VISION 20005/2018
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Sich Christus hingeben – auch mit allen Schwächen

Artikel drucken Auf der Suche nach der eigenen Berufung (Martin Sinnhuber)

Was hat Gott mit mir vor? Was ist meine Berufung? Eine Frage, die sich eigentlich jeder stellen sollte, besonders jene aber, die der Herr als Priester beruft. Im Folgenden das Zeugnis eines Priesters über seine Berufung.

Jesus an die erste Stelle im Leben setzen zu wollen, bedeutet vor allem, das Vertrauen zu haben, dass mir dann nichts fehlen wird, wenn ich dies tue. Das gilt für die großen Entscheidungen meines Lebens. Wenn ich etwa sage: „Herr, zeige mir, wenn Du mich gerufen hast, Dir mein Leben zu schenken als Gottgeweihter oder als Priester!“ Es gilt aber genauso auch für die kleinen Entscheidungen des jeweiligen Tages: Jesus an die erste Stelle, als oberste Priorität zu setzen und alles andere Ihm unter- oder auf Ihn hin zu ordnen.
Schließlich sagt Jesus: „Wenn du dich für mich entscheiden willst, dann sollst du dein eigenes Leben gering achten.“ Das ist sehr anspruchsvoll. Es ist ja völlig normal, dass man sein Leben aufbauen, Erfolg haben will – im Job, in seinen Beziehungen, auf dem Weg zur Heiligkeit. Ich will ja wachsen. Und es ist gut, das zu wollen.  Aber Jesus sagt: „Wenn du einen Turm bauen willst, dann schau zuerst, ob du auch die Mittel dafür hast. Und wenn du in einen Kampf gehen willst, schau zuerst, ob deine Kräfte ausreichen.“
Ich persönlich habe vor 20 Jahren die Entscheidung für ein zölibatäres Leben als Priester getroffen. Ich erinnere mich noch sehr gut an den Moment, an dem ich gemerkt habe: Meine Kräfte reichen da nicht aus. Ich habe nicht die Mittel, um ein Leben lang so zu leben und dabei nicht einzugehen. Ich war damals in meinem vierten Studienjahr und bereit, das Priesterseminar zu verlassen, um etwas anderes mit meinem Theologiestudium anzufangen.
Vor den großen Sommerferien habe ich Jesus das im Gebet gesagt: „Ich glaube, ich kann das nicht. Wenn Du mich dennoch auf diesem Weg haben willst, dann musst Du mir das klar zeigen. Ich gebe Dir drei Chancen dafür: Ich mache Exerzitien in diesem Sommer, weiters ein Praktikum in einer Pfarre und als Drittes spreche ich mit jemandem, der mich schon viele Jahre lang kennt und gut begleitet hat.“
Dieser dritte Punkt war dann zeitlich gesehen der erste Schritt. Ich habe mit diesem Mann – er war verheiratet – gesprochen und ihm die Situation so hingeworfen, wie sie für mich war. Er hat sich das angehört und einen Satz gesagt, der sich mir tief eingebrannt hat: „Wenn der Herr dich ruft, Priester zu werden, wird Er einen Weg finden, wie du darin glücklich wirst. Er wird Dir helfen. Darauf kannst du vertrauen.“
Gar kein so besonderer Satz, aber er hat in diesem Moment einen Knoten in mir gelöst. Ich habe Mut gefasst: Ja, wenn es Gott will, wird es möglich sein. Im Grunde genommen gab mir dieser Mann zu verstehen: Wenn Du Christus mit ganzem Herzen wählen willst, dann musst du deine eigenen Gedanken von dem, was dir möglich scheint, aufgeben – deine eigenen Pläne, deine Sicherheiten – weil du siehst, dass dieser Ruf größer ist und dich völlig übersteigt.
Genau das sagt Jesus in der Bibelstelle im Lukas-Evangelium: Keiner kann mein Jünger sein, der nicht auf seinen ganzen Besitz verzichtet.
Das ist erstaunlich. Denn nach den Beispielen, die er davor genannt hat – vom Turmbau und vom In-den-Kampf-Ziehen – hätte man glauben können, dass Er sagt: „Niemand kann mein Jünger sein, der sich nicht vorher gründlich die Frage gestellt hat, ob er die Mittel und Kräfte dazu hat, mir ein ganzes Leben lang zu folgen.“ Das wäre eigentlich die logische Schlussfolgerung dieser Beispiele gewesen.
Genau das sagt Jesus nicht.
Sich für Christus zu entscheiden, bedeutet nicht, sich eine selbst gebastelte Heiligkeit mit den eigenen Kräften, den eigenen Mitteln aufzubauen. Das kann nur scheitern. Es heißt vielmehr, sich mehr und mehr von sich selbst zu lösen und Ihm gehören zu wollen – mit meinen Sehnsüchten, meinen Erfolgen, mit meinem Scheitern, mit meinem brennenden Herzen, aber auch mit meiner Lauheit – ganz in Wahrheit Ihm zu gehören, sogar mit meiner Sünde. Durch die Erfahrung unserer eigenen Sünde geht es darum, uns von uns selbst und von unseren falschen Bildern von uns selbst zu lösen. Darin erfahre ich jedes Mal, dass ich wirklich weder die Mittel noch die Kraft habe – aber ich kann mich Ihm überlassen. Alles Ihm hinlegen und darauf vertrauen, dass Er mich so für den Aufbau Seines Reiches brauchen kann.

Martin Sinnhuber ist als Priester Mitglied der Gemeinschaft Emmanuel. Auszug aus seinem Video-Zeugnis auf Priesterforum.net – siehe Kasten unterhalb.


Das Geschenk der Berufung zum Priester attraktiv darstellen

Dieses Zeugnis von Martin Sinnhuber ist ein Auszug aus einem der Videoprojekte der Initiative „priesterforum.net“, das von Priestern und Seminaristen betreut wird. Die Initiative will Priester, aber vor allem auch junge Menschen auf der Suche nach ihrer Berufung ansprechen. „Das Priestertum ist Geschenk – ein unendlich wertvolles Geschenk an den Menschen, der die Berufung dazu in sich spürt“ (Direktor Martin Leitner).
Über dieses Geschenk will sich „priesterforum.net“ freuen und es in all seinen Dimensionen und in all seiner Vielfalt auch schätzen. Daher bemüht sich die Initiative Priesterforum.net um wertvolle Beiträge rund um das Thema Priestertum, Berufung und Gebet für Priester. In Zusammenarbeit von Priesterforum.net und „Studio 1133“ wurden viele Referenten eingeladen, um über ihre Berufung und das Priestertum zu sprechen. Auch Studenten und Ehepaare wurden interviewt, die auf ihre Weise das Thema zur Sprache brachten und von unterschiedlichen Ansichten Zeugnis gaben.
Auf der Homepage (priesterforum.net) wurden unterschiedlichste Beiträge zum Thema Berufung gesammelt und so bietet diese Plattform heute einen reichen Schatz zur eigenen Berufungsfindung und zur Stärkung des Priestertums.
Manche Videos kommen sehr gut an und werden in nur wenigen Tagen über 5000 mal gesehen. Ziel der Initiative ist es, das Thema Berufung und Priestertum für viele junge Leute zu eröffnen, die auf ihrem eigenen Weg der Berufung sind und Stärkung suchen. Daher werden Kooperationen mit Diözesen und Priesterseminaren gesucht, wo die Berufung zum Priester medial noch mehr verkündet werden darf.
Rupert Santner

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