VISION 20001/2018
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Das Gute konkret umsetzen

Artikel drucken Ãœber das Gewissen des Menschen und seine Aufgabe (Papst Johannes Paul II.)

Von der Schönheit, dem Glanz der Wahrheit erzählt die 1983  von Papst Johannes Paul II. verfasste Enzyklika Veritatis splendor.  Unter anderem stellt der heilige Papst klar, dass es dem Gewissen des Menschen nicht zusteht, selbst über Gut und Böse zu entscheiden.


So ist man in manchen modernen Denkströmungen so weit gegangen, die Freiheit derart zu verherrlichen, dass man sie zu einem Absolutum machte, das die Quelle aller Werte wäre. In diese Richtung bewegen sich Lehren, die jeden Sinn für die Transzendenz verloren haben oder aber ausdrücklich atheistisch sind. Dem Gewissen des einzelnen werden die Vorrechte einer obersten Instanz des sittlichen Urteils zugeschrieben, die kategorisch und unfehlbar über Gut und Böse entscheidet.
Zu der Aussage von der Verpflichtung, dem eigenen Gewissen zu folgen, tritt unberechtigterweise jene andere, das moralische Urteil sei allein deshalb wahr, weil es dem Gewissen entspringt. Auf diese Weise ist aber der unabdingbare Wahrheitsanspruch zugunsten von Kriterien wie Aufrichtigkeit, Au­thentizität, „Übereinstimmung mit sich selbst“ abhanden gekommen, so dass man zu einer radikal subjektivistischen Konzeption des sittlichen Urteils gelangt.
Wie man sogleich erkennen kann, gehört zu dieser Entwicklung die Krise um die Wahrheit. Nachdem die Idee von einer für die menschliche Vernunft erkennbaren universalen Wahrheit über das Gute verloren gegangen war, hat sich unvermeidlich auch der Begriff des Gewissens gewandelt; das Gewissen wird nicht mehr in seiner ursprünglichen Wirklichkeit gesehen, das heißt als ein Akt der Einsicht der Person, der es obliegt, die allgemeine Erkenntnis des Guten auf eine bestimmte Situation anzuwenden und so ein Urteil über das richtige zu wählende Verhalten zu fällen; man stellte sich darauf ein, dem Gewissen des Einzelnen das Vorrecht zuzugestehen, die Kriterien für Gut und Böse autonom festzulegen und dementsprechend zu handeln.
Diese Sicht ist nichts anderes als eine individualistische Ethik, aufgrund welcher sich jeder mit seiner Wahrheit, die von der Wahrheit der anderen verschieden ist, konfrontiert sieht. In seinen äußersten Konsequenzen mündet der Individualismus in die Verneinung sogar der Idee einer menschlichen Natur. (Nr. 32)

Im Buch Genesis lesen wir: „Gott der Herr gebot dem Menschen: Von allen Bäumen des Gartens darfst du essen, doch vom Baum der Erkenntnis von Gut und Böse darfst du nicht essen; denn wenn du davon isst, wirst du sterben“ (Gen 2, 16-17).
Mit diesem Bild lehrt uns die Offenbarung, dass die Macht, über Gut und Böse zu entscheiden, nicht dem Menschen, sondern allein Gott zusteht. Gewiss, der Mensch ist von dem Augenblick an frei, in dem er die Gebote Gottes erkennen und aufnehmen kann. Und er ist im Besitz einer sehr weitgehenden Freiheit, denn er darf „von allen Bäumen des Gartens“ essen. Aber es ist keine unbegrenzte Freiheit: Sie muss vor dem „Baum der Erkenntnis von Gut und Böse“ haltmachen, da sie dazu berufen ist, das Sittengesetz, das Gott dem Menschen gibt, anzunehmen. Tatsächlich findet gerade in dieser Annahme die Freiheit des Menschen ihre wahre und volle Verwirklichung. Gott, der allein gut ist, erkennt genau, was für den Menschen gut ist, und kraft seiner eigenen Liebe legt er ihm dies in den Geboten vor. (Nr. 35)

Das Urteil des Gewissens ist ein praktisches Urteil, das heißt ein Urteil, das anordnet, was der Mensch tun oder lassen soll, oder das eine von ihm bereits ausgeführte Tat bewertet. Es ist ein Urteil, das die vernünftige Überzeugung, dass man das Gute lieben und tun und das Böse meiden soll, auf eine konkrete Situation anwendet. Dieses erste Prinzip der praktischen Vernunft gehört zum Naturgesetz, ja es stellt dessen eigentliche Grundlage dar, insofern es jenes ursprüngliche Licht zur Unterscheidung von Gut und Übel zum Ausdruck bringt, das als Widerschein der schöpferischen Weisheit Gottes wie ein unzerstörbarer Funke (scintilla animae) im Herzen jedes Menschen strahlt. Während jedoch das Naturgesetz die objektiven und universalen Ansprüche des sittlich Guten herausstellt, ist das Gewissen die Anwendung des Gesetzes auf den Einzelfall und wird so für den Menschen zu einem inneren Gebot, zu einem Anruf, in der konkreten Situation das Gute zu tun.  (Nr. 59)

Auszüge aus der Enzyklika Veritatis splendor.



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