VISION 20003/2018
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Väter, Ihr seid wichtig für Eure Töchter

Artikel drucken Über eine Beziehung, die heute oft zu kurz kommt und wieder belebt werden muss (Élisabeth Caillemer)

­­In ihrem Buch Strong Fathers, Strong Daughters zeigt die US-Kinderärztin Meg Meeker auf­grund ihrer 30-jährigen Erfahrung in der Betreuung von Mäd­chen, wie groß die Bedeutung der Väter für ihre Töchter ist. „Meine Herren, sind Sie sich bewusst, dass Ihr Leben einen anderen Lauf nehmen würde, wenn Sie sich – wenn auch nur zehn Minuten lang – mit den Augen Ihrer Tochter sehen würden?“, fragt sie die Väter…

Es sind sicher tausende Mädchen, die sich in Meg Meekers Ordination die Klinke in die Hand gegeben haben. Von ihnen hat sie gehört, wie mangels väterlicher Liebe manche unter schweren Essstörungen litten, manche vorzeitig in sexuellen Beziehungen Halt suchten oder bewusst ihre Ausbildung verpatzten, in der Hoffnung, die Aufmerksamkeit des Vaters auf sich zu lenken.
Sie konnte feststellen, wie intensiv Mädchen nach Bestätigung und Ermutigung durch ihre Väter Ausschau halten. Denn bezüglich der Aufmerksamkeit ihrer Mutter haben sie kaum Zweifel, aber das Interesse des Vaters erscheint ihnen keineswegs selbstverständlich. Meg Meekers erlebte, dass Mädchen sich mehr anstrengen, wenn Sie (die Väter, Anm.) sie beobachten, dass sie schneller lernen, wenn Sie ihnen etwas beibringen, mehr Selbstvertrauen entwickeln, wenn Sie sie anleiten.
„Wenn Ihnen wirklich klar wäre, welchen Einfluss Sie auf ihr Leben haben können, würden Sie erschrecken, ja Sie wären überwältigt – oder beides zugleich,“ fasst die Kinderärztin humorvoll zusammen. Und es stimmt. Meg Meeker weiß, wovon sie spricht. Sie weiß, wie notwendig das in einer Welt ist, die so stark vom Weiblichen geprägt ist. In einer Welt, die dazu neigt, die Bedeutung des Vaters in der Familie zu relativieren, und die Verwirrung schafft bezüglich der Rolle, die ihm da zukommt.
Diese Unterminierung ist umso ärgerlicher, als die Männer heute durchaus bereit sind, sich mehr in die Erziehung ihrer Kinder einzubringen, als dies bei ihren eigenen Vätern der Fall war. Einer von der „Union nationale des associations familiales“ (Unaf) im Juni 2016 durchgeführten Untersuchung zufolge meinen 60%, dass sich ihre Väter nur wenig in ihre Einziehung einbrachten; 86% geben an, dass sie ihre Kinder anders erziehen wollten, als dies ihre Väter taten; 56% haben den Eindruck, dass ihre Rolle gesellschaftlich weniger anerkannt wird als jene der Mütter. „Die Väter sind auf der Suche nach ihrem Stellenwert,“ fasst Marie-Andrée Blanc, Präsidentin der Unaf zusammen.  
Ein Ergebnis, das P. Alain Dumont bestätigt. Er veranstaltet seit mehr als 15 Jahren eigene Treffen nur für Männer, darunter viele Familienväter. „Sie sind auf der Suche nach Ratschlägen in Sachen Vaterschaft,“ stellt dieser Priester der Gemeinschaft Emmanuel fest. „Da die Vorstellungen in Sachen Erziehung in den sechziger Jahren in die Brüche gegangen sind, ist es schwierig, die Aufgaben des Vaters zu umreißen. Allerdings stelle ich seit Beginn des 21. Jahrhunderts fest, dass die Männer neue Wege einschlagen können. In letzter Zeit angestellte Überlegungen haben bezüglich ihrer Mission einiges an Klarheit geschaffen – was insbesondere die Beziehungen zwischen Vätern und Töchtern anbelangt…“ Und tatsächlich, die Zeiten haben sich verändert.
Heute wissen wir beispielsweise, wie sehr schon das Neugeborene auf die Anwesenheit seines Vaters anspricht. Wir wissen, wie notwendig ein gelassener Rückblick auf die eigene Kindheit ist, um unsere elterlichen Aufgaben besser erfüllen zu können. Wir bereiten unsere Töchter darauf vor, sowohl Mütter zu werden wie auch zu studieren im Hinblick auf einen Beruf. Wir leben in einer Gesellschaft, die von Bildschirmen beherrscht wird, auf denen Gewalt und Sex allgegenwärtig sind. Die Vater-Tochter-Beziehungen müssen allen diesen neuen Gegebenheiten Rechnung tragen.
Es gilt auch, einige grundvernünftige Prinzipien – was die Natur uns über unsere jeweiligen Rollen sagt und was durch die Ideologie der 68er auf dem Misthaufen gelandet ist – wieder zu berücksichtigen. Zwar lächerlich gemacht, behält die Natur aber recht, was zahlreiche Untersuchungen ja bestätigen. „Väter, die versuchen, bessere Mütter zu sein, liegen falsch,“ stellte der Kinderpsychiater Marcel Rufo 2010 in La Croix fest. „Sie sind aus gutem Grund als Mann geboren,“ erklärt Meg Meeker, „und Ihre Tochter braucht genau das, was allein Sie – und nicht einmal die Mutter – ihr geben können.
Gehen wir es der Reihe nach an: Ihre erste Mission besteht darin, Ihre Tochter von der Mutter zu lösen, damit sie sich für ihre Umwelt öffnen kann. Die Nabelschnur abschneiden. Meist sagt man, die Mutter bestärke, während der Vater zum Abenteuer hinführe. Eigentlich einfach, denn das geschieht instinktiv. Es genügt, Sie zu beobachten, wenn Sie Ihre Kleinen in die Schule bringen. Während wir gestresste Mütter sie fest an der Hand halten, lassen Sie die Kinder einige Meter vor sich herumhüpfen.
Allein Ihre Gegenwart wird Ihrer kleinen Tochter beibringen zu unterscheiden: Sie wird ganz allgemein den anderen erkennen und im besonderen, was männliche Identität ist. Durch Sie wird sie lernen, was ein Mann ist. Alle, die dann in ihrem Leben eine Rolle spielen werden, wird sie mit Ihnen vergleichen. Und sie wird diese Beziehungen nach dem Modell jener Beziehung, die Sie miteinander hatten, gestalten,“ warnt Meg Meeker. „War diese gut, wird sie einen Mann wählen, der sie gut behandelt. War sie offen und warmherzig, wird sie diesem vertrauen. Waren Sie hingegen unnahbar und wenig herzlich, wird es ihr schwerfallen, ihre Liebe zu zeigen.“
„Von ihrer frühen Kindheit an bereiten Sie Ihre Tochter darauf vor, Frau und Ehegattin zu sein. Sie geben ihr den Bauplan für die Konstruktion ihrer Beziehung zu den Männern an die Hand. Daher ist auch die Art und Weise, wie Sie mit Ihrer Ehefrau umgehen, so wichtig: Ihrer Tochter entgeht dabei nicht das kleinste Detail. Sie muss erleben, dass Sie ihre Mutter schätzen und respektieren. Das muss ihr als Modell für eine künftige, harmonische Ehe dienen können.
In welchem Alter auch immer, Ihre Tochter hat ein enormes Sicherheitsbedürfnis. Sie braucht die Erfahrung Ihrer Stärke, dass Sie sie schützen werden. Daher müssen Sie ihr auch Grenzen setzen. Anders gesagt: Sie erwartet, dass Sie Autorität ausüben: „Von Männern zu verlangen, dass sie Autorität ausüben, ist heute schwierig, weil politisch unkorrekt. Manche Psychotherapeuten behaupten, dass dies das Kind unterdrücke,“ bedauert Meg Meeker. „Dennoch billigt Ihre Tochter Ihnen Autorität zu, die sie keinem anderen zuerkennt. Die Mädchen, die in die Beratung kommen, sind nicht die mit einem autoritären Vater, sondern jene mit einem, der sich nicht für sie interessiert, nicht mit ihnen diskutiert, nicht mit ihnen schimpft, wenn sie sich falsch entscheiden.“
Der Psychologe Yves Boulvin hält fest, „dass Väter sich oft davor fürchten, fest und standhaft zu sein. Dabei reicht es, seine Autorität mit Herz und einem liebevollen Blick auszuüben.“ Es sind die lieblos in den Raum gestellten Regeln, die rebellische Töchter erzeugen. „Regeln festzulegen ist ein harter Job im 21. Jahrhundert,“ erklärt Meg Meeker, die dazu auch ein paar eindeutige Beispiele liefert. „Sie müssen ihr verbieten, zu einer Abendveranstaltung zu gehen, wo die Leute saufen, müssen ihr sagen, sich dezent zu kleiden, und Ihre Meinung zur Musik, die sie hört, äußern, Sie müssen sie um ein Uhr früh abholen, sollte sie beim Freund sein und heimholen.“
Ein heikles Thema, bei dem die Meinung des Vaters erwartet wird: die Sexualität. Die Kinderärztin spricht da Klartext: „Ihre Tochter will zu diesem Thema von Ihnen Regeln hören. Die Eltern sind auf diesem Gebiet die wichtigsten Personen. Besonders wichtig aber ist der Einfluss des Vaters auf die Tochter,“ versichert sie. „Tagtäglich hört sie in Sachen Sexualität falsche Infos. Das bedarf der Richtigstellung. Keine Angst, das einzige, was sie von Ihnen erwartet, ist zu wissen, wann man sexuelle Beziehungen haben darf – und warum. Nicht mehr und nicht weniger.“
„Eine weitere Aufgabe erwartet Sie, von der viele Männer meinen, sie sei den Frauen vorbehalten: die Weitergabe des Glaubens. Wenn Ihre Tochter zwar auf dem Schoß der Mutter den Katechismus kennenlernen mag, so sei Ihnen bewusst, dass sie auf Gott übertragt, was sie von Ihnen erfahren hat. Die Beziehung, die sie mit Ihm knüpft, wird von der Qualität Ihrer Beziehung zu ihr beeinflusst.“
„Töchter mögen Diskussionen mit dem Vater über die Existenz Gottes, über den Glauben – und nicht nur über Fragen der Moral. Klarerweise ist es auch wichtig, dass sie den Vater beten und praktizieren sehen,“ bestätigt P. Dumont.

Auszug aus Famille Chrétienne v. 7.-13.4.18

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