VISION 20003/2001
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Magie - scherzhaft, makaber und böse

Artikel drucken Auseinandersetzung mit Harry Potter (Wolfram Schrems)

Der Autor setzt sich mit dem Erfolgsphänomen Harry Potter in differenzierter und sachkundiger Weise auseinander. Es sind alle vier bisher erschienenen Bände berücksichtigt. Nachdem sich diözesane Stellen in Österreich zum Teil nicht sehr hilfreich zu diesem Thema geäußert und kritische Stimmen unzulässigerweise konterkarriert haben, braucht es ein klärendes Wort, das dieses Buch jedenfalls bietet. (Dessen evangelikale Herkunft ist in diesem Zusammenhang unerheblich.)

Es wird zunächst festgehalten, daß die aus den Büchern herausgearbeiteten Voraussetzungen nicht notwendigerweise die Weltanschauung der Autorin sein müssen. “Mrs. Rowling selbst hat deutlich gemacht, dass sie nicht an die Magie glaubt, die in ihren Büchern zu finden ist. Sie sagt auch klar, dass sie keinerlei Absicht hegt, Kinder zur Zauberei zu verführen."

Als atmosphärisch unserer Zeit innewohnend beeinflussen diese Voraussetzungen andererseits jeden, ohne daß er sich dessen zunächst bewußt sein muß. Verschwommene Zeiten bringen eben zweideutige Literatur hervor.

Drei Kritikpunkte seien herausgegriffen: Die Macht der Phantasie, die inneren Bilder und die mit Gefühlen verbundenen Vorstellungen aus der Kindheit sind erstens bei weitem stärker als das rationale Argument und sie prägen uns zeitlich früher und innerlich massiver als diese. Die dargestellte Welt der Zauberschule greift emotional viel folgenschwerer in die Seele der Kinder als die aus einer Zeitschrift zitierte Beteuerung der Autorin: “Ich versuche niemanden zur schwarzen Magie zu verleiten."

Das heißt, auch wenn die Autorin subjektiv keine verwerflichen Absichten haben mag, so “wendet sich Fantasy an das Unterbewußtsein" und “die Autorin hat angedeutet, daß die düsteren Szenen und die Gewalt der Geschichten in den kommenden Bänden wahrscheinlich eher zunehmen werden."

Der zweite Kritikpunkt ist eben diese fehlende Eindeutigkeit, ein Symptom unserer Zeit. “Harry Potter präsentiert uns ein nicht ganz geheures Spektrum von okkulten und magischen Praktiken, das vom Scherzhaften bis zum wirklich Makabren und Bösen reicht. Daraus ergibt sich die Frage, wo die Grenze zu ziehen ist. Obwohl bei einigen Figuren klar zu erkennen ist, daß sie eher zur dunklen Seite gehören, wird vorausgesetzt, daß der ganze Rest zunächst einmal auf der Seite des Lichts steht. Doch da es keine Autorität gibt, auf die sich die helle Seite berufen könnte, gibt es keinen Grund, warum der Rest per se auf der guten Seite stehen sollte. ... Indem hier manchen Aspekten der Hexerei ein lachendes Gesicht aufgemalt wird, ohne daß klare moralische Grenzen gezogen werden, wird es Kindern zu leicht gemacht, selbst zu experimentieren. Insbesondere deshalb, weil sie nicht wissen, daß in der wirklichen Welt rituelle Spiele denjenigen, die verwundbar sind, eine Menge Probleme eintragen können."

Drittens wird eine Form von Elite-, beziehungsweise Vorherbestimmungsdenken eingeführt, das an das Kastensystem erinnert: Ein Muggel ist und bleibt ein Muggel und wird nie die Zauberei begreifen. Zur Einweihung in die Magie muß man geboren sein. Dazu paßt, daß die Bürgerfamilie Dursley abscheulich, dumpf und langweilig gezeichnet wird.

Das Buch, das seine Qualität auch durch einige gut plazierte Verweise auf das Werk von C.S. Lewis bezieht, ist Eltern, Erziehern und Seelsorgern dringend zu empfehlen - besonders aber diözesanen “Fachstellen".

Wolfram Schrems

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