VISION 20003/2016
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Wir nannten sie Alexandra

Artikel drucken Freude über die Tochter mit Down-Syndrom (Andrea Bernhard)

„Haben Sie es vorher schon gewusst?“, war die häufigste Frage, die mir von Ärzten und allen möglichen Mitarbeitern im Spital bis hin zur Putzfrau nach der Geburt unserer Tochter gestellt wurde.

Wir haben uns damals nach der Entdeckung einer dickeren Nackenfalte im Verlauf der Schwangerschaft gegen weitere Untersuchungen entschieden, die uns angeblich Klarheit über eine mögliche Behinderung unserer Tochter verschafft hätten. Die einzige „Therapie“ bei Trisomie 21, wie damals ein uns behandelnder Arzt meinte, sei eine Abtreibung. Da eine solche für uns niemals in Frage gekommen wäre, verzichteten wir auf weitere Untersuchungen.
Wir ließen uns also die Schwangerschaft nicht vermiesen und dachten bald kaum mehr daran, dass unser Ungeborenes möglicherweise ein ganz spezielles Kind ist. Kurz nach der Geburt war aber bald klar: Gott wollte uns mit dem zweiten von unseren mittlerweile sechs Kindern ein besonderes Geschenk machen: Unser Baby hatte Down-Syndrom – wir nannten sie Alexandra.
Ich muss zugeben, dass die erste Zeit mit Alexandra sehr intensiv war: viele Arzttermine, Kontrollen der Herztätigkeit, Therapien usw. ließen mich lernen, um Hilfe zu bitten und Hilfe anzunehmen. Auch trug Alexandra in den ersten Monaten ihres Lebens stets einen kleinen Monitor mit sich herum, der bei jeder längeren Atempause einen schrillen Ton von sich gab.
Ich war mit meinen physischen Kräften zeitweise am Limit. Der „geistige Tank“ wurde jedoch dank unseres Versuches, ein Leben aus dem Glauben heraus zu führen und sicher auch dank des Gebetes und der Unterstützung so vieler unserer Freunde in dieser intensiven Zeit nie leer. Wir bekamen eine Flut von Mails, die uns in der Annahme dieses besonderen Kindes bestärkten. Ein schon älterer Freund der Familie rief meinen Mann an und sagte ihm: Jetzt habt ihr Christus tagtäglich bei euch in eurer Familie – was für eine Gnade!
Für das tägliche Leben mit Alexandra war der Rat einer damals am LKH Graz tätigen Ärztin sehr wichtig.  Auf die Frage, was wir denn bei Alexandra nun anders machen sollten als bei unserem Erstgeborenen, antwortete sie schlicht mit: „Nichts!“. Ich sollte sie genauso behandeln, wie ihren älteren Bruder Maximilian. Gerade Maximilian – so meinte sie und damit behielt sie Recht –  würde für seine jüngere Schwester eine ausgezeichnete Förderung sein.
Ein ganz normales Leben in einer Familie sei das gesündeste für ein Kind wie Alexandra. Der Rat dieser Ärztin löste ein großes Fragezeichen in mir einfach in Luft auf.
Die weiteren Jahre mit Alexandra verliefen sehr viel unkomplizierter als wir es uns erwartet hatten, und sie brachten uns viele ungeahnte Freuden. Alexandra durfte vier Jahre lang den Stella-Kindergarten in Wien besuchen, von dem sie immens profitierte und wo sie sich ganz besonders immer mit großer Liebe um die kleinen, neu hinzugekommenen Kinder kümmerte. Bald hatte sie dort viele Freunde, von denen sie auch des Öfteren nach Hause eingeladen wurde. Seit einem Jahr ist sie stolzes Schulkind – sie fieberte dem ersten Schultag monatelang entgegen – und muss nun genauso wie ihr Bruder am Nachmittag Hausaufgaben schreiben.
Dass Kinder mit Down-Syndrom eine besondere Begabung haben, ist uns oft aufgefallen: Vor allem im Bereich der sozialen Intelligenz hat Alexandra Vorteile gegenüber vielen anderen „normalen“ Kindern. Steige ich mit ihr in eine U-Bahn, dauert es keine 15 Sekunden bis sie den ersten Kontakt zu jemandem geknüpft hat. Nach jedem Aufenthalt im Warteraum einer Arztpraxis hat unsere Tochter alle Herzen für sich gewonnen, und wir merken, dass sie mit der einem Kind mit Down-Syndrom eigenen Freundlichkeit und Offenheit viele Menschen im Inneren berührt – manchmal sogar zu Tränen.
Es ist keine Übertreibung, wenn wir sagen, dass Alexandra sogar eine große Hilfe bei der Betreuung unserer kleineren Kinder ist. Ihre vier jüngeren Geschwister stehen unter ihrer umsichtigen, wenn auch manchmal etwas ungestümen Obhut.
Am 27.12.2015 erblickte ihre jüngste Schwester Laura das Licht der Welt. Wahrscheinlich hat außer mir niemand auf dieser Welt Laura für so lange Zeit in ihren Armen gehalten wie Alexandra. Stundenlang und unermüdlich sitzt sie mit ihrer kleinen Schwester auf der Couch, herzt und küsst sie und weiß sie in jeder Lage entsprechend zu beruhigen.
Manchmal macht es uns sehr betroffen, wenn wir hören, dass fast allen Kindern mit Down-Syndrom schon im Mutterleib das Recht genommen wird, geboren zu werden. Eltern, die in Erwartung eines Kindes mit Behinderung sind, können wir nur raten: Nehmt euer Kind an! Es wird nicht immer einfach sein, aber es wird euch sehr oft große Freude schenken! Wir können uns ein Leben ohne Alexandra gar nicht mehr vorstellen.


Diagnose Down-Syndrom: meist ein Todesurteil

In Österreich werden rund 90% aller Kinder mit Down-Syndrom abgetrieben. Möglich ist dies durch eine Gesetzeslage, die Abtreibung von Menschen mit Behinderung bis zur Geburt straffrei stellt. Gesunde Kinder können nur die ersten drei Monate abgetrieben werden. Für diese massive gesetzliche Diskriminierung wurde Österreich 2013 von der UN-Staatenprüfung gerügt.
Vertreter aller Parlamentsparteien sind offen für Diskussionen über eine Gesetzesänderung, nur die zuständige SPÖ-Gesundheitsministerin Sabine Oberhauser blockiert bisher jede Diskussion darüber. Jugend für das Leben demonstrierte deswegen am 21. März, dem Welt-Down-Syndrom-Tag, vor dem Parlament und forderte Oberhauser auf, ihre ideologische Haltung aufzugeben.

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