VISION 20002/2007
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Weil sie mir Versöhnung schenkt

Artikel drucken Nur die Kirche kann Sünden vergeben (Von Helmut Hubeny)

Vor einem Jahr habe ich die “universale" Kirche Christi an ihrem strahlenden Kern erlebt: in der Auferstehungskirche Jerusalems. Es ist der einzige Ort der Welt, an dem die Familie so gut wie aller christlichen Konfessionen einmütig - wenn auch mitunter familiär eifersüchtig - beisammen sind. Vor diesem Hintergrund wird im freundschaftlichen Gespräch mit meinen evangelischen, orthodoxen und freikirchlichen Gesprächspartnern uns immer wieder bewußt, daß uns der Glaube an Jesus, unseren Herrn und unseren Bruder, in der Tiefe verbindet und daß wir - bei allen konfessionellen Unterschieden - mindestens ein Jahrtausend eine einzige gemeinsame Kirche in der Nachfolge der Apostel haben. Ich freue mich, daß sich meine Kirche bis heute dazu bekennt.

Meine agnostischen, wissenschaftsgläubigen und “freidenkerischen" Gesprächspartner versichern mir allerdings immer, daß ihnen der strahlende Kern meiner Kirche wegen deren vielen Verfehlungen und Irrungen nicht erkennbar und daher die Kirche oder zumindest ihr Personal abzulehnen sei.

In jungen Jahren hatte ich nach allen Regeln der Rhetorik versucht, kirchliches Fehlverhalten zu relativieren - was zwar manchmal gelungen ist, aber meine Gesprächspartner nie überzeugt hat. (So ähnlich verhalte ich mich leider manchmal noch heute in der “innerkatholischen" Auseinandersetzung).

Bleibt mir als Lebenserfahrung: Ich kann die Kirche nicht ändern, ich kann die Welt nicht ändern, nicht einmal die kleine Welt meiner engsten Umgebung. Ich kann nur mich ändern, langsam und schwerfällig genug. Deshalb bin ich meiner Kirche so dankbar für das Sakrament der Versöhnung. Im Vertrauen auf Christus, der mir wie seinen Zeitgenossen in Galiläa die Sünden vergibt, bin ich noch nie enttäuscht worden. In diesem Sakrament eine klerikale Machtausübung sehen zu wollen, wie mir das erst unlängst wieder ein “humanistischer" Gesprächspartner vorgehalten hat, finde ich aus meiner Erfahrung einfach lächerlich. Im Gegenteil: wenn Christus meinem gleichaltrigen HTL-Schulkollegen - Maschinenbau-Ingenieur, mittlerweile erfahrener priesterlicher Begleiter - seine Stimme leiht, um mir in heimatlicher Sprachfärbung im Namen seiner Kirche mitzuteilen, daß mir die Sünden vergeben sind, dann ist das für mich immer ein zutiefst befreiendes und ermutigendes Erlebnis, überraschend banal und sakral in einem. Wie auch meine Kirche: alltäglich und heilig in einem. So - und nur so - kann ich dazu beitragen, daß mein eigener Anteil am Schatten unserer Kirche wieder ein wenig aufgehellt wird, daß erkaltete Liebe wieder ein wenig wärmer, Lauheit überwunden wird. Das mag statistisch wenig sein - aber es ist alles, was ich konkret tun kann. Dabei habe ich entdeckt, daß meinem Naturell entsprechend die Menschen meiner kleinen Welt diese winzigen Schritte eher überzeugen als kritische Beredsamkeit.

In diesem Zusammenhang drängt es mich, einige sehr persönliche Erfahrungen zu diesem “vergessenen Sakrament" einzubringen. Von Pater Josef, vormals Direktor der Cursillo-Bewegung, habe ich schon vor Jahrzehnten die Sakramente als “Rendezvous der Liebe Christi" kennengelernt. Nur die “Beichte" war mir immer eher lästig, entsprechend selten bin ich zu diesem “Rendezvous" gegangen. Das hat sich gelegt, seit ich zu meinem priesterlichen Schulkollegen gefunden habe. Und ein Buch von Alain Bandelier, Priester-Autor bei der Zeitschrift “Famille chrétienne", hat mir erst bei der Stadtmission Brüssel 2006 vollends bestätigt, daß es bei dieser sakramentalen Versöhnung nicht um Berichtigung von Irrtümern geht, nicht um Korrektur moralischer Fehler, nicht um Restitutions- oder Reparationsmaßnahmen aus frühkindlicher Zeit, nicht um Entschuldigung, sondern um Christi Geschenk der Vergebung. Ver-geben ist ein Geben! Höchst privat, ja intim, und zugleich höchst offiziell im Namen der ganzen Kirche.

Sie mit ihren priesterlichen Experten ist die einzige Einrichtung der Welt, die autoritativ Sünden vergeben kann. Die wissenschaftliche Gemeinschaft (scientific community) mit ihren Psycho-Experten aller Schulen kann analysieren, klären, erhellen, aufstellen, abstellen... oft hilfreich und notwendig. Die esoterische Gemeinschaft mit ihren Ritual-Experten kann über Abgründe zu tiefen inneren Erfahrungen führen - zunächst faszinierend, dann gefährlich. Aber sie alle können nicht die Ablehnung der Liebe, die Lauheit - eben die Sünde - vergeben! Ich will mit diesen Gegenüberstellungen nicht polarisieren, sondern nur zugespitzt den unschätzbaren Wert der Gnade des Ver-Gebens herausstellen: gratia - gratis! Von dort her können dann die Schritte der Berichtigung, der Korrektur und der Entschuldigung gesetzt werden. Wobei es nicht auf die Reihenfolge ankommt.

Mein “Einstieg" in die Bußzeit 2007 ging von der großen Vergebungsbitte aus. Sieben Jahre ist es schon wieder her, seit am Aschermittwoch “des Heiligen Jahres 2000 der Menschwerdung des Sohnes Gottes in Rom, dem Ort des Martyriums der Apostel Petrus und Paulus, Papst Johannes Paul II. als universaler Hirte der Kirche Gott öffentlich um Vergebung gebeten hat für die Schuld ihrer Söhne und Töchter in der Vergangenheit". In dieser offiziellen Bezeichnung trägt jedes Wort zur Bedeutung bei. Mit dankbarer Freude erlebte ich den Mut der “großen" Kirche zur “Reinigung des Gedächtnisses" mit dem Ziel einer “versöhnten Erinnerung" - einen Vorgang, für den sich in der gesamten Geschichte der Kirche kein Präzedenzfall findet. So verbindet sich in meiner Kirche die eigene persönliche Umkehr in der Gegenwart mit dem mittragenden Bekenntnis zu schuldhaften Abwegen in der Vergangenheit. Auch hier: Ver-Gebung ist Gabe, Gnade - gratia - gratis!

Helmut Hubeny

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