VISION 20003/2018
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Für eine Kultur der Väterlichkeit

Artikel drucken Bekenntnis zur wohlverstandenen Förderung der männlichen Charismen (Christof Gaspari)

Seit dem Aufkommen des Marxismus, also seit gut 150 Jahren, erleben wir in Europa eine Demontage des männlichen Leitbilds. Von Friedrich Engels stammt der Ausspruch, der Mann sei in der Familie der Bourgeois und die Frau das Proletariat. Und August Bebel erklärt uns, man müsse aus diesem Grund die Frau aufrüsten, damit sie „keinem Schein von Herrschaft und Ausbeutung mehr unterworfen“ sei und „Herrin ihrer Geschicke“ werde.

Gleich vorweg sei festgehalten: Tatsächlich gab es einiges an der miss­bräuchlichen Dominanz des Mannes zu kritisieren. Und Gott sei Dank gab es auch notwendige Korrekturen: beim Wahlrecht, im Bereich der Bildung, in der Abwendung von überzogenen Rollenklischees… Aber damit war es nicht getan. Die Gesellschaftsveränderer machten weiter, auch auf internationaler Ebene.
So hieß es etwa im Vorbereitungspapier für die Welt-Frauenkonferenz in Peking (1995): „Die Berücksichtigung der vielen Arten, in denen das Geschlecht („Gender“) dargestellt, interpretiert und organisiert wird, führt uns zu einer „anti-wesentlichen“ Position – das heißt, es gibt weder von Natur aus den Mann noch die Frau…“ Und: „Weil es kein weibliches und männliches Wesen gibt, können wir die vermeintliche ,Überlegenheit’ des einen Geschlechtes über das andere verwerfen und so weit wie möglich infrage stellen, ob es so etwas wie eine ,natürliche’ Form menschlicher Sexualität überhaupt gibt.“
Fassen wir zusammen: Wir haben ein Jahrhundert hinter uns, in dem einerseits unter der Flagge von Aufwertung der Frau das Leitbild des Mannes verzerrt und karikiert dargestellt wurde: Der Mann als autoritärer Patriarch, gefühlloser Macho, durchtriebener Verbrecher, als rücksichtsloser Karrierist, cooler Manager, sportlicher Kraftprotz, als Frauen verschleißender Promi… Aber kaum je als liebevoll sorgender Vater. Andererseits beglücken uns die Gender-Ideologen mit der Botschaft von der Bedeutungslosigkeit der Geschlechtlichkeit.
So konnte Alexander Mitscherlich schon vor mehr als 50 Jahren vom Weg in die vaterlose Gesellschaft sprechen. Der Westen sei unterwegs in eine Form des Zusammenlebens, die zunehmend einer kultivierten Form des Männlichen entbehre. Zu ergänzen wäre heute: Wir sind auch auf dem Weg zur Mutterlosigkeit.
Da es in diesem Schwerpunkt aber um das Männliche geht, wollen wir die Frage stellen, ob sich Männlichkeit tatsächlich festmachen lässt. Die Antwort: Je mehr auf ernsthaft geforscht wird, umso deutlicher wird, dass es typisch männliche Merkmale gibt, also Eigenschaften, die beim männlichen Geschlecht deutlich stärker ausgebildet sind. Fördert und kultiviert man sie entsprechend (siehe Beitrag S. 7-8), trägt es dazu bei, dass Leben – und zwar das des Mannes wie das seiner Mitmenschen – besser gelingt.
Was sind nun die Stärken des Mannes? Männer sind imstande, rasch viel Kraft zielgerichtet einzusetzen, ihr Selbstvertrauen und Konkurrenz beflügeln sie. Sie sind visuell besonders begabt, können sich räumlich besser orientieren und sich bei der Wahrnehmung besser auf Details konzentrieren. Sie sind mathematisch begabt, bevorzugen das analytische Denken, das Denken in Modellen. Für den Mann stehen die Funktionen und das Allgemeine im Vordergrund des Interesses. Daher ist er in besonderer Weise auf der Suche nach Prinzipien, die hinter Einzelerscheinungen stehen, auf der Suche nach Wahrheit. Er hat einen ausgeprägten Willen zu gestalten und zu verändern, und er betätigt sich gern im außerfamiliären Bereich.
Zur Klarstellung: Mit dieser Feststellung wird den Frauen keineswegs jede Befähigung in diesen Bereichen abgesprochen. Ja, so manche Frau wird in einigen dieser Dimensionen dem Durchschnittsmann überlegen sein, da die Eigenschaften nicht einem Geschlecht vorbehalten sind, sondern jeweils in unterschiedlichem Ausmaß auftreten. Andererseits sind Frauen bei vielen anderen Fähigkeiten den Männern deutlich überlegen.
Zwar gibt es nach wie vor Berufe, für die sich Männer eher interessieren und auch besonders eignen: am Bau, im Ingenieurbüro, in vielen handwerklichen Berufen, beim Militär, bei der Polizei… Aber an vielen Stellen ist es heute eher egal, ob da ein Mann oder eine Frau tätig wird: an der Billa-Kassa, vor dem Bildschirm, im Reinigungsdienst, im Triebwagen der Straßenbahn, im Ministerium… Die besonderen Begabungen von Mann und Frau werden aber dort besonders fruchtbar, wo sie als ge­genseitige Ergänzung und Bereicherung gelebt werden sollten: in der Familie.
Hier sind die Männer gefordert, ihre Begabungen in den Dienst der ihnen Anvertrauten zu stellen: Ihre Kraft, ihre Bereitschaft sich in der Konkurrenz, in der Konfrontation, ja im Kampf zu bewähren, ihre Fähigkeit, die Dinge zu ordnen, Ordnungen aufrechtzuerhalten, Grenzen zu setzen. Aber, wie gesagt, das alles in einem Geist des Dienens.
Das ist uns Männern nicht in die Wiege gelegt. Wir müssen es mühsam erlernen, erlernen von Männern, die uns als Vorbild dienen, am besten aber vom eigenen Vater. Wie wichtig der Vater für seine Kinder ist, illustrieren die Artikel dieses Schwerpunkts.
Dass in dieser Hinsicht heute so viele Männer scheitern, hat mit der vorherrschenden Gottlosigkeit zu tun. Denn auf sich allein gestellt, ist der Mann nur allzu sehr versucht, seine besonderen Fähigkeiten egoistisch einzusetzen: für sich, seinen Ruhm, seinen Erfolg (siehe S. 7-8). Und viele Männer treiben da Missbrauch.
Wahre Väterlichkeit ist nämlich gottgegeben. Daran lässt  Jesus keinen Zweifel: „Auch sollt ihr niemand auf Erden euren Vater nennen; denn nur einer ist euer Vater, der im Himmel“ (Mt 23,9).
Damit ist auch geklärt: Wahre Männlichkeit stammt von Gott und muss nach Seinem Vorbild gelebt werden, nach dem Vorbild des barmherzigen Vaters aus dem Gleichnis vom Verlorenen Sohn. Dieser Vater weiß um die einmalige Kostbarkeit des Sohnes, der in die Irre gegangen ist, er steht unbeirrbar zu ihm, nimmt ihn auf – trotz allem, was vorgefallen ist. Dieses unbedingte Ja des barmherzigen Vaters sollte die Grundlage jeder einzelnen Beziehung des Mannes zu seinen Familienmitgliedern sein. Jeder muss erfahren, der Vater steht zu mir – was auch kommen mag.
Aber – Liebe ist nicht grenzenlose Harmonie, der barmherzige Vater kein Softie. Er fordert heraus, lässt fünf nicht gerade sein. Er weiß, dass wir im Kampf stehen, mitten in einem Umfeld, das uns zur Auseinandersetzung herausfordert. Und er stellt sich diesem Kampf. Denn auch das wird uns über Gott gesagt: „Der Herr ist ein Krieger, Jahwe ist sein Name“ (Ex 15,3). Jesus hat die Konfrontation nicht gescheut mit jenen, die falsche Lehren verbreiteten. „Ihr Heuchler!“ sagt Er zu ihnen. Und zum Widersacher: „Weg mit dir, Satan!“ (Mt 4,10)
Dieser Aspekt Gottes wird heute leicht übersehen. Fast sind wir irritiert, da doch heute – zurecht – die Barmherzigkeit Gottes so betont wird. Aber gerade wir Männer sind berufen, auch diesen Aspekt des Vaters einzubringen: Grenzen zu setzen, auf der Einhaltung von Ordnungen zu bestehen, selbst den Kampf gegen das Böse in seinen vielen Ausprägungen aufzunehmen und zu lehren.
Was heute eher fehlt, aber neu entdeckt werden muss, ist somit:
– Ein Ja zur Stärke des Mannes, die sich nicht mit Gewalt durchsetzt, aber in den Dienst der anderen stellt, sie beschützt, verteidigt.
– Ein Ja zum Dienst durch Führung,  nicht um andere zu unterdrücken, sondern um Beziehungen zu ordnen, friedliches Zusammenleben zu ermöglichen, Freiraum für den einzelnen zu schaffen, dessen Charismen zu fördern, Richtung zu weisen.
– Ein Ja zur Wahrheitssuche, denn es gelten nicht nur Intuition, die besonderen Umstände oder der Spruch: Jeder hat seine Wahrheit. Denn nicht alles ist dem Menschen zuträglich, deshalb braucht er das Gebot als Wegweiser zum gelungenen Leben. Es ist in besonderer Weise Aufgabe des christlichen Mannes, in unserer verwirrten Zeit, mutig für die erkannte Wahrheit, für Jesus Christus, Zeugnis abzulegen – und zwar nicht nur in der Familie.


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