VISION 20005/2015
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Intoleranz im Namen der Toleranz

Artikel drucken Über die wachsende Diskriminierung von Christen in Europa (Gudrun Kugler)

Wer sich heute als Christ für Ehe und Familie und den Schutz des Lebens engagiert, hat es nicht leicht. Im Kleinen und im Großen erlebt er nicht nur Unverständnis, sondern oft echten Hass! Nicht nur, dass man ihn nicht versteht, nein! Oft wird er mit Keulenbegriffen wie „homophob“, „fundamentalistisch“, „rechtsradikal“ oder „intolerant“ belegt.

So mancher verliert sogar seinen Job – und ist jedenfalls für öffentliche Ämter ungeeignet, muss mit wütenden Gegendemos rechnen, Blockaden von Vortragssälen und Grafitti-Beschmierungen.
Bereits 1983 sprach Johannes Paul II von einer Art sozialem Tod: „Neben den bekannten Formen der Verfolgung erleben wir auch eine Art soziale Diskriminierung und schleichende Einschränkung der Freiheit – bis hin zu einer Art sozialem Tod.“ Heute warnen die OSZE und der Europarat vor einer zunehmenden Intoleranz gegen Christen in ganz Europa.
Das Christentum ist die meistverfolgte Religion der Welt. In Europa sprechen wir nicht von Verfolgung. Wir sprechen von Intoleranz, die oft im Namen von vermeintlicher Toleranz stattfindet. In Europa müssen wir von unseren mutigen verfolgten Brüdern und Schwestern lernen. Wenn Menschen anderswo für ihren Glauben zu sterben bereit sind, könnten wir ein bisschen mutiger werden.
Der bekannte US-amerikanische Familienaktivist Ryan Anderson meint, Europa und die USA stehen vor einer Kreuzung: Werden christliche Überzeugungen zu Familie und Gesellschaftspolitik toleriert, wenn auch belächelt, oder sollen diese Positionen ausgemerzt werden?
Europa ist schon einige Schritte weit in Richtung Ausmerzung gegangen: Gemeinsam mit den Nuntiaturen habe ich für Christen relevante Gesetze in Europa analysiert und bin auf 42 Gesetze in 15 EU Ländern gestoßen, die die freie Religionsausübung von Christen beschränken – und zwar in fünf Rechtsgebieten:
Die Gewissensfreiheit ist eingeschränkt z.B. für medizinisches Personal: Ärzte, Hebammen, Schwestern, Apotheker, u.s.w., die ethisch problematische medizinische Tätigkeiten aus Gewissensgründen nicht verrichten wollen, kommen dadurch zunehmend unter Druck.
Elternrechte sind eingeschränkt, wenn z.B. die staatlich verordnete Sexualerziehung der Überzeugung der Eltern diametral widerspricht, und diese die Kinder nicht aus dem jeweiligen  Unterricht abmelden können. In Deutschland wurden Eltern deshalb sogar eingesperrt!
Die Rede- und Meinungsfreiheit ist eingeschränkt, wenn überschießende Gesetze gegen sogenannte „Hassreden“ dazu führen, Prediger, Intellektuelle und Politiker vor Gericht zu stellen (so geschehen in England, Frankreich und Schweden). Diese Gesetze führen auch dazu, dass die Menschen ängstlich werden und sich gar nichts mehr zu sagen „trauen“.
Privatautonomie, Vertragsfreiheit, Eigentumsrecht werden eingeschränkt, wenn in wirtschaftlichen Angelegenheiten aufgrund von sexueller Orientierung nicht unterschieden werden darf. Problematisch wird es z.B. dort, wo ein christlicher Unternehmer bei einer Verpartnerungsfeier mitwirken soll. Verurteilt wurden in den USA, in England, in Spanien, etc. christliche Floristen, Fotographen, Bäcker oder Vermieter von Veranstaltungsorten. Im Mai 2015 hat sich Österreich vorerst gegen ein solches verschärftes Gleichbehandlungsgesetz entschieden – übrigens aufgrund des Engagements von Christen in der Politik, die die ÖVP dagegen aufbringen konnten.
Die Versammlungs- und Vereinsfreiheit ist eingeschränkt, wenn Gebetszüge rund um Abtreibungskliniken unter fadenscheinigen Argumenten untersagt werden, so geschehen in Graz, Freiburg oder München. In England können christliche NGOs de facto nicht mehr um öffentliches Geld ansuchen. Werden katholische Hilfsorganisationen in einigen Jahren überhaupt noch staatliches Geld bekommen können?
Die rechtliche Seite ist aber nur die eine. Auch Vandalismus gegen Kirchen nimmt drastisch zu. Allein in Nordrhein-Westfalen gab es von 2010 bis 2014 3.504 Kircheneinbrüche und –schändungen mit einem Gesamtschaden von 2,5 Millionen Euro.
Oft kommt die Intoleranz von drei „Toleranz einfordernden“ Gruppen:
– Den radikalen Feministinnen, die faktische Gleichheit von Mann und Frau schaffen wollen. Dazu braucht es eine Sexualerziehung der Vielfalt, gratis Verhütungsmittel, freie Abtreibung ohne Gewissensvorbehalt und Kinderkrippen am besten gleich rund um Uhr.
– Die radikalen Genderisten kämpfen gegen biologische Vorgaben und gegen die Anerkennung der zwei Geschlechter in der Öffentlichkeit. Sie fordern die „Ehe“ und das Adoptionsrecht für Homosexuelle und verwehren sich gegen Ausnahmen für Religionsgemeinschaften.
– Die radikalen Atheisten oder Humanisten wollen die Religion aus der Öffentlichkeit verbannen. Dazu gehört die Entfernung der Kreuze aus Schulen und öffentlichen Gebäuden, keine öffentlichen Gelder für Religionen, keine religiöse Meinungen in der öffentlichen Diskussion. Diese Gruppe setzt sich insbesondere auch für Euthanasie ein.
Diese drei Gruppen sehen die Christen bzw. die katholische Kirche als Hauptfeind und sind intolerant im Namen einer vermeintlichen Toleranz. Ironischerweise sind die Christen in dieser Auseinandersetzung die Anwälte der Freiheit!
Josef Ratzinger wurde 2004 gefragt, wie das Christentum in Europa überleben würde. Er antwortete: „Gläubige Christen sollten sich als kreative Minderheit sehen.“ Verhalten wir uns stattdessen nicht viel zu oft wie eine beleidigte Mehrheit? Was macht eine kreative Minderheit?
– Marsch durch die Institutionen: die Mitgestaltung vieler relevanter Berufsbereiche mit überzeugten Kräften – über Medien, Schulen und  Wissenschaft.
– Hoher Aktivitätsgrad: jeden Tag eine gute Tat in unseren Anliegen – das kann auch ein Anruf, ein Leserbrief, ein Posting, ein Inhalte-Teilen auf einer Webseite sein!
– Strategische Verankerung der Ideale in großen Vereinen und Institutionen und in den Parteien.
– Mentoring der jungen Generation und Weitergabe von Selbstbewusstsein in der Kindererziehung.
– Dabei brauchen wir Leidensbereitschaft und einen langen Atem. Denn es wird Jahre dauern, bis Gesellschaft und Kultur „human-ökologischer“ werden und echter „Innenweltschutz“ in Einklang mit der Menschenwürde, sozusagen einer neuen Übereinstimmung der Gesellschaftspolitik mit der menschlichen Natur, kommen kann.
Nur als „kreative Minderheit“ können wir die Schweigespirale durchbrechen und rufen: Der Kaiser hat keine Kleider an! Diese neuen Kleider gibt es gar nicht!
In all dem steht für uns die Liebe im Vordergrund, nicht der Kampf. Wir schulden der Welt unser bestes Bemühen. Gesiegt hat schon jemand anderer. Müßiggang, Zeitverschwendung, nur an den eigenen Garten denken – das dürfen wir uns heute nicht mehr erlauben. Ich für meinen Teil habe beschlossen, Politikerin zu werden.  
Wir brauchen uns aber keine Sorgen zu machen, sagt G.K. Chesterton, denn „im Laufe der Jahrhunderte ging die Kirche mehrmals vor die Hunde. Doch stets war es der Hund, der starb!“


Hinweis
1.500 dokumentierte Fälle von Intoleranz gegen Christen und die Analyse der rechtlichen Einschränkungen finden Sie auf der Webseite:
www.IntoleranceAgainstChristians.eu

Die Juristin und Theologin Dr. Gudrun Kugler ist Mutter von vier Kindern. Sie kandidiert als „christliche Stimme“ innerhalb der ÖVP bei den Wiener Wahlen am 11. Oktober. Mit ausreichend Vorzugsstimmen kann ihr Einzug ins Stadtparlament gelingen.
Weitere Informationen: www.gudrunkugler.at.

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