VISION 20005/2015
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Der Herr der Welt

Artikel drucken Ein Klassiker über das Ende

Es handelt sich um den Roman Der Herr der Welt von Robert Hugh Benson. Das Buch ist erstmals 1907 in englischer Sprache erschienen und wurde jetzt wieder einmal in deutscher Sprache neu aufgelegt. Sein Autor, ein Priester, entfaltet ein Szenario, das die Endphase der Menschheitsgeschichte beschreibt.

Der Antichrist tritt auf. Und Bensons Antichrist erinnert an die Person, die der russische Philosoph und Schriftsteller Wladimir Solowjew Ende des 19. Jahrhunderts in seinem Werk Kurze Erzählung vom Antichrist beschreibt. Es handelt sich um eine strahlende, die Herzen der Menschen gewinnende, ja geradezu berauschende Persönlichkeit. Um einen Friedensstifter, der die Menschheit aus einer das Überleben gefährdenden Bedrohung rettet. Eine neue Ära scheint anzubrechen: Was die Botschaft Christi in Aussicht gestellt hatte, aber in der zweitausendjährigen Geschichte seit Seinem Auftreten nie verwirklicht werden konnte, ein Reich des Friedens und der Eintracht, das scheint jetzt durch das Werk von Julian Felsenburgh endlich wahr zu werden.
Die Ergriffenheit der Menschen – sie wird am Beispiel des Geschehens in England beschrieben – erreicht ein solches Ausmaß, dass auch Felsenburghs Gegenspieler, ein englischer Priester, der die gesamte Entwicklung äußerst kritisch verfolgt hatte und später in der Geschichte zum Papst gewählt wird, kurzfristig der Faszination des Herrn der Welt erliegt. Percy Franklin, dieser an sich fest im Glauben verankerte Priester, wird emotional und intellektuell in den Bann der neuen Lehre, des Aufbruchs in eine neue Zeit gezogen und es gelingt ihm nur unter Aufbietung äußerster Willenskraft nicht als ganzer Mensch – wie viele andere Geistliche und Laien – der Faszination zu erliegen.
Der Autor beschreibt diesen Augenblick des ersten großen Auftritts Felsenburghs in London und die Reaktion Franklins, der ihn in einer unübersehbaren Menschenmenge erlebt: „Es war ein Hauch in dieser großen, lebenden, menschlichen Atmosphäre. Hatte er nicht heute Morgen noch die heilige Messe gelesen – in weißen Gewändern? … Ja, er hatte daran geglaubt – wirklich geglaubt, und nun? …“ Seinen Zustand einige Zeit später beschreibt Benson so: „Sein Gefühl war erschüttert, sein Verstand zum Schweigen gebracht, die Erinnerung an die Gnade verdunkelt, ein geistiger Ekel hatte seine Seele ergriffen, nur mit letzter Anstrengung war es der Festung seines Willens gelungen, ihre Tore fest zu verschließen, Felsenburgh als König anzuerkennen.“
Percy wird nach Rom berufen, wo er wieder inneren Frieden, zu einem Glauben findet, der nun gegen Emotionen und intellektuelle Irrlichter immun ist. In Rom entwickelt er auch eine Gegenstrategie zu dem allgemeinen Aufbruch in das Reich des vom Menschen gemachten „Friedensreichs“. Er schlägt dem Papst die Gründung eines neuen Ordens vor. Seine Mitglieder müssten zur totalen Hingabe bereit sein, dem Papst unterstellt und „freier als die Jesuiten, ärmer als die Franziskaner, an Abtötung noch reicher als die Kartäuser. Männer und Frauen muss er umschließen, alle müssen sie die drei Gelübde ablegen und den Märtyrertod begehren…“
Schon bald wird das neue „Friedensreich“ sein wahres Gesicht zeigen: Es kommt, was kommen muss: die Konfrontation zwischen der vom Menschen gemachten Heilslehre und der katholischen Kirche.
An dieser Stelle lade ich Sie, liebe Leser ein, das weitere Geschehen im Buch selbst nachzulesen. Nur eines noch: Es ist erstaunlich, wie gut Benson zu Beginn des 20. Jahrhunderts viele Entwicklungen vorausgesehen hat. Und so stellt er das Geschehen in seinem Roman in mancher Hinsicht in ein Umfeld, das Ähnlichkeiten mit unserer heutigen Welt aufweist, insbesondere was das Zerstörungspotenzial von Waffen, was die Verkehrsmittel, die Globalisierung, die Vermassung oder den Umgang mit dem Tod anbelangt.
Ein Buch, das anregt, über die Verführbarkeit des Menschen – auch des scheinbar gefestigten – und die Notwendigkeit eines wirklich Gott hingegebenen Glaubens nachzudenken.
CG

Der Herr der Welt. Von Robert Hugh Benson. Media Maria, 365 Seiten, 18,95 Euro.

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