VISION 20006/2010
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Der Sexualität den richtigen Platz geben

Artikel drucken Die Theologie des Leibes von Papst Johannes Paul II.

Was ist die Schlüsselidee Johannes Pauls II. über die menschliche Sexualität?
Anthony Percy: Die sexuelle Revolution reißt, wie es alle „Ismen” tun, Dinge aus ihrem eigentlichen Zusammenhang heraus. Die sexuelle Revolution reißt die Sexualität aus dem Zusammenhang der menschlichen Beziehungen heraus und nimmt nur die sexuelle Lust in den Blick, das Prickelnde und Erregende an ihr. Johannes Paul II. dagegen stellt die Sexualität wieder dahin, wo sie hingehört, in den Kontext der menschlichen Beziehungen. Er sagt ziemlich radikal, daß unser menschlicher Körper eher von der Beziehung als vom Geschlechtlichen bestimmt ist.


Anders gesagt: Für ihn hat die Sexualität die Aufgabe, dauerhaften und fruchtbaren Beziehungen zu dienen. Durch den vereinigenden ehelichen Akt von Mann und Frau sollen beide, Ehemann und Ehefrau, zu einer neuen, wieder aufgefrischten Erkenntnis dessen gelangen, was sie als nach dem Bilde Gottes erschaffene Wesen wirklich sind.
Die Sexualität dient also den menschlichen Beziehungen. Die Sexualität ist für die „Theologie des Leibes“ zwar wichtig, aber der Leib ist für die Beziehung geschaffen, und erst in der Beziehung und nur dort findet Sexualität ihren wahren Sinn. Dies ist der Grund dafür, daß zölibatär lebende Menschen durch die „Theologie des Leibes“ eine große Stärkung erfahren. Beziehung tritt an die Stelle der Selbstherrlichkeit, und dann findet die Sexualität auch ihren richtigen Platz.
In seinen Schriften spricht der Papst über drei „Urerfahrungen“ des Menschen. Worum geht es dabei?
Percy: (…) Wir alle haben die Erfahrung von der Ursünde: Etwas frei nach Paulus formuliert: Wir tun die Dinge, die wir nicht wollen, und jene Dinge, die wir wirklich wollen, fallen uns schwer – die Ursünde ist nicht schwer auszumachen. Aber mit der „Theologie des Leibes“ haben wir jetzt folgende drei Urerfahrungen des Menschen, die positiv und nicht negativ sind: die ursprüngliche Einsamkeit, die ursprüngliche Einheit und die ursprüngliche Nacktheit.
Wenn man die jungen Menschen dazu bringt, ihre Einsamkeit zu erfahren und dabei zu erfahren, daß sie als Mensch allein dastehen, wird ihnen das helfen zu erkennen, daß ihr Körper Symbolkraft hat. Und das heißt auch, daß die Sexualität Symbolkraft hat und Sex alles andere als ein „Freizeitsport“ ist. Sexualität bedeutet mehr als Lust. Die sexuelle Vereinigung ist jener symbolträchtige Akt, mit dem ein Ehemann und eine Ehefrau einander ganz annehmen und sich einander schenken. Wenn man den jungen Menschen dabei hilft, eine Erfahrung der Einheit zu machen, der Liebe, so gelangen sie zur Erkenntnis, daß ihr Körper und die Sexualität für die Liebe geschaffen sind und nicht nur für eine vorübergehende Eskapade.
In seiner ersten Enzyklika bemerkt Johannes Paul II., daß wir ohne Liebe nicht leben können. Ich bin der Überzeugung, daß die Entfaltung dieser zweiten Urerfahrung durch den Papst, die er „ursprüngliche Einheit“ nennt, viel dazu beiträgt, die Krise der Liebe – den Mangel an Liebe – anzugehen, ein Übel, das tief in unserer Kultur verwurzelt ist.
Und dann ist da noch die faszinierende menschliche Urerfahrung, die er „ursprüngliche Nacktheit“ nennt. Siewird den jungen Menschen helfen, den Sinn ihrer Freiheit zu erkennen. Freiheit nicht einfach als bloße Wahlmöglichkeit zu verstehen, sondern vielmehr als die geheimnisvolle Fähigkeit, die wir empfangen haben, um unser Leben einander und dem Herrn zu schenken, es ihm aus freien Stücken hingeben zu können.

Anthony Percy ist australischer Priester & Autor von „Theology of the Body Made Simple: Discover John Paul II’s Radical Teaching on Sex, Love, and the Meaning of Life“. Der Text ist ein Auszug aus einem Interview in zenit.org v 17.10.06

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