedeutet, konsequent unser soziales Engagement voranzutreiben. Es ist ein lebenswichtiger Ausdruck der christlichen Caritas. Es bedeutet auch, sich politisch zu engagieren. Wir können zwar nicht den Himmel auf Erden bauen, aber wir können durch öffentliches Engagement diese Welt zumindest ein bisschen liebevoller, freier, dankbarer machen. (…)
Die Worte der Schrift erinnern uns daran, dass die Zukunft Gott gehört und dass wir dem Heiligen Geist vertrauen sollen, der uns in die Wahrheit führt. Wir müssen uns nicht vor der Zukunft fürchten. Wir müssen sie auch nicht vorzeitig kennen. Was wir aber sehr wohl brauchen: Vertrauen auf Gott und die Bereitschaft, unsere Herzen dem Vater, der uns liebt, zu schenken. Die Zukunft ist in Seinen Händen.

Auszüge aus seinem Vortrag „Whats Next: Catholics, America, and a World Made New“ am 27.7.17 am Napa Institute.

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