VISION 20001/2016
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Zur Ruhe finden

Artikel drucken (Ignaz Steinwender)

Der Philosoph Pascal hat einmal gesagt: Das Elend des Menschen besteht darin, dass er nicht einmal allein in Ruhe im Zimmer sitzen kann. Und jemand beschrieb die Situation unserer Zeit mit den Worten: Wir wissen zwar nicht wohin, aber wir sind schneller dort! Und Romano Guardini hat in einem Brief Gedanken über die Seele geäußert und dabei auch die Haltung der Ruhe zu umschreiben versucht.
Die Ruhe, schreibt Guardini, ist mehr als bloßes Nicht-Arbeiten. Es ist eine Fülle in sich selbst. Wenn Arbeiten, Schaffen, Streben nach irdischen Zielen das einzige wird, so dass nach jedem Ziel, das erreicht wird, das nächste kommt und die irdischen Ziele das einzige sind, dann verliert der Mensch seinen Grund, seinen Halt, den Blick auf das eigentliche Ziel, die Ewigkeit.
Dann gibt es keinen Besitz mehr, kein Freuen, keine Versenkung, alles ist Hast, Jagd auf dieses oder jenes, oder Lärm. Und mitten in der Masse fühlt sich der Mensch oft einsam und verlassen.
Ruhen heißt, aus dieser Jagd heraustreten, um die Gegenwart lebendig zu erfahren, nicht mehr der Zeit verfallen sein. Wer ruhen kann, ist zugleich offen für die Ewigkeit, für das eigentliche Ziel.
So schreibt Romano Guardini: „Wer ruhen kann, dem sind die Augen für das Ewige aufgetan. Er allein schaut das Bleibende, das Wesenhafte. Er allein besitzt. Er allein weiß, was Freude ist. Er allein weiß, was Friede ist. Nur das ruhige Herz fühlt tief und groß. Nur das ruhige Herz hat Dauer.“
Wer ruhen kann, wird ruhig. Die Ruhe ist nicht ein Aussetzen der Arbeit, sondern ein Gleichmaß, das alles erfüllt. Die Ruhe ist für das Werk, was die stille Erde für die Pflanzen ist. Sie gibt Kraft und Fülle und Dauer. Sie ist die Seele des Schaffens, macht es reich und fruchtbar. Der Ruhende ist ganz in der Gegenwart und zugleich ausgerichtet auf die Ewigkeit. Er erlebt einen Vorgeschmack auf die ewige Ruhe, die höchste Aktivität ist.
Im Gegensatz zur Unruhe unserer Zeit kennt der Heilige Augustinus eine positive Unruhe, wenn der Mensch merkt, dass er noch nicht ganz in Gott ist. Deshalb sagt er: Unruhig ist mein Herz, bis es ruht in Dir.
Wer die tiefere Bedeutung der Sonntagsruhe entdeckt, der wird erfahren, dass das Halten des Sonntags die Aktivität an den Werktagen trägt und positiv lenkt, dass die Zeit und das Sein des Menschen mit Sinn erfüllt wird. Wenn wir Gott Zeit schenken, schenkt er uns einen Vorgeschmack auf die Ewigkeit.

Der Autor ist Pfarrer in Zell am Ziller in Tirol, sein Beitrag ein Auszug aus Zillertaler Glaubensbote 106.

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