VISION 20001/2016
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Eure Familien sind „Fabriken“ der Hoffnung

Artikel drucken Die Liebe überwindet Schwierigkeiten (Papst Franziskus)

2015 ist Papst Franziskus sehr oft auf das Thema Familie zu sprechen gekommen. Dabei wurde jeweils deut­lich, dass er um die Mühen des Alltags weiß. Gleich­zeitig ermu­tigt er aber dazu – so etwa beim Weltfamilientreffen –, mit Gottes Hil­fe die Liebe zuein­ander wachsen zu lassen, um zu bezeugen: Am Schicksal der Familie entscheidet sich unsere Zukunft.

Die Familie besitzt den Ausweis der göttlichen „Staatsbürgerschaft“. Ist das klar? Diesen Bürgerschaftsausweis hat Gott selbst der Familie ausgestellt, damit in ihrem Schoß die Wahrheit, die Liebe und die Schönheit ständig zunehmen. Gewiss, einige von euch können mir sagen: „Pater, Sie sprechen so, weil Sie unverheiratet sind.“ In der Familie gibt es Schwierigkeiten.
In den Familien bereiten die Kinder Kopfschmerzen. Und sprechen wir schon gar nicht von den Schwiegermüttern…
Immer, immer gibt es in den Familien ein Kreuz. Immer. Denn die Liebe Gottes, der Sohn Gottes hat uns auch diesen Weg eröffnet. Doch es gibt in den Familien nach dem Kreuz auch die Auferstehung, weil der Sohn Gottes uns diesen Weg aufgetan hat. Darum ist die Familie – verzeiht mir das Wort – eine „Fabrik“ der Hoffnung, der Hoffnung auf Leben und Auferstehung, da Gott es war, der diesen Weg eröffnet hat.
Und die Kinder… Die Kinder machen Arbeit. Wir selbst haben als Kinder Arbeit gemacht. Zu Hause sehe ich manchmal einige meiner Mitarbeiter mit Ringen unter den Augen zur Arbeit kommen. Sie haben ein Baby, das  einen oder zwei Monate alt ist. Und ich frage sie: „Hast du nicht geschlafen?“ – „Nein. Es hat die ganze Nacht geweint.“ In der Familie gibt es Schwierigkeiten, doch mit Liebe werden diese Schwierigkeiten überwunden. Hass überwindet keine Schwierigkeit. Die Entzweiung der Herzen überwindet keine Schwierigkeit. Allein die Liebe ist fähig, die Schwierigkeit zu überwinden. Die Liebe ist ein Fest, die Liebe ist Freude, die Liebe ist ein Vorangehen.
Ich will nicht noch länger reden, denn es wird allzu spät, möchte aber zwei kleine Punkte in der Familie hervorheben, die ich der besonderen Fürsorge empfehlen möchte – nicht nur „möchte“: Wir müssen ihnen besondere Fürsorge widmen: Es sind  die Kinder und die Großeltern. Die Kinder und die Jugendlichen sind die Zukunft, die Kraft, sie sind diejenigen, die alles voranbringen. Sie sind die, auf die wir unsere Hoffnung setzen. Die Großeltern sind das Gedächtnis der Familie. Sie sind es, die uns den Glauben schenkten, den Glauben übermittelten. Für die Großeltern zu sorgen und für die Kinder zu sorgen, ist der Beweis vielleicht nicht der größten, wohl aber der vielversprechendsten Liebe der Familie, denn sie verspricht die Zukunft. Ein Volk, das nicht versteht, für die Kinder zu sorgen, und ein Volk, das nicht versteht, für die Großeltern zu sorgen, ist ein Volk ohne Zukunft, weil es nicht die Kraft und nicht das Gedächtnis hat, die sie voranbringen.
Nun gut, die Familie ist schön, hat aber ihren Preis; sie bringt Probleme mit sich. Manchmal gibt es Feindseligkeiten in der Familie; der Mann streitet mit der Frau, oder sie schauen sich böse an, oder die Kinder gegen den Vater…Ich gebe euch einen Rat: Niemals den Tag beenden, ohne Frieden in der Familie zu schließen. In einer Familie darf man den Tag nicht im Krieg beenden.
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Perfekte Familien gibt es nicht, und das braucht uns nicht zu entmutigen. Ganz im Gegenteil, die Liebe wird erlernt, die Liebe wird gelebt, die Liebe wächst, indem sie entsprechend den Le­bens­umständen, die jede konkrete Familie durchmacht, „erarbeitet“ wird. Die Liebe keimt auf und entwickelt sich immer zwischen Licht und Schatten. Liebe ist möglich unter konkreten Männern und Frauen, die versuchen, Konflikten nicht das letzte Wort zu überlassen, sondern sie zu einer neuen Gelegenheit zu machen. Zu einer Gelegenheit, um Hilfe zu bitten, einer Gelegenheit, sich zu fragen, worin wir uns bessern müssen, einer Gelegenheit, den Gott-mit-uns zu entdecken, der uns nie verlässt. Dies ist ein großes Erbe, das wir unseren Kindern hinterlassen können, eine sehr gute Lehre: Wir machen Fehler, ja; wir haben Probleme, ja. Aber wir wissen, dass das nicht das Endgültige ist. Wir wissen, dass die Fehler, die Probleme und die Konflikte eine Gelegenheit sind, den anderen näher zu kommen, Gott näher zu kommen.

Auszüge aus der Ansprache beim Fest der Familie in Philadelphia/USA am 26.9.15

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