VISION 20005/2007
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Das verweltlichte Europa: eine Gefahr für zugewanderte Moslems?

Artikel drucken Ein kinderloser Kontinent verschaukelt seine Zukunft (Von Paul Kengor)

Westeuropa, Heimstätte des Vatikans und der Reformation, von Katholizismus und Protestantismus, Thomas von Aquin und Calvin, G.K. Chesterton und C.S. Lewis, von Rom und Wittenberg, gibt seine christliche Identität auf. Es geschieht mit großem Eifer und ohne Bedrohung durch die Vandalen.

Wohin man schaut: Der Relativismus macht sich überall breit, der Relativismus ist oberster Wert - und die Geburtenraten befinden sich im freien Fall.

Das Europa von heute und morgen ist längst nicht mehr das von gestern. Ein tiefgreifender Wandel findet statt. Er hat weitreichende kulturelle Folgen. Harvard-Professor Samuel Huntington hatte recht, als er einen Kampf der Zivilisationen vorhersah. Die Konfrontation wird sich allerdings nicht so sehr zwischen Christen und Muslimen, als vielmehr zwischen Muslimen und einer säkularisierten Gesellschaft abspielen.

Wir können den Zusammenprall auf unseren Bildschirmen beobachten: Das “aufgeklärte" säkularisierte Europa erklärt das Problem als religiösen Fundamentalismus jeglicher Art. Da die Europäer Kultur-Relativisten sind, sehen sie nicht , daß nur der radikale Islam für die Gewalt verantwortlich ist. Stattdessen verurteilen sie glaubenstreue Religiosität im allgemeinen und klagen damit ganz bewußt die gläubigen Christen an.

Die Geburtenrate der EU liegt laut Maggie Gallagher - sie ist Präsidenten des “Institute for Marriage und Public Policy" - unter 1,5 Kindern pro Frau. Das bezeichnen Demographen als “sehr niedrige Fruchtbarkeit". Um das Bevölkerungsniveau unter heutigen Bedingungen aufrechtzuerhalten wäre ein Wert von 2,1 erforderlich. Da einige europäische Nationen - Deutschland, Italien, Portugal, Griechenland, Spanien und weite Teile Osteuropas - sich rasch auf 1,0 Kinder pro Frau zubewegen, sagt Gallagher diesen Völkern voraus, sie würden ihre Bevölkerung von einer Generation zur nächsten halbieren. “Es ist kein Kunststück vorherzusagen, daß dieses Familienmodell keine Kultur auf Dauer am Leben erhält," stellt Gallagher fest. “Das heißt, keine Kultur, die sich diesem Modell verschreibt."

Gallagher weist auf folgende Ironie hin: In entwickelten Gesellschaften, die sich eigentlich große Familien leisten könnten, findet man keine mehr. “Man bedenke: Alle diese Gesellschaften, die ansonsten optimale Voraussetzungen für menschliche Entfaltung - Rechtssicherheit, Stabilität, Demokratie, Wohlstand, Freiheit - mitbringen, befinden sich plötzlich in einer Lage, in der ihnen abhanden kommt, was jeder primitive Stamm zusammenbrachte: junge Männer und Frauen zusammenzuführen, damit sie Kinder bekommen und für die nächste Generation großziehen."

Gallagher bedauert, daß selbst katholische Länder in Europa wie Irland und Italien keine Babys mehr haben und weitverbreitet auf Geburtenkontrolle setzen - und dabei die Lehre die Kirche vollkommen ignorieren. Italien befinde sich ihrer Meinung nach in einem “fortgesetzten Absturz", was die Geburten anbelangt, und es weist die niedrigste Rate in Europa auf. Irlands Geburtenraten sind zuletzt unter die Grenze für die Aufrechterhaltung des Bevölkerungsniveaus gefallen. Was noch schlimmer ist: Die unehelichen Geburten sind in den letzten 20 Jahren sprunghaft angestiegen, von 5 auf 30 Prozent. “Indem die Iren reich werden, nehmen sie das westliche Muster der Nicht-Familie an," hält Gallagher fest.

Befragt über die Zusammenhänge zwischen diesen Trends und dem Abbau des Christentums auf dem Kontinent erklärt Gallagher, für die Sozialwissenschaft sei es schwierig, die Effekte auseinanderzuhalten. Sie wirkten wohl in beide Richtungen: Sobald Menschen sich auf einen Lebensstil einlassen, der zum Glauben in einem Spannungsverhältnis steht, neigen sie dazu, den Glauben aufzugeben. In dem Maß, in dem sich ihr Glaube abschwächt, verlieren sie Motivation und Kraft, ihr sexuelles Verhalten so zu disziplinieren, daß es Lebensraum für die kommende Generation schafft: Sie haben mehr außereheliche sexuelle Beziehungen - wenn sie überhaupt heiraten -, sie lassen sich eher scheiden, leben eher unverheiratet zusammen und haben weniger Kinder.

Während immer mehr eingeborene Europäer den Glauben und Babys ablehnen, hat die rasch wachsende Zahl der muslimischen Einwanderer eine andere Wahl getroffen. Das Ergebnis: zunehmende Konflikte, wachsende Besorgnis wegen der Sicherheit der Europäer, die sich als Opfer radikaler Islamisten sehen.

Eine ungewöhnliche, umstrittene Ansicht vertritt Ralph Peters, Militärhistoriker, bekannter Kolumnist und Autor eines guten Dutzends von Büchern. Er behauptet folgendes: Statt Sympathie für die angeblich von radikalen Muslimen auf ihrem Heimatboden herausgeforderten Westeuropäer zu haben, sollte sich die Welt eher um die Moslems sorgen.

Peters sieht einen möglichen Gegenschlag voraus, ein Szenario, bei dem die Europäer eines Tages die Muslime verfolgen könnten. Er sieht das so: Stellt man die Geschichte des oft sehr brutalen Umgangs Europas mit ethnischen Minderheiten in Rechnung, so sollte es niemanden überraschen, wenn die hochentwickelten Europäer plötzlich böse auf ihre muslimische Minderheit werden. Peters meint, “der Unwillen ist längst schon da und wartet nur auf einen Auslöser - etwa eine Welle terroristischer Angriffe - um sich zu entladen."

Sobald “der Wohlstand stark genug bedroht ist", befürchtet Peters ein - vielleicht brutales - Zusammenbrechen der Europäer. “Trotz all seines pazifistischen Gehabens," stellt er fest, “ist Europa der Kontinent, der Völkermord und ethnische Säuberungen perfektioniert und mehr menschengemachten Tod exportiert hat als andere Kontinente."

Der Autor ist Professor für Politikwissenschaft und Direktor des “Center for Vision & Values" am Grove City College in Pennsylvania. Auszug aus “The Catholic World Report" Juli 2007

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