VISION 20006/2022
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Information, die nicht die Welt beschreibt, sondern sie umbauen will

Artikel drucken Gedanken einer Insiderin über die Situation der Medienwelt (Anna Diouf)

Bei dem von AGM erhobenen Vertrauensindex rangierten Medien und Politik an letzter und vorletzter Stelle unter den 32 abgefragten Institutionen – übrigens nur knapp hinter der katholischen Kirche, die Rang 29 belegte. Über die Gründe für diesen Vertrauensverlust und die Herausforderung, die das für Christen darstellt, geht es in dem folgenden Beitrag.

 
Anna Diouf  

Wohin man blickt, prasseln verwirrende und beunruhigende Nachrichten auf uns ein. Nehme ich mein Mobiltelefon zur Hand, überschwemmt mich mein „News­feed“ mit irreführenden Schlagzeilen, der Informationswert der Artikel ist gering. Statt Analysen und Berichterstattung geht es um Emotionen: Ich soll mich entrüsten: Über jene Person, diese politische Entscheidung oder über eine gesellschaftliche oder globale Entwicklung.
Dies kommt aus allen Richtungen: Konservative, Liberale, Linke, Grüne; Atheisten, Katholiken – Agitation ist ja so viel leichter als Information. Die Versuchung, auf der Empörungswelle zu surfen, ist enorm. Oft lässt sich auch durch Recherche nicht feststellen, ob eine Nachricht wahr ist.
Ich wettere oft über „die Medien“: Dass die Qualität der Nachrichten rapide sinkt. Dass, noch ärgerlicher als echte „Fake-News“, verfälschende Manipulation auch in als seriös geltenden Medien mittlerweile geradezu normal ist, dass man nirgends mehr Berichterstattung ohne Meinungsanteil findet.
Allerdings stutze ich mittlerweile, wenn ich so spreche: Mir wird dann bewusst, dass ich zu denen, über die ich so pauschal herziehe, dazugehöre. Denn seit einem halben Jahr arbeite ich selbst in den Medien.
In dieser kurzen Zeit ist mein Urteil über diesen Sektor zugleich milder und schärfer geworden. Milder, weil man erst einmal begreifen muss, welchen Wust an Information Medienschaffende in kürzester Zeit organisieren müssen. Denn in der digitalen Welt geht es vor allem um Schnelligkeit. Das fordern indirekt auch die Konsumenten. Sie behaupten zwar gern das Gegenteil, zeigen aber durch ihr „Klickverhalten“, dass Geschwindigkeit alles ist: Die Nachricht, die zuerst gesehen wird, ist jene, die Meinungsbildung bestimmt.
So sehr ich mich ärgere, wenn ich an Texten sehe, dass Journalisten voneinander abgeschrieben haben, so verständlich ist es mir mittlerweile. Auch müssen wir uns bewusst werden, dass heutzutage fast jeder von uns „ein bisschen“ Publizist ist: Wer teilt, „liked“ und „retweeted“, hilft bei der Verbreitung von Nachrichten. Deshalb ist die Verantwortung, die einst vornehmlich dem Journalisten oblag, heute eine geteilte.
Vielen Menschen ist das nicht bewusst. Sie gehen mit digitalen Medien um, als säßen sie an einem Stammtisch, nicht bedenkend, dass nicht zehn Trinkkumpanen zuhören, die morgen alles vergessen haben, sondern unter Umständen Hunderttausende, die auch in Jahren noch auf das zugreifen können, was man geteilt hat. Im Grunde ist also jeder von uns – soweit digital aktiv – „die Medien“.
Härter fällt mein Urteil aus, weil ich sehe, dass nicht nur unabsichtlich, sondern auch gezielt Desinformation gestreut wird. Als Katholik begegnet einem dies auf Schritt und Tritt: Auslassung von Fakten, Verzerrung von Kontext, Geißelung von Gegenargumenten als Hass­rede oder aus sonst einem Grund als ungültig.
Andere Bevölkerungsgruppen merken dies erst, wenn sie ins Kreuzfeuer geraten: Wäh­rend der Pandemie konnte ich beobachten, wie esoterisch angehauchte Freunde, die aufgrund dieser Haltung ablehnten, sich impfen zu lassen, plötzlich entsetzt waren, dass sie sich in den Medien als rechte Verschwörungstheoretiker wiederfanden – völlig harmlose Menschen, die natürlich nicht den kleinsten Funken solchen Gedankenguts in sich trugen, die stramm grün oder links wählten. Sie hatten bis zu diesem Zeitpunkt alles geglaubt, was der öffentlich-rechtliche Mediensektor ihnen vorgab und waren nun erschüttert über diese Zuordnung..
Es gibt also beides: Ein unglückliches Zusammentreffen von Entwicklungen, die Journalisten überfordern, und eine bewusste Abkehr von der Wahrheit als Ziel der Information. Wollte man einst durch Nachrichten beschreiben, wie die Welt ist, will man gegenwärtig immer häufiger die Information so konstruieren, dass sie dabei hilft, die Welt nach eigenem Gusto umzugestalten.
Umso wichtiger, dass Christen sich nicht aus den Medien zurückziehen. Nicht den Sumpf anderen überlassen, sondern den Sumpf trockenlegen, so anstrengend es ist. Wir müssen nicht nur mit Bewusstsein für Wahrhaftigkeit Medien konsumieren, wir müssen sie auch selbst gestalten.
Ich selbst arbeite bei einem katholischen Fernsehsender, der im deutschsprachigen Raum noch sehr klein ist: EWTN. Das Kürzel steht für Eternal Word Television Network, das Televisions-Netzwerk vom Ewigen Wort. Das mag im Deutschen etwas umständlich klingen, trifft aber den Kern dessen, was Christen auch in den Medien tun müssen: Das Ewige Wort, Jesus Christus, verkündigen.
Die Heilige Schrift mahnt uns bereits, jedes unserer Worte gut zu wägen. Mother Angelica, die klausurierte Nonne, die den Sender auf einen außergewöhnlichen Ruf Gottes hin gegründet hat, geht ausgerechnet für die wortreiche, schnelllebige Welt der Medien noch einen Schritt weiter: Nicht nur an Angemessenheit oder Nützlichkeit sollen wir die Worte messen, die wir in die Welt hinaustragen, sondern an Ihm, am Wort Gottes. Was für ein hoher, höchster Anspruch!
Er ist notwendig, weil unter all den Stimmen, die in den Medien laut werden, die Stimme Christi erstaunlich leise bleibt. Das ist kein Hexenwerk, sondern dem geschuldet, dass die gesamte digitale Welt im Grunde auf die Rekonstruktion von Wirklichkeit angelegt ist. Christentum besteht aber darauf, dass es eine Wirklichkeit gibt, dass ich mir meine Realität nicht selbst bauen kann. Kein Wunder also, dass sich Widerstand regt.
Dabei merken wir oft gar nicht, wie wir manipuliert werden. Machen wir z.B. ein Video für die Sozialen Medien und benutzen das Wort Abtreibung, so wird es vom Algorithmus herausgefiltert. Das Video wird nur noch wenigen Nutzern angezeigt. Wollen wir wir viele erreichen, sollte pro „Pro-Choice“ vorkommen – und schon haben wir Abtreibung verbal als etwas Positives dargestellt: Die Wirklichkeit wurde gebeugt.
Dies ist nur ein kleiner Ausschnitt der Schwierigkeiten, denen wir als katholische Medienschaffende ausgesetzt sind. Darum müssen wir doppelt aktiv Räume in der Medienwelt besetzen. Nicht, um noch eine Stimme zu sein, die auf Propaganda und Schlagzeilen setzt, sondern um der Wahrheit Raum zu geben. Dies tun viele kleine Akteure: Zeitungen wie Die Tagespost, Radiosender wie Radio Horeb, Magazine wie Vision2000 und eben auch unser Fernsehsender EWTN.
Es geht nicht darum, eine katholische „Bubble“, also eine abgeschlossene „Meinungsblase“ zu schaffen, in der katholische Medienkonsumenten sich wohl fühlen; eine digitale Zelle, die neben einer modernistischen, säkularen, linken und rechten Bubble existiert. Es geht darum, die Stimme Christi so beständig und unerschütterlich hinauszurufen, bis sie auch in den Seelen Fernstehender ein Echo findet.
Und das funktioniert! Immer wieder erfahren wir von Menschen, die „zufällig“ auf katholische Medien gestoßen sind und sich bekehrt haben. Die Beständigkeit des Wortes, das wir verkünden, ist ein Kontrapunkt in einer unbeständigen Welt, etwas, wonach sich die Menschen sehnen. Die Lage ist also keinesfalls so düster, wie sie scheint, wenn wir nur unseren Mut zusammennehmen und unsere Kraft inves­tieren in die beste Nachricht, in die letztlich einzig notwendige: In die Frohe Botschaft.

Die Autorin ist Redakteurin bei EWTN.TV.

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