VISION 20003/2001
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Letztlich wird die Freude siegen

Artikel drucken Der Kampf mit der Kultur des Todes (Christof Gaspari)

Heute muß ich gestehen: Was Nathanson damals als so unglaubwürdige Bedrohung an die Wand gemalt hatte, wurde weitgehend verwirklicht: Abgetriebene Kinder wurden zu kosmetischen Präparaten verarbeitet, und “embryonales Gewebe" als “Medizin" ins Gehirn von Parkinson-Patienten - übrigens mit verheerenden Folgen für diese - verpflanzt. Künstlich gezeugte, tiefgekühlte Kinder wurden zu Tausenden verbrannt oder für Forschungszwecke verwendet. Derzeit haben Bemühungen, die Klontechnik beim Menschen zu perfektionieren Hochkonjunktur. Das Anliegen: Ersatzorgane, die nicht abgestoßen werden, für Transplantationen bereitzustellen. Die Medizin erhofft sich wahre Wunder von diesem Ansatz. Und die neueste Variante der Technik - sie hatte Nathanson noch nicht ins Auge gefaßt: Mittels Klonen Duplikate von lebenden Menschen zu erzeugen! (siehe Seite 27)

Unsere Gesellschaft macht sich zur Herrin über die Entstehung des Menschen und degradiert ihn zum Produkt, das man dementsprechend behandelt: nach Bedarf nützt, “verbessert" oder wegwirft.

Ähnlich selbstherrlich die Haltung, die man gegenüber Menschen am Ende ihres Lebens einnimmt. Ein Beispiel dafür ist die Organentnahme (siehe Seite 5). Die Legalisierung der Sterbehilfe in Holland ist ein besonderes Alarmsignal, wird doch auch in allen anderen Ländern massiv für ähnliche Lösungen geworben. Sie folgen ja der Logik unseres Fortschritts und geben außerdem dem in finanzielle Bedrängnis geratenden Gesundheitssystemen ein Mittel in die Hand, sich ihrer teuren, pflegebedürftigen Patienten zu entledigen. Natürlich wird man das nicht so brutal ausdrücken, sondern von Mitleid, Barmherzigkeit und freiem Willen der Leidenden sprechen. Und so wird bald auch das Lebensende der Herrschaft des Menschen unterworfen werden.

Wir leben in einer Zeit des totalitären Machtanspruchs der Forscher, Techniker und Macher, die keine Grenze mehr akzeptieren, und der Herrschaft eines Apparates, der sich alles unterwirft - auch die Existenzberechtigung der Menschen, die ihn eingerichtet haben. Daß dieser Totalitarismus auf demokratische Weise errichtet wird, ändert nichts an seiner Bedrohlichkeit. Es geht hier tatsächlich um Tod oder Leben, um Segen oder Fluch.

Darum dürfen wir Christen nicht wegschauen, auch wenn die Versuchung dazu groß sein mag. Hat nicht jeder von uns die vielen Horrormeldungen satt? Laufend wird es schlimmer, trotz aller Bemühungen, trotz allen Argumentierens. Man spürt eine tiefe Hilflosigkeit, die entweder zur Verzagtheit oder zur Verbitterung verleitet. Viele von uns erliegen dieser Versuchung. Es nützt ohnedies nichts... Oder: Dreinfahren müßt' man, die alten Ordnungen wiederherstellen!

Man versucht, sich gegen den Zeitgeist zu stemmen, ist bemüht, bewährte Spielregeln der Gesellschaft und die christlichen Werte hochzuhalten. Aber jeder neue Rückschlag bestärkt einen dann entweder in der Resignation oder in der Auflehnung.

So verständlich beide Einstellungen sind, so wenig werden sie uns aus der Misere heraushelfen, weil es sich um Reaktionen auf die Kultur des Todes handelt. Sie wird damit bestimmend auch für die Haltung der Christen. Dieses reaktive Verhalten ist fatal, weil es uns auf eine falsche Fährte lockt - und vor allem: weil es uns die Freude am Leben raubt.

Und damit bin ich an jenem Punkt angelangt, der mir diesmal besonders wichtig erscheint: Es geht vor allem um die Freude am Leben. Sie ist es ja, die heute unter die Räder kommt.

Wohin man kommt, alles ächzt unter der Last des Alltags, der gerade noch mit Aufbietung aller Kräfte bewältigt wird. Wie geht es Dir? Und schon kommt eine lange Liste von Unbillen an den Tag. Kommt es zu einer zusätzlichen Belastung, droht der Zusammenbruch. Epidemieartig vermehren sich die Depressionen (Siehe Seite 27-28).

Was ist nun aber die Alternative dazu? Es ist das uneingeschränkte Bekenntnis zur Kultur des Lebens. Diese Kultur des Lebens wächst aber nur, wo Freude am Leben herrscht. Insbesondere Freude am eigenen Leben!

Darf ich Sie daher, liebe Leser, an dieser Stelle fragen: Freuen Sie sich über Ihr Leben? Wirklich? Sind Sie Gott dankbar dafür, daß Er Sie geschaffen hat? Daß Er Sie durchs Leben begleitet? Und: Können andere auch erkennen, daß Sie diese Dankbarkeit im Herzen tragen?

Ich traue mich, Ihnen diese Fragen so persönlich zu stellen, weil ich sie mir selbst auch vorgehalten und dabei bemerkt habe, daß ich sie leider guten Gewissens nicht mit einem klaren Ja zu beantworten vermochte.

Sind wir hier nicht an einem zentralen Punkt unseres Themas angelangt: Woher sollen denn die Menschen unserer Tage die Freude am Leben hernehmen, wenn niemand da ist, der diese Freude erfahrbar ausstrahlt? Warum sollen Menschen anderswo als in den Einkaufszentren und an den Palmenstränden das bißchen Lebensglück suchen, nach dem sie sich ausstrecken, wenn sie keine überzeugenderen Angebote vorgesetzt bekommen? Wenn sie überwiegend Christen begegnen, die sich als ausharrender Rest auf einem untergehenden Schiff gebärden?

Nun weiß ich schon, daß es sinnlos ist, jemandem Freude zu verordnen, nach dem Motto: Jetzt strahl' doch endlich! Welch unsinnige Aufforderung. Und selbst wenn dies gelänge, wen würde eine solcherart aufgesetzte Haltung überzeugen? Freude läßt sich nun einmal weder produzieren, noch verordnen. Aber man kann sie sich schenken lassen. Und der Herr will sie uns schenken.

Jedes Jahr bin ich zutiefst betroffen von den Lesungen aus den ersten Kapiteln der Apostelgeschichte. Welche Veränderung an den Jüngern, die noch vor wenigen Tagen von Angst und Resignation geprägt gewesen waren! Neue Menschen hat der Heilige Geist aus ihnen gemacht, voll Mut, Zuversicht und Freude.

Und ähnliches will Er in unseren Tagen wirken, wo rein menschlich betrachtet so vieles ausweglos erscheint. So stehen wir heute vor derselben Herausforderung wie die Apostel, uns nach der Gabe des Heiligen Geistes auszustrecken, der alles zu erneuern vermag. Er wird uns hellhörig machen für die Wunder, die auch in unserem Leben geschehen.

Dann werden wir die vielen Gründe entdecken, uns zu freuen und unseren Blick für das viele Schöne in unserem Leben schärfen. So werden wir lernen, das Geschenk Gottes, das unser Leben darstellt, mit neuen Augen zu sehen, und uns über dieses Geschenk wieder freuen - trotz aller Mühen, die es auch bereitet.

Nicht indem wir ihr den Kampf ansagen, werden wir der Kultur des Todes das Wasser abgraben, sondern indem wir uns in die Hand Gottes geben, der auch Auswege aus den Nöten unserer Zeit weiß. Er nimmt uns die Last von der Schulter, für alles selbst Lösungen finden zu müssen. Welch eine Befreiung! Und Er weist uns den Weg des Gebetes, das Berge versetzen kann, und weitaus mehr bewirkt, als wir aus unserer Froschperspektive erbitten.

Darum lassen auch wir uns vom Apostel Paulus zurufen, was er den Philippern schreibt: “Freut Euch im Herrn zu jeder Zeit! Noch einmal sage ich: Freut euch!" (Phil 4,4) Zu jeder Zeit!

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