VISION 20005/2022
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Artikel drucken Die Herausforderung für Christen heute: (Kardinal Robert Sarah)

Wer als Christ heute und morgen bestehen will, muss sich vielfachen Konfrontationen mit dem vom Zeitgeist geprägten Tun und Denken stellen. In den folgenden Auszügen aus dem Buch Herr bleibe bei uns, werden drei entscheidende Fronten angesprochen: die Familie, die priesterliche Berufung und das Eintreten für die Wahrheit.

Ich glaube, dass die Familie eine Instanz ist, die der Teufel ganz und gar nicht ausstehen kann. Weil sie der Ort der Liebe und der bedingungslosen Selbsthingabe schlechthin ist, ruft sie seinen Hass und seine Gewalttätigkeit hervor. In einem noch tieferen Verständnis bildet die Einheit von Vater, Mutter und Kind die fruchtbare Einheit der göttlichen Dreieinigkeit ab.
Durch die Familien möchte der Widersacher die dreifaltige Einheit profanieren. Vor allem möchte er die unschuldigen Kinder einer glücklichen, liebevollen Kindheit und Jugend berauben. Er, der „Mörder von Anfang an“ (Joh 8,44), wiederholt heute das Gemetzel an den Unschuldigen Kindern, wenn er die Familien zerstört. Weil Gott selbst als Säugling auf die Welt kam, wurde die Unschuld jedes Kindes für Satan unerträglich, spiegelt sie doch die Unschuld Gottes wider.
Es ist also dringend notwendig, die Familien zu verteidigen und zu unterstützen. Das ist nicht nur eine moralische Verpflichtung, sondern Teil des geistigen Kampfes. Wir müssen den Eheleuten helfen, sich bis an ihr Lebensende treu zu lieben. Sie tragen den Abglanz der Treue Got­tes zu Seinem Volk, besonders zu den Schwächs­ten und zu den Kindern: „In der Tat ist die auf der Ehe zwischen einem Mann und einer Frau gründende Familie die größte Hilfe, die man Kindern bieten kann. Sie wollen geliebt werden von einer Mutter und von einem Vater, die einander lieben, und sie müssen mit beiden Elternteilen zusammenwohnen, aufwachsen und leben, denn die Mutter- und die Vaterfigur ergänzen einander bei der Erziehung der Kinder und beim Aufbau ihrer Persönlichkeit und ihrer Identität.
Es ist daher wichtig, dass man alles tut, was möglich ist, um sie in einer vereinten und stabilen Familie aufwachsen zu lassen. Zu diesem Zweck müssen die Eheleute ermahnt werden, die tiefe Bedeutung und die Sakramentalität ihres Ehebundes niemals aus den Augen zu verlieren und ihn zu festigen durch das Hören auf das Wort Gottes, das Gebet, den ständigen Dialog, die gegenseitige Annahme und die gegenseitige Vergebung. Ein familiäres Umfeld, das von Unfrieden geprägt ist, Spaltungen zwischen dem Elternpaar und insbesondere Trennung und Scheidung bleiben nicht ohne Folgen für die Kinder. Dagegen ist die Unterstützung der Familie und die Förderung ihres wahren Gu­tes, ihrer Rechte sowie ihrer Einheit und Stabilität die beste Weise, um die Rechte und die wahren Bedürfnisse der Minderjährigen zu schützen,“ sagte Benedikt XVI. am 8. Februar 2010 zu den Mitgliedern des Päpstlichen Rates für die Familie. (S. 201f)

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Heute braucht es viel Kraft, um als Vater oder Mutter seinen Kindern voranzugehen. Es verlangt uns einen enormen Großmut ab – jene Tugend, die uns antreibt, Großes zu vollbringen –, das Abenteuer einer christlichen Familie zu wagen! Ich möchte allen christlichen Eltern zurufen: Ihr seid der Ruhm des 21. Jahrhunderts! Euer Zeugnis ist manchmal ein tägliches Martyrium. Mit Eurer Entscheidung, neues Leben zu schenken, müsst Ihr Euch auf die Verachtung der Welt gefasst machen. Ihr müsst Euch der Ungewissheit und Unsicherheit für das Morgen stellen. Doch Eure Berufung ist großartig!
Ihr seid die Hoffnung der Welt und der Kirche! Das Lächeln und die Freude Eurer Kinder ist Euer schönster Lohn! Seid stark! Haltet fest am Glauben! Denn durch Eure Treue zur Lehre Christi über Ehe und Familie, durch Eure täglichen Liebeserweise, sät Ihr einen Keim der Hoffnung. Der Tag der Ernte ist nah.
Mir ist auch bewusst, wie viel Tapferkeit die Priester und Gottgeweihten brauchen. Liebe Pries­ter, manchmal arbeitet Ihr im Dunkeln und habt den Eindruck, dass alles misslingt. Verzagt nicht, selbst wenn das Boot im Ungewitter unterzugehen droht! Lasst Euch von üblen Reden nicht beirren. Gebt die Tradition der Kirche nicht auf. Dies wäre, als würdet Ihr die Axt gegen Eure eigenen Wurzeln führen.
Das Schiff Petri wird von heftigen Winden gepeitscht; Wasser tritt bereits über die Planken. Klammert Euch an dieses Schiff, haltet Euch an die Lehre der Kirche und betet inständig. Schaut auf Christus und nicht auf die Gewalt des Sturms. Habt keine Angst! Jesus ist bei uns; Er hält das Steuer in der Hand. Die Kirche ist das einzige Schiff, das nie Schiffbruch erleiden wird! Wir müssen uns unermüdlich am Kreuz festhalten. Es ist das Siegeszeichen der christlichen Tapferkeit, mit der wir nichts verlieren, aber alles gewinnen. (S. 381f)

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Wir haben den Zeitpunkt erreicht, da die Welt uns unentwegt zu Komplizen der Lüge machen möchte. Die christliche Tapferkeit besteht in der Wahrheit, in unserem Glauben, in der Liebe Got­tes, die „ausgegossen ist in unsere Herzen durch den Heiligen Geist, der uns gegeben ist“ (Röm 5,5). Die Wahrheit ist die Umgebung, in welcher Glaube und Liebe au­thentisch gelebt werden können. Deshalb müssen wir Inseln der Wahrheit schaffen. Jede christliche Familie, jede Schule, jede Gemeinde muss zu einer Insel werden, auf der die Lüge keinen Platz hat, zu einem Ort, an dem jeder Kompromiss mit den Ideologien dieser Welt, mit dem Relativismus und anderen Verlockungen ausgeschlossen ist. Unsere zwischenmenschlichen Beziehungen müssen wieder ehrlich und einfach werden. Es liegt in unserer Hand, die Wahrheit überallhin zu tragen – in die verschiedenen Berufsfelder, zu unseren Freunden und Arbeitskollegen, in die Politik. Die christliche Tapferkeit besteht darin, der Lüge zu widersagen. Die Wahrheit wird uns frei machen, die Wahrheit ist unsere Kraft! (S. 383)

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Die Wahrheit ist die eigentliche Schutzwehr gegen die Versuchung einer grenzenlosen Macht. Wir müssen einerseits an der entscheidenden Fähigkeit des Menschen festhalten, die Wahrheit zu erkennen; und andererseits an seinem Recht, die Wahrheit frei zu suchen, bis er sie gefunden hat.  (…)
In einem Staat, der unsere Zusammenarbeit mit dem Bösen verlangt oder uns das Böse aufzwingen will, sind die Christen im Namen ihres Gewissens zum Martyrium berufen, als letzter Konsequenz des politischen Zeugnisses eines Christen. „Am Ende kann Unrecht doch nur durch Leiden überwunden werden, durch das freiwillige Leiden derer, die ihrem Gewissen treu bleiben und damit in ihrem Leid und in ihrer ganzen Existenz das Ende aller Macht real bezeugen,“ schrieb Kardinal Ratzinger in seinem Werk Kirche, Ökumene und Politik. (S. 363f)

Auszüge aus dem Buch: Herr bleibe bei uns – denn es will Abend werden. Von Robert Kardinal Sarah und Nicolas Diat. fe-Medienverlag, 436 Seiten, 20,40€.
Siehe dazu auch das Interview mit Kardinal Sarah über die Inhalte seines Buches in Vision2000 3-4/22: „Die Kirche: Primär berufen zu lehren“.


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