VISION 20002/2000
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Österreich im Out

Artikel drucken Überlegungen zum Österreich-Boykott der 14 EU-Staaten (Christof Gaspari)

Fast habe ich mich schon daran gewöhnt, daß Österreich in der EU ins Out gedrängt worden ist. Aber als ich zum ersten Mal hörte, welche Maßnahmen unsere EU-Partner" ergreifen würden, war ich wie vor den Kopf gestoßen.

Das darf doch nicht wahr sein! Wir haben doch frei gewählt, ohne Druck, Parteien, die nach unserer Verfassung den demokratischen Spielregeln entsprechen! Die neue Regierung kann sich auf eine solide Mehrheit im Parlament stützen.

Ob sie eine annehmbare Politik machen wird, muß sich erst weisen - und dementsprechend werden die nächsten Wahlen ausfallen. Eigentlich läuft alles verfassungskonform ab. Unfaßbar, daß Österreich dennoch an den Pranger gestellt wird, während ein Land, das beispielsweise seine christlichen Minderheiten so maltraitiert wie die Türkei, als mögliches EU-Mitglied hofiert wird!

Und all das geschieht im Jubeljahr, gleich zu Beginn! Kann man das verstehen? Ein Versuch dazu sei unternommen.

Eines hat das Geschehen sicher aufgedeckt: Unsere Lage als Gesellschaft ist viel instabiler, als die meisten von uns dachten. Wiegten wir uns nicht in unserer 50 Jahre lang bewährten Demokratie in größter Sicherheit? Als in Kroatien, Bosnien und schließlich im Kosovo das furchtbare Morden, Vergewaltigen, Brandschatzen stattfand, dachten wir da nicht: Typisch Balkan? Bei uns kann so etwas nicht passieren, ein solcher Haß nicht aufbrechen!

Heute bin ich mir nicht mehr so sicher. Keine Frage: Hierzulande wird niemand auf offener Straße erschossen, werden Häuser und Kirchen nicht niedergebrannt. Aber es tun sich plötzlich in einem Maß Gräben zwischen Menschen auf, wie wir es nicht für möglich gehalten hätten. Da wird meiner Tochter aus einem Demonstrationszug, der ihr in der Kärntnerstraße entgegenkommt und dem sie sich nicht anschließt, Faschistin!" entgegengerufen. Und einige Passanten, die eine andere Demonstration beobachten, erklären geringschätzig: Linkes G'sindel!" In privaten Gesprächen knistert es, kaum daß man das Thema anschneidet, und man belauert einander, welchem Lager der Gesprächspartner zuzurechnen ist.

Der Unfrieden wird von den Medien, politischen Äußerungen, Demonstrationen und vor allem in vielen Gesprächen angeheizt. Scheinbar aus dem Nichts heraus entstand plötzlich dieser Unfrieden, der uns so verunsichert: der Unfrieden zwischen den Bürgern unseres Landes, der Unfrieden zwischen den Völkern. Denn da werden österreichische Schulklassen von Frankreich ausgeladen und da kaufen Österreicher aus Protest keinen französischen Rotwein mehr.

Taucht da nicht die berechtigte Frage auf: Haben wir bisher nicht nur in einem Scheinfrieden gelebt? Die Antwort lautet: Ja. Wir haben das Morden in Ex-Jugoslawien als Ausnahmeerscheinung in Europa eingestuft und übersehen, daß auch bei uns im großen Stil gemordet wird. Die Tatsache, daß mitten im hochzivilisierten Westeuropa Millionen Kinder jährlich im Schoß ihrer Mutter umgebracht werden, ist eine weithin übersehene Quelle des Unfriedens, der jederzeit neue, jeden von uns bedrohende Formen annehmen kann.

Die jüngsten Ereignisse deckten auf, wie dünn der Firnis sozialen Wohlverhaltens über der fortbestehenden Aggressionsbereitschaft ist. Unser Zusammenleben ist zutiefst von einer Lieblosigkeit bedroht, die rasch neue Formen annehmen und um sich greifen kann.

Daher ist es ein Gebot der Stunde, in allen Begegnungen auf eine innere und verbale Abrüstung hinzuwirken, sich nicht in Selbstmitleid und Selbstgerechtigkeit zu gefallen, sich auftuende Gräben zuzuschütten. Wäre es nicht denkbar, daß gerade die jetzt aufgeheizte Atmosphäre, in der viele Ängste spürbar werden, eine Gelegenheit bietet, auf die tieferen Gründe unserer heftigen Reaktionen einzugehen? Auf die Ungeborgenheit, die so viele in dieser gottlosen Zeit erleben? Sie raubt die Gelassenheit, die Fähigkeit, Andersdenkende ohne Aggression anzuhören, sie schürt Ängste und begünstigt überzogene Abwehrhandlungen.

Zu erkennen, wie labil unsere scheinbar so gesicherte Ordnung tatsächlich ist, könnte ein Geschenk dieses Jubeljahres sein. Denn es ist auch ein Jahr, in dem die Wahrheit aufgedeckt wird, damit wir uns nicht in Scheinsicherheiten wiegen. Es könnte Bereitschaft zur Umkehr wecken.

Unsere gesellschaftliche Maschinerie ist eben störungsanfällig: nicht so sehr deshalb, weil sie technisch schlecht funktionieren würde. Sie ist bedroht, weil ein Großteil der Bürger den inneren Kompaß verloren hat. Besonders betroffen davon sind die gesellschaftlichen Eliten, wie die politischen Skandale in Deutschland beweisen. Mit größter Selbstverständlichkeit wird Unrecht zu Recht erklärt. Gerade das macht unseren Ruin aus. Unserem Zusammenleben fehlt das Korrektiv einer allgemein anerkannten Wert- und Tugendordnung. In ihrer Gottlosigkeit sind die westlichen Demokratien zutiefst bedroht.

Sie bedürfen der Erneuerung - einer fundamentalen geistigen Erneuerung, einer Öffnung für den lebendigen Gott, der auch Auswege aus dieser verfahrenen Situation weiß.

Die Erfahrungen dieser ersten Monate dieses Jubeljahres zeigen, daß der Appell zur Neuevangelisierung nicht dem Starrsinn eines alternden Papstes entspringt, sondern die einzige Hoffnung ist für unsere Welt, die nach der Orientierung nun auch ihre Ordnungen und ihren Zusammenhalt verliert.

Christof Gaspari

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