VISION 20002/2007
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Weil sie uns in der Wahrheit hält

Artikel drucken Kirche und Glaubwürdigkeit der Botschaft Jesu (Von Christof Gaspari)

Zahlen über Austritte aus der Kirche schaffen es leicht in die Schlagzeilen, ebenso Meldungen über sinkende Priesterzahlen, über Konflikte und Skandale in der Kirche. Sie als sinkendes Schiff zu karikieren, gilt als schick. Aber welch ein Irrtum: Sie ist die einzige Einrichtung, der ein Fortbestehen bis ans Ende der Welt zugesagt ist!

Wie kam es zu dieser Fehlentwicklung? Sicher, da ist zunächst der rauhe Wind des neuzeitlichen Zeitgeistes, der Menschen von den Fesseln kirchlicher Herrschaft über die Gewissen befreien will. Aus dieser Sicht sieht die Kirche als Institution aus, die heute nichts Wichtiges zu sagen habe, die Veraltetes aufwärme, aus Menschen bestehe, die verklemmt sind, und deren Führungsetage kein offenes Ohr für die Sorgen und Nöte der Menschen unserer Tag habe.

Es besteht eine gewisse Tendenz, daß wir Christen bei diesem Spiel ungewollt mitwirken. Vittorio Messori, namhafter italienischer Publizist, kennzeichnet die Situation, wie folgt: “Die Gefahr ist heute, daß die Kirche sich in einen humanitären Agenturbetrieb verwandelt, in eine mitmenschliche Organisation. Viele Priester sprechen mehr über sozialpolitische Themen als über das ewige Leben. Warum? Oft deswegen, weil sie selbst nicht mehr an Auferstehung, Himmel, Hölle, Fegefeuer und die Göttlichkeit Christi glauben. In der Kirche wird zu viel über Moral und zu wenig über Glauben gesprochen."

Kommt man auf die Kirche zu sprechen, werden ja tatsächlich in den meisten Gesprächen die “heißen Eisen" (Zölibat, Empfängnisverhütung, wiederverheiratete Geschiedene...) dbattiert. Damit kreisen die Diskussionen um Fragen der Moral - ohne daß über die Quelle, den Ursprung dieser Moral, nämlich über den Glauben an Jesus Christus gesprochen wird. So wichtig solche Gespräche auch sein mögen, sie stoßen nicht zum Kern dessen vor, was die Kirche eigentlich zu bieten hat.

Papst Benedikt XVI. hat schon vor langem im Rahmen eines Vortrags in Rimini vor dieser Konstellation gewarnt: “Mir scheint, daß wir heute in der Kirche der - menschlich gesehen zweifellos verständlichen - Versuchung ausgesetzt sind, auch dort verstanden zu werden, wo es an Glauben fehlt. Man meint auch, daß die moralische Dimension die Brücke zwischen dem Glauben der Kirche und den heute vorherrschenden Einstellungen schlagen könnte. Fast jeder sieht ja ein, daß wir der Moral bedürfen, und daher präsentiert man die Kirche als Garant für Moral - und hat nicht den Mut, das Geheimnis anzubieten."

Es geht darum, der Welt das Geheimnis anzubieten: Jesus Christus, den Gott, der Mensch wurde, um uns die umwerfende Botschaft zu bringen, daß Gott jeden Menschen liebt, ja, daß Er selbst die Liebe ist, die über die Jahrhunderte hinweg in der Kirche wirkt.

“Du bist geliebt, lieber Leser! Von Gott geliebt, von Anfang an, in jeder Phase Deines Lebens. Nichts kann Gott davon abbringen, dahingehend zu wirken, daß Dein Leben zu einem guten Ende kommt. Darauf kannst Du bauen, gerade auch dann, wenn Du Dich trostlos und verlassen fühlst." Das zu verkünden, ist die Berufung der Kirche. Und sollte man den Überbringer so einer Botschaft nicht liebenswert finden?

Natürlich stellt sich sofort die Frage der Glaubwürdigkeit. Kann man den Christen, der Kirche eine solche Botschaft abnehmen? Schaut doch, wie sie miteinander umgehen, sagen die Außenstehenden. Schaut doch, wie sie scharenweise das sinkende Schiff verlassen. Prognosen der Demographen Wolfgang Lutz und Christopher Prinz zufolge sollte der Anteil der Katholiken in Österreich 2051 nur mehr zwischen 30 und 56 Prozent liegen.

Mag sein, daß die Prognose eintrifft. Ja, vielleicht liegen die Zahlen sogar noch tiefer. Aber darum geht es letztlich nicht. Lassen wir uns den Blick nicht von Statistiken trüben. Nicht die fallende Tendenz stellt die Herausforderung dar, sondern die Frage nach unserem Zeugnis. Macht unser Leben, unser Zeugnis die Kirche liebenswert?

Die Antwort auf diese Frage hängt nicht von unserer Tugendhaftigkeit ab. Wäre sie das Maß aller Dinge, wäre die Kirche längst zugrunde gegangen. Man bedenke nur: Petrus, ein Feigling und Verräter oder Paulus ein bekehrter Mörder, der mit seinen Mitarbeitern nicht auskommt, der Stunden der Verzagtheit kennt: die Säulen der Kirche, keine Tugendbolde, jedoch Menschen, die den Herrn aus ganzem Herzen lieben. “Du weißt alles, Du weißt, daß ich die liebhabe," so die Antwort des Petrus auf die Frage des Herrn am Ende des Johannesevangeliums. An dieser Liebe wird der Schatz der Kirche erfahrbar, jener Schatz, den die Christen “in zerbrechlichen Gefäßen" tragen, wie der Apostel Paulus schreibt.

Genau dieser Schatz ist es, der die Kirche anziehend macht. Und weil er in zerbrechlichen Gefäßen dargeboten wird, bleibt er auch in der Reichweite von jedermann. Das macht die zeitlose Attraktivität der Kirche aus, daß sie den Menschen nicht primär eine Tugendlehre anbietet, sondern ein Leben mit dem Dreifaltigen Gott.

Wie wunderbar die Entdeckung dieses Schatzes ist, davon können viele erzählen, die aus der Gottlosigkeit kommen und den Glauben plötzlich entdecken. Vielfach ist es das Zeugnis eines Gläubigen, das diese Wende ermöglicht. Ich erinnere mich noch gut, wie ich als 29jähriger Agnostiker auf Drängen meiner Umgebung widerwillig an einem Glaubenskurs teilgenommen habe. Es war ein Nebensatz im Zeugnis eines Familienvaters, der mir die Augen geöffnet hat, eine im Grunde genommen banale Aussage: Er gehe gerne sonntags in die Kirche. Ein Sonntag ohne Begegnung mit Christus sei für ihn kein Feiertag.

Erstaunlich, daß so wenig genügen kann. Und dennoch: Die in diesen Worten spürbare Liebe zur Kirche, zu Jesus Christus - auch wenn sie nicht überschwenglich geäußert wurde, oder vielleicht gerade deswegen - eröffnete mir eine neue Perspektive. Sie hat mein Leben total umgemodelt. Wer von ferne kommt, erkennt, welchen Schatz die Kirche birgt. Und er ahnt, in welche Leere Europa fallen wird, wenn es sich weiter vom Glauben abwendet.

Seit meiner Bekehrung liebe ich diese Kirche immer mehr, die mir Jesus Christus nahegebracht hat. Ich erinnere mich noch an die Tage nach dieser Wendung: Plötzlich war alles anders. Ich war nicht mehr auf mich gestellt. Jesus Christus war in mein Leben getreten. Die Welt rund um mich sah ich plötzlich mit anderen Augen. Ein neuer Frühling in unserer Ehe war eines der ersten Geschenke des neuen Weges. Ein unbändiger Drang, anderen von dieser umwerfenden Erfahrung zu erzählen, erfüllte mich - was in meinem ungestümen Drang nicht immer gut angekommen ist, leider. Mit unstillbaren Hunger habe ich mich auf alles gestürzt, was mir Jesus Christus näherbringen konnte.

Warum ich das erzähle? Weil in den Jahren seither meine Liebe zur Kirche - mit Hochs und Tiefs - gewachsen ist. Vor allem für eine Erfahrung bin ich dankbar: Ich durfte erfahren, daß ihre Wegweisungen zuverlässig und lebensträchtig sind.

Als Neubekehrter habe ich mich an vielem gestoßen, was die Kirche gelehrt hat. Schließlich war ich ja ein Kind meiner Zeit: “Humanae vitae", Marienfrömmigkeit, Lehramt des Papstes - all das waren für mich zunächst Steine des Anstoßes. Mit manchen Fragen habe ich mich jahrelang herumgeschlagen, aber jedesmal zu guter Letzt entdeckt: Die Kirche hat recht, was sie lehrt, fördert mich im Glauben, läßt mein Leben besser gelingen.

Mittlerweile weiß ich: Es ist gut, daß ich mir meinen Weg zum Heil nicht durch eigene Klugheit erarbeiten, durch ein tugendhaftes Leben verdienen, sondern von Gott, der in Seiner Kirche lebt und wirkt, schenken lassen darf. Welche Entlastung!

Und daher steht mir auch der Mann, der jeweils das schwere Amt, Felsen der Kirche zu sein, meinem Herzen nahe. Ich danke Gott für die großen Päpste, die Er Seiner Kirche zu meinen Lebzeiten geschenkt hat. Und ich gestehe gerne, daß diese Liebe nicht nur von meinem Verstand und Willen, sondern sehr stark auf von der Emotion getragen ist. Wie gesagt: Ich liebe die Kirche.

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