VISION 20001/2016
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Vergeben schenkt Leben

Artikel drucken zum Jahr der Barmherzigkeit

Die Barmherzigkeit (ist) in der Heiligen Schrift das Schlüsselwort, um Got­tes Handeln uns gegenüber zu beschreiben. Er beschränkt sich nicht darauf, Seine Liebe zu beteuern, sondern er macht sie sichtbar und greifbar. Tatsächlich kann die Liebe nie ein abstrakter Begriff sein. Aus ihrer Natur heraus ist sie stets konkrete Wirklichkeit: Absichten, Einstellungen und Verhalten, die sich im tagtäglichen Handeln bewähren. Die Barmherzigkeit Gottes entspringt Seiner Verantwortung für uns. Er fühlt sich verantwortlich, d.h. Er will unser Wohl, und Er will uns glücklich sehen, voller Freude und Gelassenheit. Auf der gleichen Wellenlänge muss die barmherzige Liebe der Christen liegen. Wie der Vater liebt, so lieben auch seine Kinder. So wie Er barmherzig ist, sind auch wir berufen, untereinander barmherzig zu sein.
Der Tragebalken, der das Leben der Kirche stützt, ist die Barmherzigkeit. Ihr gesamtes pastorales Handeln sollte umgeben sein von der Zärtlichkeit, mit der sie sich an die Gläubigen wendet; ihre Verkündigung und ihr Zeugnis gegenüber der Welt können nicht ohne Barmherzigkeit geschehen. Die Glaubwürdigkeit der Kirche führt über den Weg der barmherzigen und mitleidenden Liebe. Die Kirche „empfindet einen unerschöpflichen Wunsch, Barmherzigkeit anzubieten“.
Vielleicht haben wir es für lange Zeit vergessen, auf den Weg der Barmherzigkeit hinzuweisen und ihn zu gehen. Auf der einen Seite hat die Versuchung, stets und allein die Gerechtigkeit zu fordern, uns vergessen lassen, dass diese nur der erste Schritt ist. Dieser Schritt ist zwar notwendig und unerlässlich, aber die Kirche muss darüber hinausgehen um eines höheren und bedeutungsvolleren Zieles willen.
Auf der anderen Seite ist es traurig ansehen zu müssen, wie die Erfahrung der Vergebung in unserer Kultur immer seltener wird. Sogar das Wort selbst scheint manchmal zu verschwinden. Ohne das Zeugnis der Vergebung bleibt aber nur ein unfruchtbares, steriles Leben, als würde man in einer trostlosen Wüste leben. Für die Kirche ist erneut die Zeit gekommen, sich der freudigen Verkündigung der Vergebung zu widmen. Es ist die Zeit, zum Wesentlichen zurückzukehren und sich der Schwächen und der Schwierigkeiten unserer Brüder und Schwestern anzunehmen.
Die Vergebung ist eine Kraft, die zu neuem Leben auferstehen lässt und die Mut schenkt, um hoffnungsvoll in die Zukunft zu blicken. Wir können die große Lehre nicht vergessen, die der heilige Johannes Paul II. in seiner zweiten Enzyklika Dives in misericordia dargelegt hat. (…) Diese seine Lehre ist mehr denn je aktuell und verdient es, in diesem Heiligen Jahr wieder aufgegriffen zu werden. Nehmen wir darum erneut seine Worte auf: „Die Kirche lebt ein authentisches Leben, wenn sie das Erbarmen bekennt und verkündet – das am meisten überraschende Attribut des Schöpfers und des Erlösers – und wenn sie die Menschen zu den Quellen des Erbarmens des Heilandes führt, welche sie hütet und aus denen sie austeilt.“
Die Kirche hat den Auftrag, die Barmherzigkeit Gottes, das pulsierende Herz des Evangeliums, zu verkünden. Durch sie soll die Barmherzigkeit das Herz und den Verstand der Menschen erreichen.
Auszug aus Misericordiae Vultus, Verkündigungsbulle zum außerordentlichen Jubiläum der Barmherzigkeit.

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