VISION 20003/2017
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Vom Geist bewegt, aber leidend und arm

Artikel drucken Gespräch über die Kirche in Afrika

Weil die Welt eng verflochten und die Kirche ein Leib ist, prägt die geistige Situation im reichen Westen das Gesche­­hen in Afrika entscheidend mit. Ein Appell an Europas Christen, sich ihrer Verantwortung zu stellen.

Eminenz, wie sehen Sie das Verhältnis der Kirche Afrikas zur Weltkirche?
Kardinal Robert Sarah: Die Frage bringt mich etwas in Verlegenheit.  Denn die Kirche Afrikas ist Teil der Weltkirche und bildet mit ihr zusammen die eine und alleinige Kirche. Es gibt also keine „afrikanische Kirche“, die der Weltkirche gegenübersteht. Richtig ist natürlich, dass die katholische Lehre von der Kirche auf der Gemeinschaft der Ortskirchen gründet. Aber ich möchte auch daran erinnern: Bei der Weltkirche handelt es sich nicht um eine Art lockeren Zusammenschluss von Ortskirchen. Die Weltkirche wird durch die Kirche Roms symbolisiert und vertreten – mit dem Papst als Oberhaupt, dem Nachfolger Petri und Leiter des Apostelkollegiums.

Heißt das, es kann keine nationalen Kirchen geben?
Sarah: Ohne gemeinsamen Glauben läuft die Kirche Gefahr, dass es zu Verwirrung kommt. Zersplitterung oder Spaltung können die Folge sein. Auch heute besteht ein großes Risiko, die Kirche zu „zerstückeln“, indem man auf den nationalen Identitäten beharrt und daraus die Fähigkeit ableitet, selbständige Entscheidungen zu treffen, besonders in so wichtigen Bereichen wie der Glaubens- und Sittenlehre. Papst Benedikt XVI. sagte einmal dazu: „Die Kirche wächst nicht, indem sie sich national einigelt, … sondern sie braucht die Einheit im Glauben, in der Lehre und der Moral. Sie braucht den Primat des Papstes und dessen Auftrag, den Glauben zu stärken.“ In diesem Sinne hat sich die Kirche in Afrika immer als Teil einer Familie gesehen, der Familie Gottes.

Welchen Beitrag leisten aus Ihrer Sicht die Katholiken Afrikas für diese eine Familie Gottes?
Sarah: Auch wenn die Kirche in Nordafrika sehr alt ist, betrachten sich die Diözesen und Gemeinden in den Ländern südlich der Sahara eindeutig als missionarische Frucht und Tochter der „westlichen“ Kirche. Die Kirche in Afrika muss sich auch weiterhin auf die theologische, liturgische und monastische Erfahrung der „alten“ christlichen Kontinente verlassen können – und auch auf deren finanzielle Unterstützung. Die Kirche Afrikas ihrerseits kann der weltweiten Christenheit in aller Bescheidenheit die Wunder zeigen, die Gott durch den Heiligen Geist in ihr gewirkt hat, aber auch die Qualen, die Jesus auch heute noch inmitten des Leids und der Armut seiner Gläubigen erduldet.

Worin bestehen diese Qualen?
Sarah: Sie sind so vielfältig: Kriege, Hunger, der verheerende Mangel an Bildungs- und Gesundheitsstrukturen. Und dann wäre da noch der verderbliche Einfluss westlicher Ideologien: der Kommunismus, die Gender-Ideologie … Afrika ist zum Auffangbecken für Verhütungsmittel und Waffen geworden. Afrika ist auch Schauplatz für den organisierten Diebstahl von Rohstoffen. Kriege werden deswegen geführt und geplant, das Chaos wird vorangetrieben. Denn so wird es möglich, die natürlichen Ressourcen ohne Rücksicht auf Recht und Gesetz abzubauen. Die Wirtschaftsmächte der Welt müssen damit aufhören, die Armen auszuplündern!

Ist der Islam eine weitere Gefahr für das Überleben der afrikanischen Kirche?
Sarah: Viele Jahrhunderte lang lebten in den Ländern südlich der Sahara Christen und Muslime friedlich Seite an Seite. Jener extremistische Islam aber, der als politische Organisation auftritt und sich dem Rest der Welt aufzwingen will, stellt nicht nur eine Gefahr für Afrika dar. Er ist vor allem eine Gefahr für die Gesellschaften in Europa, die allzu oft keine Identität und keine Religion mehr haben. Wenn eine Gesellschaft aber ihre eigenen Werte verdammt, die aus ihrer Tradition, Kultur und Religion hervorgegangen sind, dann ist sie dem Untergang geweiht. Denn sie hat damit jeglichen Antrieb, jegliche Energie und jeglichen Willen verloren, um für die Verteidigung ihrer Identität zu kämpfen.
Auszug aus einem Gespräch, das Jürgen Liminiski mit dem Präfekten der Kongregation für den Gottesdienst und die Sakramentordnung für Kirche in Not (26.4.17) geführt hat.

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