VISION 20001/2016
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Kinder aufzuklären, ist Sache der Eltern

Artikel drucken Von klein auf bereit sein, alle Fragen zu beantworten (Maria und Richard Büchsenmeister)

Sexuelle Motive, wohin man schaut. Schon kleine Kinder kann man vor dieser Indoktrination nicht ganz bewahren. Also muss man sich der Herausforderung stellen und sie in geeigneter Weise rechtzeitig befähigen, in der übersexualisierten Welt zu bestehen. Ein Erfahrungsbericht.

Vor 20 Jahren haben wir begonnen, uns mit dem Thema Sexualerziehung auseinander zu setzen. Aus gegebenem Anlass. Unsere ersten - heute bereits erwachsenen - Kinder haben damals angefangen, sich für Liebe, Fruchtbarkeit und Sexualität zu interessieren.
Besonders unser ältester Sohn stellte viele Fragen: „Woher kommen die Kinder? Wie und wo entsteht das Baby?…“ Da wurden wir richtig gefordert, denn er war gerade knappe vier Jahre alt.
Heute wissen wir, dass dieses Alter das typische „Fragealter“ für alle Themen rund um Sexualität und Fruchtbarkeit ist. Falls die Mutter oder jemand im Verwandtenkreis ein Baby erwartet, werden diese Themen sogar noch früher interessant. Da ist etwa die Frage eines Dreijährigen aus unserem Bekanntenkreis nicht ungewöhnlich: „Mama, als ich auf die Welt gekommen bin, bist du da geplatzt?“ – „Nein, nein, da platzt man nicht!“ antwortet die Mutter überrascht. Da folgert der Kleine: „Dann kommen die Babys beim Mund heraus!“
Um für solche Fragen gerüstet zu sein, besprachen wir oft am Abend gemeinsam mögliche Antworten. Denn egal welche Fragen unsere Kinder stellten – wir versuchten, ihnen die  Antwort nie schuldig zu bleiben. Manchmal erst nach einiger Zeit des Nachdenkens, aber möglichst noch am gleichen Tag.
Erst langsam fiel uns auf, dass kaum jemand in unserem Freundeskreis in dieser Weise erzog. So begleitete uns kurze Zeit die Frage: „Ist es nicht doch zu früh?“ Die wunderbaren Vorträge von Irmgard Hagspiel, eine renommierte Vorarlberger Sexualpädagogin, haben uns auf diesem Weg sehr bestärkt. Zusätzlich konnten wir jeden Tag beobachten, dass Wissen über biologische Vorgänge unsere Kinder ruhig und zufrieden macht. Hatten sie ihre Antwort bekommen, widmeten sie sich wieder voller Hingabe einem anderen Thema.
Nicht nur wir haben die Erfahrung gemacht, dass man mit Aufklärung gar nicht früh genug beginnen kann. Auf jeden Fall „besser zwei Jahre zu früh als zwei Minuten zu spät“, wie es Irmgard Hagspiel treffend auf den Punkt gebracht hat. Das betrifft auch jene Kinder, die keine offenen Fragen stellen. Denn auch sie interessieren sich genauso früh  für diesen Themenbereich und sind auf der Suche nach Antworten. Geben diese nicht wir Eltern, tun es andere.  
Eine schöne Sprache z.B. über die biologischen Abläufe, die korrekten Bezeichnungen der Geschlechtsorgane oder die Entstehung des Menschen, zeigt nicht nur Gesinnung, sondern sie prägt sie auch. Niemand würde bei der Erklärung des Blutkreislaufes auf die Idee kommen, das Herz als „Blutpumperl“ zu bezeichnen. Es ist das Normalste der Welt, die richtige Bezeichnung zu verwenden. Im Bereich der Sexualität sind wir aber oft geneigt, dieses Prinzip nicht anzuwenden. Keine Frage, hier spielt mehr mit als nur die Biologie: Erotik, Emotionen – und vielleicht nicht so schöne persönliche Erfahrungen. Die Kinder jedoch sehen Sexualität vorerst fast nur unter dem Aspekt der reinen Biologie. Sexualität dient in ihren Augen nur der Weitergabe des Lebens.
Dieses Wissen war für uns eine große Erleichterung und wir lernten schnell, auf die Ebene unserer Kinder zu steigen, um ihren Blick­winkel einzunehmen. Dazu war uns Dr. Rötzer und seine Forschungen rund um den weiblichen Zyklus eine unschätzbare Hilfe. Unsere Bildung im Bereich der Natürlichen Empfängnisregelung hat uns nicht nur Wissen vermittelt, sondern es  war die notwendige Voraussetzung, um auch als Paar über Sexualität sprechen zu lernen. Den Kindern in einer schönen Sprache die Weitergabe des Lebens zu erklären, war dann der zweite Schritt.
Durch die Erfahrung aus einer unserer Herkunftsfamilien waren wir uns immer sicher: Wir können auch in der Pubertät ein interessanter Ansprechpartner für unsere Kinder sein – gerade im Bereich der Sexualität. Wenn sie sich als kleine Kinder offen an uns wenden und wir ihr Vertrauen nicht enttäuschen, warum sollte sich das plötzlich ändern? Diese Rechnung ist aufgegangen! Unsere Kinder (auch die erwachsenen) sprechen mit uns noch immer gerne über dieses Thema: am Mittagstisch oder an einem gemütlichen Abend in der Runde, aber auch einzeln.
Natürlich haben Eltern nicht alles in der Hand. Die Kinder reifen und müssen sich selbst eine Meinung bilden, um sich für einen Weg entscheiden zu können. Die Grundlage dafür ist ausreichendes Wissen. Wir Eltern haben die Möglichkeit, über die Biologie und die Naturwissenschaft unsere Werte vernünftig und logisch zu vermitteln: nicht als religiöse Gebote, sondern als logische Folgerung der Natur und der Beschaffenheit der menschlichen Person. Hier erleben wir die Weiterbildungen des Institutes für Natürliche Empfängnisregelung (INER)  als aktuelle und verlässliche Wissensquelle. Darüber hinaus hat der hl. Johannes Paul uns mit seiner Theologie des Leibes den Großteil der Arbeit abgenommen. Es ist nicht nur wertvoll, sich damit auseinanderzusetzen, sondern für Eltern von Pubertierenden unumgänglich.
Jugendliche brauchen gute Argumente. Nicht umsonst stellen sie oft schonungslos provokante Fragen  zu Themen, die nicht mit einem Satz zu erklären sind. Einer unserer Jugendlichen wollte einmal grundsätzlich wissen, was eigentlich wirklich an einer Abtreibung so schlimm sei. Oder was gegen einen One-Night-Stand spricht, wenn beide das bewusst so wollen und keiner eine tiefere Beziehung eingehen möchte. Da haben wir schon geschluckt und gedacht: Waren alle die Jahre intensiven Gesprächs umsonst? Wir haben also durchgeatmet und zum Glück versucht, in Ruhe alles nochmals und von Grund auf zu erklären. Ohne Vorwurf und nicht nur mit einem Satz. Viel später haben wir erfahren, dass er nur Argumente gesammelt hatte, um in einer Debatte mit Schulkollegen gut mitmischen zu können.
Freunde aus Schule und Nachbarschaft sind notwendig und wichtig. Niemand kann sich aus der Gesellschaft ausschließen, denn hier liegt für uns ja auch der Auftrag zu wirken. Nur werden unsere Kinder durch sie nicht in allen Lebenssituationen positive Unterstützung finden. Aus diesem Grund haben wir Eltern die Pflicht, unseren Kindern gute Freunde aus anderen gläubigen Familien zuzuführen. Diese Freundschaften kommen in der Regel nicht von selbst ins Haus, da ist unsere Initiative gefragt. Wir dürften dafür keine Mühe, Zeit und Geld sparen.

Über die Autoren

Maria und Richard Büchsenmeister sind seit 23 Jahren verheiratet und haben 12  Kinder zwischen 22 Jahren und 9 Monaten. Seit 2009 betreiben sie gemeinsam den Verlag „ehefamiliebuch“ und halten seit über 15 Jahren Vorträge und Seminare zum Thema Sexualerziehung. Außer­dem hält Maria Familienmanagementkurse. Richard ist im Referat für Ehe und Familie der Erzdiözese Salzburg für den Bereich Ehevorbereitung verantwortlich. Im August 2015 ist ihr Buch Stark. Selbstbewusst. Aufgeklärt – Sexualerziehung vom Kleinkindalter bis in die Vorpubertät erschienen. Bestellung: www.ehefamilienbuch.at

So laden wir gern andere Familien zu uns nach Hause ein (und werden auch gerne eingeladen), versuchen, gute Familienveranstaltungen zu besuchen und bringen unsere Kinder in einen guten Jugendclub. Wir merken, dass unsere Kinder das sehr brauchen: Sie sind nicht alleine auf der Welt mit ihrem Glauben, mit ihren Überzeugungen, die wir Eltern ihnen vermitteln konnten. Eine unserer bereits erwachsenen Töchter hat das einmal so ausgedrückt: „In der Schule, habe ich viele und gute Freunde. Aber die wirklich guten Freunde, mit denen ich über alles reden kann, habe ich wo anders kennengelernt“.
Noch etwas: Als Ehepaar möchten wir unseren gemeinsamen und regelmäßigen „Termin“ auf keinen Fall missen, bei uns ist das der Donnerstagabend. Wir sagen „Termin“, weil es mit dieser Bezeichnung auch der Chef akzeptiert, dass das wichtig ist. Das Wort „Termin“ muss wohl eine magische Wirkung haben.
Auf jeden Fall ist dieser unser „Termin“ von sehr hoher Wichtigkeit. Denn wenn es uns miteinander gut geht, profitieren unsere Kinder hundertfach oder mehr. Das läuft aber nicht von selbst, denn wir merken, wenn wir hier lax sind, werden wir uns schneller fremd, als uns lieb ist. Bei diesem „Termin“, den wir möglichst locker und ungezwungen gestalten, zu Hause, bei einem Spaziergang oder vielleicht einmal in einem Restaurant, können wir über alles Mögliche reden. Und immer wieder auch über die Sexualerziehung unserer Kinder…


 
 
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