VISION 20006/2023
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Gianluca Firetti

Artikel drucken Botschaft an uns (Von Elmar Lübbers-Paal)
 
Gianluca Firetti  

Letztlich sind wir für den Himmel geschaffen. Für immer. Für die Ewigkeit.“ Diese reifen Worte kommen nicht aus dem Mund eines gottesfürchtigen Greis. Es sind die im Leiden gereiften Worte eines 20-jährigen Mannes, der ganz bewusst sein Leben lebt, in der Gewissheit, dass er sehr bald sterben wird – an einem Osteo­sarkom („Knochenkrebs“).
Das geduldige Ertragen seiner Krankheit wird für ihn ein Weg zu Gott. Schritt für Schritt, Tag für Tag. Am 30. Januar 2015 verstirbt er mit nur zwanzig Jahren. Der Seligsprechungsprozess für Gianluca Firetti wurde bereits eröffnet.
„Ich bin Priester, aber Gian hat mich bekehrt!“, dies gesteht der Priester Don Marco DAgostino, der Gianluca die letzten zwei Jahre seines Lebens, seit der schrecklichen Diagnose, geistlich begleitete. Aus dem Seel­sorger und dem schwerkranken jungen Mann wurden im Laufe der Zeit enge Freunde. Eindrucksvoll und mit viel Gefühl beschreibt der Priester in zwei Büchern („Spatto in due, Gianlucas Alphabet“ und „Gianluca Firetti, Heiliger von nebenan“) Leben und Leiden, aber auch das von Gott Getragensein des früh Vollendeten.
Gian, wie er in Familie und Freundeskreis stets gerufen wurde, wird am 8. September 1994 in der gut 3.000 Einwohner zählenden Gemeinde Sospiro in der Provinz Cremona in der Lombardei geboren. Er ist der zweite Sohn von Luciano und Laura Firetti. Der Bub entwickelt sich prächtig.
Gian ist nicht anders als andere Heranwachsende in seinem Alter. In der Schule ist der aufgeweckte Junge fleißig. Das Fußballspielen liebt er so sehr, dass er den Weg eines Profi-Fußballers einschlägt. Der Traum so vieler Burschen.
Im Dezember 2012, während eines Spiels, verspürt der Sportler heftiges Zwicken und anhaltende Schmerzen  in den Beinen. Als es schlimmer wird, beginnen die ärztlichen Untersuchungen und medizinischen Tests. Die Diagnose lässt nicht viel Hoffnung auf Heilung: Osteosarkom, ein bösartiger Knochentumor. Gianluca, seine Familie und Freunde müssen sich darauf einstellen, dass Gians Leben in einer überschaubaren Zeit enden wird.
Ein Schock, der alle bis ins Mark trifft. Fußball und Landwirtschaft interessieren den jungen Mann, der bei der Diagnosestellung gerade mal 18 Jahre ist, besonders. Und nun sollen alle Zukunftsvisionen dahin sein?! In dieser verzweifelten Situation bringt eine Schulfreundin Gian mit dem Priester Marco DAgostino in Kontakt. Der schlanke junge Mann wird ihn im Laufe einer intensiven Seelsorge einfach mit „Don“ ansprechen.
Die unbändige Lebensfreude des Erkrankten beeindruckt den Geistlichen sehr. Aber auch die immer häufiger und immer tiefer gehenden religiösen Fragen, die der junge Fußballer erklärt haben möchte, zeichnen seine zunehmende Ausrichtung auf die Ewigkeit ab. „Vater, ich sterbe. Was erwartet mich? Wie wird mir vergolten werden? Erwartet mich Jesus?“        
Gianluca Firettis Vision von Jesus Christus ermutigt ihn, sich nicht zu langweilen, sondern intensiv zu leben. Und wenn es das Ansehen eines Films ist, über den er sich mit Freunden beim Nachmittagstee austauschen kann. Aber auch das schlichte familiäre Abendessen genießt er mit großer Intensität.
Mit der Krankheit werden seine Freunde nicht weniger. Es ist sogar so, dass sich vor seiner Zimmertür kleine Schlangen bilden. Die wartenden Menschen geben sich gegenseitig die Klinke in die Hand. Pater Silva, der Gian auch mehrfach besucht, schildert: „Er hat alle mit seiner schwersten Krankheit infiziert: der Liebe.“
Für jeden, der zu ihm kommt – er kann inzwischen nicht mehr laufen und liegt nur noch im Bett oder auf dem Sofa – hat er nicht nur ein offenes Ohr, sondern auch immer ein tröstendes Wort. Auf Instagram schreibt der Pries­ter Jesús Silva: „Gian war von einer entwaffnenden Einfachheit, wie der Junge im Evangelium, Symbol des Königs, der so dargestellt wird, wie er ist.“
Auch der Priester, Don Marco, berichtet ergriffen: „Es hat mir gut getan, Gian zu treffen. Die beiden Erfahrungen, seine als junger Mann, der ohne Verzweiflung litt, und meine als Gläubiger, der versuchte zu verstehen, wurden eins. Angesichts von Gians Glauben fühlte ich mich mehrmals mikroskopisch klein. Er war jung, weise, krank, aber hatte ein gesundes Herz, das es schaffte, jeden zu lieben und jedem für jede noch so kleine Aufmerksamkeit Danke zu sagen; Gian war entwaffnend. Genauso wie das Evangelium. Ihn zu treffen, ihm zuzuhören und mit ihm zu beten, war wie das Blättern in einem "offenen Evangelium".
Vom Bett aus lehrte er einfach dadurch, dass er da war, in nachdenklicher und nie trauriger Stille, mit seinem inniglichem Gebet, seinen Augen, die „innerlich lasen“. Er zeigte nicht mit dem erhobenen Finger, er beklagte sich nicht über diejenigen, die nicht zu ihm kamen, und er beneidete nicht diejenigen, denen es besser ging als ihm.
Der scheidende Gian war transformativ. Leidend, unbeweglich, 24 Stunden am Tag unter Morphium und dennoch wünschte er noch wenige Tage vor seinem Tod mit aller Kraft: „Einen fröhlichen Sonntag!“ Er freute sich über die Besuche seiner Freunde und sagte zu jedem: „Bitte verschwendet nicht euer Leben, seid brav, lernt, denn ich würde  lieber 500 Seiten studieren, anstatt zu leiden.“
Sein Leben sei zu einer Opfergabe geworden, zu einem „lebendigen, heiligen und Gott wohlgefälligen Opfer“, so der Priester. Weiter erklärt Don Marco: „Teilen war das Geheimnis seiner Heiligkeit. Er ließ jeden in sich hinein. Gott, in erster Linie. Er öffnete sich, er fühlte sich getragen von den Gebeten und der Freundschaft vieler, auch derer, die er nicht kannte, die sich ihm aber in seinem Inneren so nahe fühlten. Gian hat es geschafft, aus jedem – mir zuerst – das Beste herauszuholen, weil er der Beste wurde, indem er die Mitte spürte und den Sinn des Lebens.“
„Schließlich sind wir,“ wie er seinem Bruder Federico sagte, „für den Himmel geschaffen. Für immer. Für die Ewigkeit.“
Trotz seiner Erkrankung findet Gian im Dialog mit Jesus, den er intensiviert, Trost. Gianluca fühlt sich von Gott geliebt und unterstützt. In Momenten größter Ermüdung und größtem Leid wendet er sich an Ihn, nicht um Ihn um Heilung zu bitten, sondern um den Herrn zu bitten, ihm beim Tragen des Kreuzes zu helfen: „Wenn du kannst, zerlege mein Kreuz. Brich es in zwei Hälften, weil es zu schwer für mich ist.“
Gianluca schloss am 30. Januar 2015 im Hospiz des Krankenhauses von Cremona für immer die Augen und hinterließ der Welt eines der schönsten Zeugnisse des Vertrauens in Gott. Das Wunder der letzten Monate seiner Krankheit war nicht das der Genesung. Das wahre Wunder bestand darin, das „Warum“ dieses menschlich unglücklichen Zustands für ihn und seine Familie zu verstehen und es mit den Augen des Glaubens zu lesen.
Gianluca wuchs und ließ Menschen wachsen. Er hatte Glauben, und er brachte ihn anderen zurück. Er war ein Mann der Gemeinschaft und wollte, dass wir uns alle gegenseitig wertschätzen.
Mit nur zwanzig Jahren zeigte er, dass man von Gott und Menschen bewohnt werden kann. Seine Geschichte verkündet, dass „Kreuz, Schmerz und Tod“ keine Worte unendlicher Traurigkeit sind, sondern die Türen der Hoffnung und des ewigen Lebens. Gianluca lebt, in Chris­tus und sagt uns weiterhin, dass das letzte Wort die Liebe ist. Und wie sagte Papst Franziskus doch noch: „Jeder Christ wird in dem Maße, in dem er sich selbst heiligt, für die Welt fruchtbarer.“ Der Lebenssportler Gianluca kann uns darin ein großes Vorbild sein!
Seine Freundin Valentina erinnert sich: „Gian war wirklich ein besonderer junger Mann. Ein Glaubender. Je mehr die Krankheit an ihm nagte, desto mehr strahlte seine Seele.“
Und Don Marco hält fest: „Gianluca war ein enthusiastischer, leidenschaftlicher und liebevoller junger Mann. Er lebte Minute für Minute. Für mich war er ein Sohn, ein Bruder, ein Freund.“


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