VISION 20003/2019
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Schwester Lucia dos Santos

Artikel drucken Botschaft an uns (Von Dom Antoine Marie OSB)

In Fatima wählte die Jungfrau das unschuldige Herz und die Einfachheit der kleinen Francisco, Jacinta und Lucia als Hüter ihrer Botschaft“, sagte Papst Franziskus am 14. Mai 2017. „Mit der Heiligsprechung von Francisco und Jacinta wollte ich der ganzen Kirche ihr Beispiel der Treue zu Christus und ihr Zeugnis für das Evangelium vor Augen stellen…“ Wie die Jungfrau prophezeit hatte, verweilte von den dreien Lucia am längsten auf der Erde.
Am 13. Juni 1917 hatte nämlich Lucia als das älteste der drei Hirtenkinder bei der zweiten Erscheinung Unserer Lieben Frau die himmlische Besucherin gebeten, sie möge sie alle in den Himmel mitnehmen. „Ja,“ antwortete die Gottesmutter, „Jacinta und Francisco werde ich bald holen. Du bleibst noch einige Zeit hier. Jesus möchte sich deiner bedienen, damit die Menschen mich erkennen und lieben. Er möchte auf Erden die Verehrung meines Unbefleckten Herzens begründen.“ Einige Zeit? Für Lucia wurden es nahezu 90 Jahre.
Sie wurde als siebtes Kind von Antonio und Maria Rosa dos Santos 1907 im Dorf Aljustrel bei Fatima in Portugal geboren, empfing die Erstkommunion im Frühjahr 1913 und fühlte dabei einen tiefen Frieden über sich kommen. „Herr, mach eine Heilige aus mir“, betete sie. Zu ihren Aufgaben zählte es, Schafe auf die Weide zu führen. Dabei wurde sie von ihrem Cousin Francisco und ihrer Cousine Jacinta begleitet.
Bereits 1916 erschien ihnen dreimal ein Engel, der sie ermahnte, viel zu beten und Opfer zur Wiedergutmachung der Sünden zu bringen. Am 13. Mai 1917 erschien ihnen dann die Allerseligste Jungfrau in der Senke Cova da Iria, auf einem Gelände, das Lucias Eltern gehörte. „Wollt ihr euch Gott darbieten, um alle Leiden zu ertragen, die Er euch schicken wird, zur Sühne für die Sünden, durch die Er beleidigt wird und als Bitte um die Bekehrung der Sünder?“ – „Ja, wir wollen es!“ – „Ihr werdet also viel leiden müssen, aber die Gnade Got­tes wird eure Stärke sein. Betet täglich den Rosenkranz, um den Frieden der Welt und das Ende des Krieges zu erlangen!“
Für Lucia brach nun eine Zeit der Prüfungen an. Jacinta konnte die Erscheinung nicht geheim halten, obwohl sie es versprochen hatte. Als Lucias Familie davon erfuhr, weigerte sie sich, an die Erscheinungen zu glauben. Der Pfarrer wiederum erklärte ihr, die Visionen könnten ein Blendwerk des Teufels sein.
Lucia hätte beinahe klein beigegeben und gesagt, alles sei pure Erfindung gewesen, sie werde nicht mehr zu den Treffen gehen, die von der himmlischen Erscheinung auf den 13. jedes Monats festgelegt worden waren. Dennoch holte sie Francisco und Jacinta am 13. Juli ab, um nach Cova da Iria zu gehen, wo ihnen die „schöne Dame“ erneut erschien. Diese bat erneut um das tägliche Beten des Rosenkranzes, und zwar möglichst im Familienkreis. Danach vertraute sie den Kindern ein dreiteiliges Geheimnis an.
Anschließend führte sie ihnen durch einen Blick in die Hölle das schreckliche Schicksal der reuelosen Sünder vor Augen und nannte dann ein Mittel, um dieses irreparable Übel zu verhindern: die Verehrung ihres Unbefleckten Herzens. Diese könne auch Frieden zwischen den Völkern erlangen. Folge man ihren Bitten nicht, so werde das dramatische Folgen für die Welt haben: Es werde ein neuer Krieg ausbrechen, Russland werde Verfolgungen heraufbeschwören und seine Irrlehren in der ganzen Welt verbreiten. „Wenn man aber auf meine Wünsche hört, wird Russland sich bekehren, und es wird Friede sein.“
Am 13. August erschienen die drei Hirtenkinder nicht zum Stelldichein, da sie auf Anordnung der antiklerikalen Regierung gegen ihren Willen in Vila Nova de Ourèm festgehalten wurden. Dort versuchte der Bezirkskommissar, ihnen das von der schönen Dame enthüllte Geheimnis zu ent­lo­cken; er drohte ihnen sogar, sie in einen Kessel heißen Öls zu werfen. Obwohl die Kinder terrorisiert waren, sagten sie nichts. Der Beamte brachte sie unverrichteter Dinge wieder nach Hause. Am 19. erschien ihnen die Dame und kündigte ein Wunder für Oktober an.
Viele Jahre später wurde Sr. Lucia gefragt: „Was war die Hauptbitte Unserer Lieben Frau?“ – „Das Opfer.“ – „Was verstehen Sie unter Opfer?“ – „Unsere Liebe Frau sagte, unter Opfer verstehe sie die getreue Erfüllung der Standespflichten eines jeden Einzelnen.“ – „Ist dann der Rosenkranz nicht wichtig?“ – „Doch, denn wir müssen um die Kraft beten, die uns fähig macht, unsere tägliche Pflicht zu erfüllen.“
Am 13. Oktober verriet die himmlische Erscheinung ihren Namen: Unsere Liebe Frau vom Rosenkranz. Sie bat um die Errichtung einer Kapelle zu ihren Ehren sowie um das Beten des Rosenkranzes. Als die Gestalt sich zum Himmel erhob, rief Lucia: „Schaut zur Sonne!“ Da ereignete sich das versprochene Wunder, um die Wahrheit der Erscheinungen zu bekräftigen. Der starke Regen hörte auf, die Wolken schoben sich zur Seite und gaben den Blick zur Sonne frei: Jeder konnte sie sehen, ohne geblendet zu werden. Sie drehte sich dreimal um sich selbst und stieß Lichtbündel aus, die die Landschaft in verschiedene Farben tauchten. Plötzlich schien sich die Sonne vom Firmament zu lösen, um auf die Erde zu fallen! Die Leute schrien auf, bekannten ihre Sünden und sprachen Reuegebete sowie das Glaubensbekenntnis. Das Sonnenwunder wurde von 70.000 Zeugen beobachtet. Am Ende des Wundergeschehens stellten die Leute fest, dass ihre zuvor regengetränkte Kleidung getrocknet war.
Die Botschaft von Fatima ist die einer besorgten Mutter, die ihre Kinder daran erinnert, dass das größte Übel der Menschheit die Sünde ist, denn sie führt in die Hölle und beschwört Kriege herauf. Maria lädt uns ein, uns unter den Schutz ihres Unbefleckten Herzens zu begeben, um im Lichte Gottes zu leben und Frieden für die Welt zu erlangen.
1919 starb Francisco, Jacinta 1920. Lucia war nun allein, um ihre Mission zu erfüllen. 1921 lernte sie den Bischof von Leiria,  Msgr. da Silva, kennen, der wie ein zweiter Vater für sie wurde. Er riet ihr, zu ihrem eigenen Schutz auf die Schule der Dorotheerinnen in Vilar, einer Vorstadt von Porto, zu wechseln. 1921 verließ die damals 14-jährige Lucia endgültig Fatima.
In Porto erhielt Lucia einen neuen Namen: Maria das Dores (der Schmerzen). „Dores“, wie sie genannt wurde, durfte weder über die Erscheinungen sprechen noch über ihr Dorf und ihre Familie, was ihr viele Demütigungen einbrachte, was sie schweigend  ertrug. Sie war nicht mehr die berühmte Seherin von Fatima, sondern eine gewöhnliche, allerdings allgemein beliebte und begabte Schülerin, die einen starken Einfluss auf ihre Mitschülerinnen ausübte.
Dores wollte gern aufs Gymnasium gehen, doch das war unmöglich, ohne ihre Identität zu enthüllen. Als sie ihren Schmerz darüber vor den Tabernakel brachte, sagte Jesus zu ihr: „Sei nicht traurig, du wirst nicht studieren, aber ich werde dir meine Weisheit schenken.“
Lucia fühlte sich seit den Erscheinungen zum Karmel hingezogen, doch man riet ihr aus Gesundheitsgründen,  sich lieber den Dorotheerinnen anzuschließen, die als Schulschwestern arbeiteten. Sie verließ Porto und trat als Postulantin den Dorotheerinnen von Pontevedra bei. Dort erschien ihr am 1925 die Jungfrau Maria und sagte: „Siehe meine Tochter, mein Herz ist von Dornen umgeben, die undankbare Menschen jeden Augenblick durch ihre Lästerungen und ihre Undankbarkeit hineinstechen. Tröste du mich und sage allen, die fünf Monate lang am ersten Samstag zur Beichte gehen, die heilige Kommunion empfangen, den Rosenkranz beten und 15 Minuten lang bei mir verweilen, um im Sinne der Wiedergutmachung über die 15 Geheimnisse des Rosenkranzes nachzudenken: Ich verspreche, ihnen in ihrer Todesstunde mit allen nötigen Gnaden für die Rettung ihrer Seelen beizustehen.“
Im Juli 1926 wechselte Lucia in das Noviziat von Tuy (ebenfalls Spanien) und wurde dort am 2. Oktober unter dem Namen Maria das Dores eingekleidet. Auf Bitten ihres Beichtvaters legte sie ihr Zeugnis über die Herz-Marien-Sühnesamstage schriftlich nieder und dokumentierte damit den Willen Gottes, die Verehrung des Unbefleckten Herzens Mariä in der Welt zu verankern. 1928 legte Sr. Dores ihre ersten Gelübde bei den Dorotheerinnen ab.
Sie bekam die Erlaubnis, jeden Donnerstag von 11 Uhr bis Mitternacht allein in der Kapelle zu verweilen. In der Nacht vom 13. Juni 1929 erhellte sich die Kapelle: Über dem Altar erschien ein Kreuz aus Licht, das bis zur Decke reichte. Unter dem rechten Arm des Kreuzes stand Unsere Liebe Frau und sprach: „Es ist der Augenblick gekommen, in dem Gott den Heiligen Vater auffordert, in Vereinigung mit allen Bischöfen der Welt die Weihe Russlands an mein Unbeflecktes Herz zu vollziehen. Er verspricht, es durch dieses Mittel zu retten.“ Am 29. Mai 1930 ersuchte der Herr Lucia, sie möchte den Heiligen Vater um die Approbation der Sühnesamstage sowie um die noch nicht erfolgte Weihe Russlands bitten. 1930 erklärte Bischof da Silva die Erscheinungen für göttlichen Ursprungs.
In den Jahren des 2. Weltkrieges blieb Portugal von der Geißel des Krieges verschont, wie Lucia 1940 an den Heiligen Vater schrieb: „Unser Herr versprach im Hinblick auf die Weihe, die unsere portugiesischen Bischöfe im Namen des Volkes an das Unbefleckte Herz gemacht haben, den besonderen Schutz für unser Vaterland während des Krieges, und dieser Schutz wird der Beweis sein für die Gnade, die anderen Völkern gegeben würde, wenn für sie wie für das portugiesische Volk die Weihe vollzogen würde.“ 1942 weihte Papst Pius XII. die Kirche sowie die ganze Welt dem Unbefleckten Herzen Mariens und erwähnte dabei versteckt auch Russland. Am 4. Mai 1943 schrieb ihm Sr. Dores: Der Herr „verspricht das baldige Ende des Krieges angesichts des Weiheaktes Eurer Heiligkeit. Da er aber unvollständig war, wird die Bekehrung Russ­lands später erfolgen.“ Am 25. März 1984 wurde die Weihe von Johannes-Paul II. im Verein mit allen Bischöfen der Welt erneuert. Sr. Lucia schrieb daraufhin, der Akt sei nun so vollzogen, wie Unsere Liebe Frau ihn sich gewünscht hatte.
Zwischen 1935 und 1941 verfasste Schwester Lucia auf Bitten von Bischof da Silva vier Erinnerungsschriften, die mit Ausnahme des dritten Geheimnisses alles über Fatima festhielten. Als der Bischof sie 1943 darum bat, auch dieses Geheimnis aufzuschreiben, wandte sich die Schwester verunsichert an Maria, die ihr am 2. Januar 1944 die Erlaubnis zum Aufschreiben ereilte, jedoch mit der Maßgabe, dass der Text nicht vor 1960 veröffentlicht werden dürfe.
Ihr Wunsch, in den Karmel einzutreten, wurde immer dringliche. 1947 vertraute sie ihn Papst Pius XII. an. Dieser gab ihr die Erlaubnis dazu. So trat sie am 25. März 1948, einem Gründonnerstag, in den Karmel von Coimbra ein und erhielt den Ordensnamen Sr. Maria Lucia de Jesus vom Unbefleckten Herzen.  Im Konvent sie ein einfaches, unauffälliges Leben. Mit ihrer fröhlichen Miene, ihrem breiten Lächeln und ihrem Sinn für Humor bereitete sie den Schwestern in den Ruhepausen viel Freude. Sie gehorchte gewissenhaft, stand immer zur Verfügung, nahm jedes Amt an bzw. legte es nieder, je nachdem, was von ihr verlangt wurde.  Lucia unterhielt eine umfangreiche Korrespondenz: Sie wurde aus allen Teilen der Welt um ihre Fürsprache zur Linderung körperlicher und seelischer Leiden gebeten.
Als 2000 die Seligsprechung ihres Cousins Francisco und ihrer Cousine Jacinta angekündigt wurde, ging für sie ein langgehegter Herzenswunsch in Erfüllung. Danach verschlechterte sich ihr Gesundheitszustand zunehmend; sie war bald auf einen Rollstuhl angewiesen, verlor darüber weder ihre Heiterkeit noch ihren Humor, sagte aber gleichwohl: „Niemand will jung sterben, aber es fällt einem sehr schwer, alt zu sein!“ 2005 verbrachte sie ihre letzten Tage in tiefem Schweigen. Am 13. Februar empfing sie ein Fax mit dem Segen Johannes-Pauls II., das sie sogar noch selbst lesen konnte: „Verehrungswürdige Schwester Lucia de Jesus vom Unbefleckten Herzen, ich versichere Sie meiner herzlichen Verbundenheit, mit besonderer Erwähnung Ihrer Person beim Gott allen Trostes, damit Sie gelassen und ergeben diese Augenblicke der Prüfung verdienstvoll überwinden können…“ Im Laufe des Abends verschied Schwester Lucia friedlich in Gegenwart des Bischofs von Coimbra und des ganzen Konvents. Anlässlich ihrer Trauerfeier in der Kathedrale von Coimbra am 15. Februar ordnete die Regierung Portugals einen nationalen Trauertag an. Lucias Seligsprechungsverfahren auf Diözesanebene wurde am 13. Februar 2017 feierlich abgeschlossen.
Folgen wir dem Beispiel Schwester Lucias, weihen wir uns dem Unbefleckten Herzen Mariens, damit wir die Zeit, die der Herr uns hier auf Erden gewährt, unter dem Blick unserer himmlischen Mutter verbringen können.



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