VISION 20006/2023
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Wenn nicht jetzt, wann dann?

Artikel drucken Es ist nie zu spät für einen Neustart (Karl-Heinz Fleckenstein)

Leider führen im Heiligen Land gegenseitige Provokationen immer wieder zur Spirale der Gewalt. Obwohl Israelis und Palästinenser  Semiten sind. Beide Völker verehren Abraham als ihren Stammvater. Beide möchten in Frieden zusammenleben. Die Menschen dort könnten sich mit ihren Gaben gegenseitig bestens ergänzen.  

 
   

Jedoch sind es fanatische, politisch-religiöse Kräfte, die die Menschen manipulieren. Man geht vom kalten Frieden zum heißen Krieg über. Immer noch zwingt der Stärkere dem Schwächeren seinen Willen auf. Die Menschen müssen unter dem Damokles-Schwert einer permanenten Konfliktsituation leben. Deshalb die berechtigte Frage: Ist überhaupt ein Neuanfang möglich?
Ja, er ist möglich. Nämlich durch Jesus, der das Böse mit dem Guten besiegt hat. Und der gleichzeitig zu einer Kampfansage aufruft: Kampf gegen den eigenen Egoismus, gegen Resignation und Gleichgültigkeit. Ein Neustart, der bei jedem einzelnen von uns beginnen kann.
Diese Kraft will sich nicht in einer fernen Zukunft entzünden, sondern im Hier und Jetzt. Jeder kann das, was ihm als „Lebensmaterial“ vorgegeben ist, in die Hand nehmen und  seine Lebensgeschichte neu gestalten. Und diese besteht aus Stärken und Schwächen, aus Verletzungen und Kränkungen, aus Erfahrungen von Geborgenheit und Selbstvertrauen. Das gilt auch in der Beziehung zwischen Israelis und Palästinensern.
Es ist nie zu spät für einen Neustart! Die Bibel macht es an vielen Stellen deutlich, dass Veränderungen möglich sind, selbst da, wo sie unwahrscheinlich erscheinen. Neuanfänge sind keine leeren Wünsche. Sie sind eine Realität:  So  wagt ein Mann namens Noach mit seiner Familie nach der verheerenden Umweltkatas­trophe einen Neustart.  Trotz unsäglichen Leides lässt sich der Mensch  Hiob total in die liebenden Hände des Allmächtigen fallen. Nach seiner schweren  Depression glaubt der fanatische Gotteskämpfer Elia an eine hoffnungsvolle  Zukunft. Nach einem nächtlichen Geheimgespräch startet Nikodemus, ein  Promi zur Zeit Jesu,  sein Leben neu.  All diese Berichte sind ein Zeichen dafür, dass  der Allmächtige tatsächlich ein Gott der Neuanfänge ist.
Ein Neuanfang setzt immer auch eine Umkehr voraus. Also ein Umdenken von der Gesinnung des „alten Menschen“ in die Gesinnung des „neuen Menschen“, wie das Evangelium es uns vor Augen stellt.
Ein eindrückliches Beispiel dafür ist die Umkehr-Predigt von Johannes dem Täufer in der Wüste von Judäa. Er lockte Menschen an, die durch das Hören seiner Predigt und das Untertauchen im Jordan ein neues Leben mit Gott beginnen wollten. Noch heute wird sowohl am Westufer als auch am Ostufer des Jordans „die  Taufstelle“ des Johannes gezeigt.
Furchtlos war Johannes. Er scherte sich nicht darum, was andere von ihm dachten.  Er rüttelte die Leute wach mit seinen Reden. Er drängte sie zur Umkehr auf ihren eingespurten Wegen. Er taufte alle, die auf ihn hörten, mit Wasser. Das Zeichen von Umkehr und Neuanfang.
Johannes war nie fertig. Genau das war seine Stärke. Er war kein Rohr, das der Wind hin und her wehte. Von ihm werden keine Wunder berichtet. Keine Heilungen, keine Speisungen, nicht mal ein kleines Naturereignis. Außer dem einen Wunder, dem vielleicht größten: Dass er die Menschen  selbst radikal zur Umkehr und damit zu einem Neu-Anfang verwandelt hat.
Auch wir erleben heute wieder Wüstenzeiten. Ökologisch,  gesellschaftlich, kirchlich. Wir spüren, wie die Axt an die Wurzel gelegt ist. Der Ruf zur Umkehr und zum Neuanfang geht auch an jeden von uns.  Dazu brauchen wir Kraft, Willensstärke, um den Start ins neue Leben konstruktiv zu meistern. Im Angesicht  großer Veränderungen haben wir manchmal den Eindruck im Chaos zu versinken und die Orientierung zu verlieren. Ängste und Zweifel kommen auf. Da fallen uns tausend Gründe ein, warum es nicht geht.
Oft geht dem Neustart  eine Erschütterung voraus. Herausforderungen und Krisen gehören zum Menschsein und  können Einladungen bedeuten, das  Alte hinter sich zu  lassen und Neues zu beginnen. Jesus hätte nach seiner Auferstehung die Wunden und damit die Erinnerung an seinen grausamen Tod am Kreuz verschwinden lassen können. Er hätte die Macht gehabt, sie wegzuwischen, sie mit göttlicher plas­tisch-chirurgischer Kunst unsichtbar zu machen.
Gottes Sohn tut es nicht.  Gerade Seine Wundmale sind der Beweis für einen Neuanfang: Dass Er in Seiner Auferstehung alles Menschliche in die Erlösung mit hineingenommen hat.
Und wir? Da hat mich jemand verletzt. Nun fällt es mir schwer, die Vergangenheit hinter mir zu lassen und vorwärtszugehen. Aber da ruft mir Jesus zu: „Brich auf in ein neues Leben! Es gibt immer eine zweite Chance. Ergreife sie!“ Er möchte nicht, dass ich solche Momente ausbremse, in denen die Dinge anders liefen, als ich es mir gewünscht hätte. Er möchte, dass ich vorangehe, Seine Pläne umsetze und mein  Leben in vollen Zügen genieße. Schließlich sagt er selbst: „Ich bin gekommen, damit sie das Leben haben und es in Fülle haben“ (Joh 10,10).
Ein Neuanfang in der Bibel beinhaltet immer  eine Chance, von vorne zu beginnen, die Vergangenheit hinter sich zu lassen und  mit erneuertem Geist vorwärts zu gehen. Die Bibel ist  voll von Versen, die uns ermutigen, neue Anfänge anzunehmen und eine Veränderung in unserem Leben anzustreben.
In einer Welt, die sich oft düs­ter und hoffnungslos anfühlt, erinnern diese Verse daran, dass Gott immer bereit ist zu vergeben und alles neu zu machen. Egal, wie weit wir uns verirrt haben, egal, wie viele Fehler wir gemacht haben, Gottes Barmherzigkeit und Gnade sind immer verfügbar für diejenigen, die Ihn suchen. Das  ermutigt  uns,  nach Veränderung zu streben, die Dinge der Vergangenheit beiseite zu legen und die Hoffnung und das Versprechen eines neuen Tages anzunehmen.

Der Autor lebt in Jerusalem. Vor kurzem erschien das gleichnamige Buch: Wenn nicht jetzt, wann dann? Herausforderung zu einem Neuanfang. Be&Be-Verlag, 216 Seiten, 16€ (siehe oben).
 



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