VISION 20006/2023
« zum Inhalt Portrait

Ein Tennisprofi wird Missionar

Artikel drucken Johannes Unterberger, bekehrt in Medjugorje, verspürt den Ruf, Kindern in Myanmar zu dienen (Alexa Gaspari)
 
Bruder Johannes Nepomuk Unterberger  

Ein lieber Freund hatte eine der Predigten von Bruder Johannes Nepomuk Unterberger gehört und auch über ihn in der Missio-Zeitschrift Alle Welt gelesen und mich auf ihn aufmerksam gemacht. Da dieser nach sechs Jahren Missionseinsatz in Myanmar (früher Burma) derzeit in Österreich ist, haben wir ein Rendezvous ausgemacht.  Ge­mütlich bei Brötchen und Saft – Bruder Joe, wie er genannt wird, ist gerade mit dem Bus zu Mittag nach Wien gekommen – beginnen wir in unserer Wiener Wohnung unser Gespräch.
Joe wurde vor fast 50 Jahren in Bad Ischl geboren. Er hat drei Geschwister, der Vater ist Getreidehändler, die Mutter Hausfrau. Mit vier Jahren beginnt der Bub mit Tennis. Volksschule und die ersten Jahre Gymnasium absolviert er in Pfandl bzw. Bad Ischl. Die fünfte und sechste Klasse besucht er in Linz im Sportgymnasium, um sich vor allem dem Tennissport widmen zu können.
 „Wir wurden so erzogen, dass wir frei unser Berufsziel wählen konnten, und wurden von den Eltern darin unterstützt.“ Joe möchte ein international erfolgreicher Tennisprofi werden. Das gelingt anfangs auch recht gut. Denn in der Zeit, da er das Sportgymnasium besucht, gewinnt er die U-16 -Jugend Hallenstaatsmeisterschaft und ist an 11. Stelle der Jugendweltrangliste. Nach den zwei Jahren im Sportgymnasium übersiedelt er – vom Tennisverband organisiert – für ein Jahr in das Leistungssportzentrum Südstadt. Dieses Jahr bringt aber nicht den gewünschten Erfolg.
Da er nun schon über 17 Jahre alt ist, muss er in der Herren-Altersklasse spielen. In der Leitung des Zentrums herrscht außerdem eher Chaos. Joe ist irritiert, kann nicht die Leistung erbringen, die er von sich erwartet, schafft den Übergang in die Herrenturniere nicht recht und zieht wieder heimwärts.
Die Folge dieses Jahres ohne positive Erfolge, dafür aber mit vielen Enttäuschungen ist eine Psychose. Mit einem Therapeuten und einem neuen Trainer, der ihm eine andere Technik beibringt, geht es nach einiger Zeit wieder aufwärts. 1993 ist die Psychose ganz überwunden. „Für mich als Mensch und auch jetzt als Seelsorger war der damalige, scheinbar aussichtlose Zustand aber eine wichtige Erfahrung,“ blickt Bruder Joe zurück. In dieser Zeit liest er mehrere Bücher. In einem steht, man könne sein Leben durch den Glauben meistern. Ein  neuer Denkanstoß? 1994  steht die Familie unter Schock: der jüngere Bruder stirbt bei einem Verkehrsunfall.
1996 ist dann ein gutes Jahr: Joe gewinnt bei der österreichischen Staatsmeisterschaft in Neusiedl am See. 1997 wieder ein Erfolg: mit einem Tennispartner siegt er bei der Staatsmeisterschaft im Doppel. Und doch: „Wenn man international erfolgreich sein möchte, es aber nicht unter die besten 500 schafft (er war auf Platz 580), ist man weit weg von dem, was man erreichen möchte. Schon um in die Nähe der 500 zu kommen, muss man einiges investieren. Auch wenn ich die Nr.141, einen Italiener geschlagen habe, der es sogar unter die 100 besten geschafft hat – war es insgesamt frustrierend.“
Ich erfahre, dass man im Tennissport kaum etwas verdient, solange man nicht unter die besten 100 - sein erklärtes Ziel -  kommt. Das verdiente Preisgeld muss man gleich wieder investieren, und letztlich sind die Ausgaben fast höher als die Einnahmen. „Auf diesem Level muss man sich ja alles selber zahlen.“ Lächelnd erinnert er sich, dass er einmal bei einem Turnier im Doppel gegen den damals acht Jahre jüngeren Roger Federer gewonnen hat, als der gerade erst 16 war. „Auch als Gegner hat man damals schon bemerkt, dass er ein sensationelles Talent hatte. Und sympathisch war er auch.“ Wie das Klima unter den Tennisspielern bei Turnieren sei, frage ich: „Tennis auf diesem Niveau ist einfach Business. Beim Turnier geht es nur darum, wer siegt. Federer hat bei zehn Spielen acht bis 10 Mal den Sieg eingefahren, ich jedoch vielleicht dreimal. Ich bin daher in der Rangliste nicht wirklich hinauf gekommen.“
Bis 1. August 1999 ist er Profi und macht Schulden bei seinem Vater, ohne dessen finanzieller Hilfe er international nicht hätte spielen können. Warum genau der 1. August? „Weil, am 30. Juli die Wallfahrt von Bad Ischl nach Medjugorje, zu der ich eingeladen wurde, begann.“ Wieso plötzlich Wallfahrt, da er doch bis dahin Kirchen hauptsächlich von außen gesehen hatte? „1998 wurde ich von einer Bekannten zu einem wöchentlichen Jugendgebetskreis der Franziskaner eingeladen. Das war der Beginn einer Bekanntschaft mit dem Glauben und dem Gebet. Ab da gab es für mich die ersten Mess­besuche,“ erklärt er. „Ich habe vor Medjugorje so viele Fragen bezüglich meines Lebens gehabt, auch was das Tennis betraf: Was hat mein Leben als Mensch für einen Sinn, was ist der Grund meines Lebens?“
Mit all diesen Fragen kommt er in den Wallfahrtsort: „Hier habe ich Antworten bekommen. Nicht weil mir das dort von jemandem gesagt worden wäre oder weil ich mir das ausgedacht habe, sondern weil ich eine ganz persönliche Begegnung mit Gott am Kreuzberg hatte. Es war, wie wenn jemand einen Vorhang weggezogen hätte. Plötzlich habe ich erkannt, wer ich selber bin und, dass es dieses Du Gottes gibt. Nun wusste ich: Es gibt Gott. Nicht als Menschenkonstrukt oder als zusammengedachte Sache, sondern es gibt Gott, den Schöpfer von Allem, der mich kennt und mir ‚meinen Schmarrn‘ auch vergibt. Die Vergebung hatte ich in dieser Begegnung zugesagt bekommen: ,Ich kenne dich und Ich vergebe dir.’ Es waren nur zwei Sätze, die ich erfahren hatte, die aber mein Leben bis heute bestimmen.“
Fünf Tage bleibt Joe in Medjugorje, beichtet beim Seelsorger der Gruppe. Er lächelt, als er sich zurückerinnert: „Ich habe kurz überlegt, gleich ganz dort zu bleiben. Dann fiel mir ein, dass mein Auto noch in Bad Ischl am Bahnhof steht und noch einige Turniere geplant waren.“ Im Wallfahrtsort erschließen sich ihm auch Hinweise, wie es bei ihm weitergehen sollte. Denn er steht ja vor dem Problem: „Ich hatte fast 15 Jahre nur für den Tennissport gelebt, Turniere gespielt und war von den Eltern finanziell unterstützt worden. Wie bringe ich ihnen bei, dass ich nicht mehr Tennis spielen werde, sondern einen geistigen Weg gehen möchte?“
 „Ich bekam die Einsicht: ‚Du wirst jetzt von vielen nicht verstanden werden, aber sorge dich nicht, ich werde mich um alles kümmern. Sei geduldig, geh deinen Weg, bleib gütig.‘ Daran hab ich mich gehalten.“
Die Turniere sagt er alle ab. Der Pfarrer, den er fragt, ob er minis­trieren könnte, kann es gar nicht glauben, meint, es sei wohl ein Witz. „Ich war ja bis jetzt nur als sehr guter Tennisspieler bekannt, aber so gut wie nie in der Kirche.“ Lachend erzählt er: „Meine Mutter hat gleich einmal gedacht, ich sei auf irgendeinem Trip. Und mein Vater hat immer wieder gefragt, ob ich nicht doch weiter Tennis spielen möchte.“ Nein war die klare Antwort. „Nun wollte ich die Schulden, die ich bei meinem Vater hatte, als Tennistrainer abarbeiten, bevor ich einen neuen, geistigen Weg einschlage.“
Der Vater, dem er den Plan unterbreitet, erkennt nun, wie ernst es dem Sohn mit seinem Entschluss ist, und zeigt Verständnis. Er erklärt, er müsse die Schulden nicht jetzt abzahlen, sondern könne den neuen Weg gleich gehen. So macht Joe, nachdem er sich mit dem Heimatpfarrer beraten hatte, die nächsten Schritte: zu­nächst Seminar für Spätberufene in Horn (neun Monate), dann Eintritt in den Franziskanerorden.
Wegen der Psychose, die er als Jugendlicher gehabt hatte, ist Letzteres etwas kompliziert. Die Frage steht im Raum: Kann er den Anforderungen, die das Ordensleben stellt, auch entsprechen? Der Ordensobere bittet Joe, sich zu gedulden. Schließlich entscheidet sich der Obere positiv. Die Vorsichtsmaßnahmen wegen seiner Gesundheit waren insofern nicht schlecht, als sich bei einer Untersuchung herausstellt, dass er einen Herzfehler hat und operiert werden muss. Die OP verläuft gut. Erst nach seiner Herz­operation kann er das einjährige Noviziat in Südtirol beginnen.
Es folgen fünf Jahre Mitgliedschaft im Orden bis er 2009 die Ewige Profess in Graz ablegt. 2011 wird er zum Diakon und am 23. Juni 2013 zum Priester geweiht. Heuer hat er also sein 10- jähriges Priesterjubiläum. Herzlichen Glückwunsch!
Bruder Joe möchte in die Mission, doch das ist erst nach drei Jahren Wirkungszeit als Priester möglich. In dieser Zeit ist er Lehrer (er hat auch Pädagogik studiert) in Reutte, Tirol sowie Diakon und später Priester in Lienz, wo er bis 2016 für die Jugend zuständig ist und wieder unterrichtet.  Dann ist endlich die Zustimmung der Provinzleitung da: Er darf in die Mission gehen. Als Vorbereitung nimmt er an einem dreimonatigen Kurs in Brüssel teil und wird daraufhin nach Myanmar entsandt.
Ohne die Sprache zu können? „Als ehemalige englische Kolonie können zwar einige Burmesen Englisch, doch die erste Aufgabe jedes Missionars, ganz gleich, wo er hinkommt, ist es, die Landessprache zu erlernen.“ War das schwer? Er seufzt: „Ich lerne immer noch. Ich kann nicht behaupten, dass ich schon gut Burmesisch kann.“ Man muss wissen: Es ist eine tonale Sprache, also eine, in der es drei Töne gibt. Eine Änderung der Tonhöhe oder des Tonhöhenverlaufs in einer Silbe verändert auch die Bedeutung des Wortes. Die Gefahr durch falsche Betonung missverstanden zu werden, ist offenbar so groß, dass Bruder Joe immer noch nur mit einem Dolmetscher bei der Messe predigt.
Was waren nun aber seine Aufgaben in Myanmar? „Mein Ruf in die Mission ist eigentlich: für die Kinder da zu sein.“ Das weiß er mit Sicherheit. Es gibt in Myanmar, so erfahre ich, 400 von katholischen Ordensleuten geführte Waisenhäuser. Bis zu 20.000 Kinder leben in diesen Häusern bei einer Bevölkerung von über 55 Millionen.
Seinen Ordensbrüdern in Yan­gon erklärt er also, dass er den Ruf verspüre, für Kinder da zu sein. Er würde gern in einem oder mehreren der Waisenhäuser als Englischlehrer, Katechet und Seel­sorger oder einfach als Freund der Kinder wirken. Dies wird ihm jedoch nur zu zehn Prozent bewilligt. Der Grund dafür leuchtet ihm allerdings ein: Die Franziskaner sind nämlich erst seit 2005 im Land und verfügen nur über drei Priester mit Ewiger Profess. Dafür gibt es viele junge Burmesen, die eine Berufung zum Pries­ter verspüren.
Daher kommt Bruder Joe vor allem bei deren Ausbildung zum Einsatz: als Englischlehrer und als Spiritual. „Das war schon eine schöne, lohnende Aufgabe. Die Absage fürs Waisenhaus war allerdings schmerzlich.“
Was konnte er also für die Kinder tun? „Alle Spenden, die ich bekam, habe ich sogleich an die Waisenhäuser weitergeleitet.“ Die Waisenkinder sind übrigens meist keine wirklichen Vollwaisen, sondern stammen aus kinderreichen Familien (mehr als 10 Kinder pro Familie ist keine Seltenheit). Und diese können nicht alle Kinder gut ernähren. So geben sie einige ins Waisenhaus und wissen, dass diese jeden Tag ein Essen bekommen und dass für ihre Schulbildung gesorgt ist. Und seine freien Tage verbringt Bruder Joe dort: „Ich habe die Messe zelebriert – eine Schwester hat meine Predigt übersetzt –, habe Katechese gehalten und war einfach als Freund da. Da bin ich immer glücklich gewesen.“
Fast jeden freien Sonntag findet man ihn im Waisenhaus. Es kommt auch vor, dass er im Urlaub lieber in Myanmar in einem der Häuser bleibt, statt nach Hause zu fliegen. Er versucht auch, sich über die Lage in den weiter entfernten Häusern zu informieren: Werden sie ausreichend mit Nahrungsmitteln versorgt? Wie ist ihre finanzielle Situation? „Geldmangel herrscht ja überall, vor allem jetzt, da das Militär die Macht im Land übernommen hat.“
Wie konnte und kann Bruder Joe da helfen? Er vermittelt z.B.  Patenschaften in vier Häusern, derzeit etwa für 50 Kinder. Und: „Ich nehme noch Kinder von einem Franziskanerwaisenhaus dazu.“ Was denn so eine Patenschaft kostet? „100 Euro für ein Jahr: 50 gehen davon an die Waisenhäuser für Essen, Schulsachen usw. und die anderen 50 in einen Gemeinschaftstopf für die Jugendlichen, die mit 16 das Waisenhaus verlassen müssen. Die meisten kehren in den Familienverband zurück, der nun noch mehr verarmt ist, seit das Militär das Sagen hat. Sie sind nun finanziell auf sich selbst gestellt. Alle haben auf jeden Fall eine abgeschlossene Schulbildung.
Gemeinsam  mit den Franziskanern hat Bruder Joe ein weiteres Projekt: die Herstellung von Armbändern und Rosenkränzen. Aus seinem Rucksack zieht er nun einen großen Beutel mit vielen Rosenkränzen, Armbändern und Täschchen. Und erklärt. „Das Projekt entstand, als P. Karl Wallner, Nationaldirektor von Missio Österreich, 2018 mit einem Team auf Besuch in Myanmar war. Bei einem gemeinsamen Abendessen fragte er mich, wie Missio helfen könnte. Ich hatte schon in Tirol mit den Flüchtlingen Rosenkränze hergestellt, die sie dann verkaufen konnten, erzählte ich. In Myanmar wäre das Material zur Herstellung von Rosenkränzen verfügbar. ,Das trifft sich gut,’ meinte darauf der Pater, denn der Mann, der bei ihm für die Rosenkränze zuständig ist, falle derzeit aus. Und so hat P. Karl bei uns 5.000 Rosenkränze bestellt. Die Kosten dafür übernahm Missio.“
30 Familien stellen nun Rosenkränze und Armbänder mit Kreuzerln her, die in Österreich gegen Spenden eingetauscht, bzw. verkauft werden. Von dem Erlös leben diese Familien. „Eigentlich sollte es nur ein Zusatzeinkommen sein, aber jetzt in Zeiten der Militärdiktatur sind sehr viele verarmt und müssen von solchen Einnahmen leben. Ich könnte jetzt Tausende Arbeiter haben,“ erklärt mir mein Gegenüber. Die Leiterin einer von Schwestern geleiteten Schule – offiziell nur ein Nachhilfezentrum, da die Schwestern aus Protest nicht beim Militär um eine Schullizenz ansuchen wollten – fertigt mit einigen Schülern auch Armbänder an.  Deren Erlös dient den Jungen als Lohn und hilft auch der Schwesterngemeinschaft.
Mir drängt sich die Frage auf: Wie sind denn überhaupt die Zustände derzeit im Land? „Ein Prozent der Bevölkerung, also ca. 50.000 Einwohner, sind katholische Christen,“ erzählt Bruder Joe. „Es gibt 16 Diözesen, keine ständigen Diakone, aber keinen Priestermangel. Voriges Jahr wurden zwei meiner Mitbrüder und zehn (!) Burmesen zu Priestern geweiht.“ Das Priesterseminar ist voll.
„Für das Militär hat die Religionszugehörigkeit der Burmesen keine Bedeutung – 95 Prozent des Militärs sind übrigens Buddhisten. Wenn in einem Ort von, sagen wir, 2.000 Einwohnern eine bewaffnete Widerstandsgruppe von auch nur 10 Mann vermutet wird, rückt das Militär mit 70 bis 150 Soldaten an und nimmt das ganze Dorf ein. Meistens sind alle Einwohner da bereits geflohen. Sie wissen, dass jeder, der von den Militärs angetroffen wird, erschossen würde, egal welcher Religion er angehört. Die Häuser werden geplündert und zerstört – bisher auch 70 Kirchen (katholische und evangelische).“
„Was ist, wenn in so einem Ort ein Waisenhaus ist?“, frage ich besorgt. „Dann müssen alle, Kinder und Schwestern, fliehen“. Bisher war dies bei zwei Waisenhäusern der Fall. Vor zwei Monaten etwa erhielt Bruder Joe den Hilferuf einer Schwester aus einem Waisenhaus, das er unterstützt:  „Bitte bete, wir hören schon die Schüsse.“ Das Militär war nur mehr zwei Kilometer vom Haus entfernt, überfiel das Dorf dann aber nicht.
„Es gibt für die Zivilbevölkerung keine Alternative. Wenn das Militär kommt musst du weg, niemand kann bleiben. Unvorstellbar brutal,“ beschreibt Bruder Joe die Situation und ich sehe, wie sehr er mit den Menschen mitleidet. Er habe selbst erlebt, wie unbewaffnete Jugendliche vom Militär einfach erschossen wurden.
Vor der Übernahme durch das Militär sei die Lage im größten Teil des Landes zivilisiert gewesen, „nur“ in drei Gebieten hatte das Militär schon früher für blutige Überfälle und Kämpfe gesorgt. Dort finde mittlerweile der längste Bürgerkrieg der Welt statt. In diesen Regionen habe die Bevölkerung, die um ihre Freiheit kämpft und sich die Übergriffe des Militärs nicht gefallen lassen will, eigene Armeen aufgestellt, die sich nun gerade zusammenschließen. „Soll man bei all dieser Not einfach weglaufen?“ fragt er. „Nein, da muss man bleiben und helfen, wo man kann,“ ist seine feste Überzeugung. Dass er derzeit aus verschiedenen Gründen nicht ständig vor Ort sein kann, bedauert er.
Ja, die gefährliche politische Situation im Land schreckt den bemühten, rührigen Franziskaner, der sich große Sorgen vor allem um die Kinder und Jugendlichen macht, nicht ab. Im Jänner war er wieder in Myanmar. Dort hat er den jungen Francis (Foto von 2017), der ihm von seiner Adop­tiv­mutter vor ihrem Tod anvertraut worden war, im Waisenhaus besucht.
Berührend erzählt der Bruder, wie er den kleinen Francis und dessen Adoptivmutter bald nach seiner Ankunft in Myanmar kennengelernt hat: „Gleich zu Beginn wollte ich sonntags nur Messen besuchen, die auf Burmesisch gehalten wurden, um die Landessprache zu erlernen. Dort habe ich Francis kennengelernt der adoptiert worden war. Seine leibliche Mutter hatte ihn in einer Art Babyklappe abgelegt. „Der Bub hat gleich Zutrauen zu mir gefasst und ist mir sehr schnell ans Herz gewachsen. Die Adoptivmutter bekam dann leider schwere Herz- und Lungenprobleme. Während ihres langen Spitalsaufenthalts musste der damals achtjährige Bub nun für Verpflegung, Bettwäsche usw. sorgen.“ Denn jeder Kranke braucht eine Begleitperson, die sich um alles Nötige für ihn kümmert.
In dem riesigen Saal, in dem die Frau gelegen ist, hat er neben ihrem Bett geschlafen. Traurig erzählt Bruder Joe: „Für den noch nicht einmal Achtjährigen Buben war das Leid und die schlimmen Zustände einfach zu viel – und so ist er zweimal verschwunden. Beim ersten Mal half mir der Tipp eines Freundes von Francis, ihn zu finden. Bei der zweiten Flucht, entdeckte ich ihn in einer Spielhölle.“
Da Bruder Joe, als Ordensmitglied den kleinen Francis nicht zu sich nehmen konnte, hat er den Buben damals mit Einverständnis der Mutter in einem Waisenhaus untergebracht, wo er ihn regelmäßig besuchen konnte. „Wie ich nun im Jänner zehn Tage in dem Waisenhaus war, habe ich ihn wiedergesehen,“ erzählt er, und ich sehe ihm an, wie viel ihm dieser Bub und dessen Wohl bedeutet.
„Ein großartiger Priester mit einer großen Liebe für die Menschen, besonders für die Kinder von Myanmar,“ hat mir ein Priester, der ihn im Land erlebt hat, bestätigt.

Leser, die Bruder Joes Projekte unterstützen wollen, können Spenden überweisen an:
Franziskanerprovinz Austria
IBAN: AT24 3600 0007 0050 3854
BIC: RZTIAT22 Raiffeisen-Landesbank Tirol AG
Verwendungszweck: Myanmar


© 1999-2024 Vision2000 | Sitz: Hohe Wand-Straße 28/6, 2344 Maria Enzersdorf, Österreich | Mail: vision2000@aon.at | Tel: +43 (0) 1 586 94 11