VISION 20006/2010
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Die Schule der Exorzisten

Artikel drucken Ein heikles Thema, nicht effekthaschend behandelt (Matt Baglio)

Im Jahr 2001 gab die italienische Bischofskonferenz, die sich zu ihrer Vollversammlung im Vatikan befand, eine Stellungnahme heraus, in der von einer Wiedergeburt von Prophezeiungen, Wahrsagerei und Hexenkünsten die Rede war. Einer Studie zufolge sollen etwa 25 Prozent aller Italiener in irgendeiner Weise mit dem Okkulten zu tun haben.
Ebenfalls zur gleichen Zeit beklagte sich der bekannte römische Exorzist Pater Gabriele Amorth in einem Interview darüber, daß seine Mitbrüder, die mit der heiklen Aufgabe eines Exorzismus betraut werden, innerhalb der Kirche wie Verrückte oder Fanatiker behandelt werden. Schätzungen zufolge soll es in manchen katholischen Ortskirchen nicht einen einzigen Exorzisten geben. Dabei würde es Aufgabe jedes Diözesanbischofs sein, Exorzismen entweder selber durchzuführen oder für diese Aufgabe speziell ausgewählte Priester einzusetzen.
Anders als in manchen katholischen Ortskirchen Europas oder der Vereinigten Staaten von Amerika, wo der Exorzismus nicht einmal ein Randthema ist, wird dieser in Italien akzeptiert. Heute erlebt Italien geradezu einen Exorzistenboom. Man geht sogar von etwa 350 bis 400 offiziell ernannten Exorzisten aus.
Als der Vatikan an der römischen Universität „Regina Apostolorum“ im Wintersemester 2005 und 2006 erstmals einen Kurs für „Exorzismus und Gebete um Befreiung“ startete, löste dies ein ungeheueres Medienecho aus. Die Idee zu diesem Kurs stammte vom Nationalsekretär der Italienischen Forschungsgruppe über Sekten, Dr. Giuseppe Ferrari, einer katholischen Organisation mit Sitz in Bologna.
Einer der Teilnehmer dieses Kurses war der Priester Gary Thomas, Pfarrer im kalifornischen San José. Er wurde von seinem Diözesanbischof dazu bestimmt, an dieser ersten offiziellen Einführung in die Schule der Exorzisten teilzunehmen. Dabei begleitete ihn der Journalist Matt Baglio, der zu dieser Zeit für einige große amerikanische Zeitungen als Romkorrespondent arbeitete, auf Schritt und Tritt.
Nicht nur der 50jährige Priester Gary Thomas lernt in diesem Kurs Neues und Ungewöhnliches, auch dem amerikanischen Journalisten eröffnen sich bei dieser Gelegenheit neue Erfahrungshorizonte, die seinen Glauben bereichern.
Begleitet von erfahrenen italienischen Exorzisten hat Gary Thomas im Laufe des Kurses an 80 Exorzismen teilgenommen. Sein Begleiter Matt Baglio wiederum führte darüberhinaus viele Einzelgespräche mit einigen der Exorzisten sowie mit Betroffenen, die bereit waren, ihm ihre Geschichten zu erzählen.
Daraus entstand eine spannende Reportage, die Baglio in dem 350 Seiten starken Buch ausbreitet. Er führt den Leser über die gängigen Exorzismus-Klischees hinaus und eröffnet ihm eine unbekannte Welt, von der Jesus Christus an vielen Stellen des Evangeliums spricht.
Das Buch Die Schule der Exorzisten versucht darüberhinaus die Komplexität des Phänomens aufzuzeigen. Denn kaum ein Exorzismus gleicht dem anderen, was für den Exorzisten eine jahrelange Schule des Lernens bedeutet. Außerdem hat es der Priester bei jedem Exorzismusmit einem echten Phänomen von Besessenheit zu tun. In Baglios Buch finden sich allerdings auch schwerwiegende Fälle von Besessenheit, die für zartbesaitete Leser nicht gerade leicht verdaulich sind.
Das Werk der beiden Amerikaner ist eine authentische, jedoch nicht effekthaschende und daher lesenswerte Lektüre. Es wäre zu wünschen, daß mit der deutschen Übersetzung dieses Bestsellers auch in unseren Ländern eine neue Sensibilität für dieses Thema bei kirchlichen Entscheidungsträgern geweckt würde.
Es handelt sich hier nämlich nicht nur um ein ungewöhnliches Phänomen, sondern vor allem geht es dabei auch um eine echte Hilfe für die vielen betroffenen Menschen, die darunter schwer zu leiden haben.

Christoph Hurnaus
Die Schule der Exorzisten. Von Matt Baglio, Sankt Ulrich Verlag, 352 Seiten, 20,60 Euro

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